Der Kunstbegriff Workation (Arbeitsurlaub) als Mischung aus Arbeit („Work“) und Urlaub („Vacation“) taucht immer häufiger in den Medien auf. Work-Life-Blending in Reinform und der Inbegriff von New Work meinen die einen. Das Schlimmste was man sich antun kann, unken die anderen. Zeit für eine differenzierte Betrachtung – typisch Persoblogger eben.
Was ist Workation?
Die neudeutsche Bezeichnung Workation steht für einen Arbeitsurlaub. Der Begriff setzt sich zusammen aus dem Wort „Work“ für Arbeit und Urlaub beziehungsweise Ferien, im Amerikanischen „Vacation“. Workation ist eine Form des mobilen Arbeitens außerhalb der Büroräume und für viele der Inbegriff von Arbeitsortflexibilität und Ausprägung des New Work Gedankens.
Nicht zu verwechseln ist Workation mit Bildungsurlaub. Dazu hatte ich ebenfalls bereits einen ausführlichen Beitrag veröffentlicht.
Schöne neue Urlaubs-, äh Arbeitswelt der New Work
Die Titelbilder, die häufig Artikel im Zusammenhang mit New Work schmücken, suggerieren bereits diese schöne neue Arbeitswelt, die sich eher wie Urlaub anfühlt. Bunte Sommerwiesen und Obstplantagen im Hintergrund oder Strandkörbe und Meer – und mittendrin ein mehr oder minder glücklich dreinschauender Mensch. Angeblich bei der Arbeit. Sie kennen das sicher.
Aber gibt es ihn wirklich, den produktiven und sinnvollen Arbeitsurlaub? Wie so oft finden sich in den Medien vor allem tendenziöse Artikel, die Workation entweder über den grünen Klee loben oder das Konzept verteufeln. Zeit, sich mit den Vorteilen und Nachteilen von Arbeit und Urlaub in Kombination zu beschäftigten.
Die Vorteile und positiven Seiten von Workation
Ich gebe es zu: Auch ich habe in der Vergangenheit schon häufiger einen Städtetrip am Wochenende ohne Kinder dafür genutzt, um mir Gedanken zu meinem Persoblogger-Business zu machen. Um die Website zu überarbeiten, neue Services zu kreieren oder über Geschäftsstrategien nachzudenken. Dies an einem außergewöhnlichen oder unbekannten Ort zu tun, erscheint toll und erstrebenswert.
Entspannung wirkt sich positiv auf die Arbeit aus
Dort wo im Alltag der übliche Terminstress mit Videokonferenzen in Reihe, Anrufen und Mail-Eingängen stets einen unterschwelligen Druck erzeugt, fühlt sich Workation komplett anders an. Losgelöst von der Erwartungshaltung einer Dauer-Erreichbarkeit lässt sich Arbeit deutlich positiver erleben als im Büroalltag oder dem Homeoffice.
Arbeiten nach dem eigenen Biorhythmus
Während des Alltags unterliegen viele Beschäftigte vorgegebenen Arbeitszeiten. Beispielsweise weil Kundinnen und Kunden anrufen und eine Auskunft haben wollen oder Meetings mit dem Team stattfinden. Sogenannte Kernarbeitszeiten entsprechen allerdings nicht unbedingt dem individuellen Leistungshoch. Stichwort Biorhythmus. Diese Fremdtaktung entfällt im Rahmen von Workation. Denn hier vermischen sich die Vorteile eines Urlaubs, wie langes Ausschlafen oder selbstbestimmte Tagesplanung, mit den Erfordernissen des Berufs, wie Konzentration und Produktivität.
Arbeit nach dem eigenen Biorhythmus fördert nachweislich die Kreativität und damit die Innovationskraft.
Der Mensch im Mittelpunkt der Arbeit
Sehr häufig dreht sich Arbeit um den Arbeitsort. Zugegeben: Seit der Corona-Pandemie haben zahlreiche Menschen die digitale Arbeit über Remote-Zugänge für sich entdeckt. Und trotzdem gibt es auch hier verschiedene (virtuelle) Räume, in die wir uns einloggen. Vor Ort in den Offices wechseln wir in Meeting-Räume, kämpfen mit dem Beamer oder stehen am Kopierer oder Drucker (soll es trotz Digitalisierung tatsächlich noch geben!). Und vor beziehungsweise nach der Arbeit erleben Pendler den üblichen Wechsel des Orts durch unterschiedliche Verkehrsmittel ebenfalls mehr oder minder intensiv.
Bei Workation hingegen spielt der Raum eine deutlich untergeordnetere Rolle, weil das Gefühl des Urlaubsortes allgemein schon einen großen Einfluss nimmt. Menschen fühlen sich im Urlaub freier und befreiter von Zeit und Raum.
Diesen Effekt können Arbeitgeber auch für ganze Teams nutzen im Sinne einer Teambuilding-Maßnahme.
Positive gesundheitliche Auswirkungen bei Workation
Psychische Belastungen nehmen derzeit Pandemie-bedingt bei Beschäftigten immer weiter zu. Arbeitgeber haben ihr BGM-Konzept, also das Betriebliche Gesundheitsmanagement, längst auf den Prüfstand gestellt und häufig bereits upgegradet.
Im Urlaub können all die Erholungsphasen, sportlichen Aktivitäten und Bewegungstrainings eingeplant werden, für die im Alltag oft keine Zeit bleibt. Und selbstverständlich macht die vorabendliche Jogging-Tour am Strand deutlich mehr Spaß als der verregnete Asphalt-Run in einer lauten Großstadt. Auch ernähren Menschen sich häufiger gesund im Urlaub und essen regelmäßiger und vor allem mit mehr Ruhe als während des typischen Büroalltags.
Workation ist folglich eine Möglichkeit, den körperlichen Akku wieder aufzuladen – trotz Arbeitsphasen und Produktivität. Die Urlaubsstimmung und Atmosphäre strahlt hier auf die Arbeit ab und lässt uns diese deutlich positiver erleben und besser bewältigen.
Nachteile und Gefahren von Workation
Neben den genannten Vorteilen gibt es aber auch eine Reihe von Nachteilen und Gefahren, die Workation mit sich bringt. Erstaunlicherweise sind diese nahezu spiegelverkehrt.
Auch bei Workation ist die Wahrnehmung der Arbeit entscheidend
So verlockend das vermeintlich entspannte Arbeiten am Urlaubsort klingt – im Kern ist es weiterhin Arbeit. Wenn Menschen also generell keine Erfüllung in ihrer konkreten Tätigkeit, sich nicht ausreichend dafür qualifiziert sehen oder in Abhängigkeit mit einer Gruppe wie einem Team konfliktreich interagieren, wird auch ein Workation Arbeitsurlaub kein Zuckerschlecken.
Damit meine ich, dass eine ungeliebte Tätigkeit nicht deswegen besser gelingt, nur weil der Ausblick aus dem Fenster ein glitzernd blaues Meer zeigt. Denn genau hier lauert die nächste Gefahr.
Selbstdisziplin am Urlaubort herausfordernder
Je ansprechender die Umgebung am Urlaubsort beziehungsweise dem Ort der Workation ist, umso stärker wird Ihre Selbstdisziplin gefordert. Die Verlockungen einer Ablenkung durch das Eintauchen ins kühle Nass des Pools, das Kennenlernen anderen Menschen an der Poolbar oder auch der eines ausgiebigen Erkundungsspaziergang sind hoch.
Im Gegensatz zu einem reinen Erholungsurlaub, bei dem Sie -um im Beispiel zu bleiben- systematisch eine Insel mit dem Mietwagen erkunden oder Tagestouren zum Schnorcheln oder ähnlichen Aktivitäten veranstalten, müssen Sie bei Workation stets Arbeitsphasen einplanen. Ihre Selbstdisziplin sowie Ihre Organisations- und Selbstmotivationsfähigkeit sind hier in jedem Fall gefordert.
Nicht jeder Urlaubsort gleichermaßen für Workation geeignet
Auch die Wahl des Urlaubsortes dürfte eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Für produktives Arbeiten müssen Sie sich auch bei Workation einen einigermaßen passenden Arbeitsort suchen. Denn weder ein Strand mit seinem feinen Sand noch eine Poollandschaft mit spielenden und plantschenden Kindern dürfte für konzentrierte Arbeit oder Kundentelefonate über ihren Laptop die geeignete Arbeitsumgebung sein. Zumindest nicht die ganze Zeit über.
Darüber hinaus benötigen viele Beschäftigte für ihre Arbeit eine stabile Internetverbindung und unterliegen gewissen Datenschutz-Verpflichtungen. So dass eine öffentliche Sonnenterrasse im Hotel ebenfalls nicht für alle Arbeitssituationen gleichermaßen geeignet sein dürfte.
Negative Gesundheitsauswirkungen durch Workation
In Summe können viele Störeinflüsse, zum Beispiel eine wackelige Internetverbindung und Lärm zusammen mit Zeitdruck zur Lieferung von Arbeitsergebnissen dazu führen, dass die Gesundheitsauswirkungen gar ins Negative kippen. Auch wenn Work-Life-Blending derzeit hipper zu sein scheint als Work-Life-Separation: Irgendwann ist auch einmal Zeit zum kompletten Abschalten. Für Erholung pur.
Wenn Sie aber den im Hotelzimmer erlebten Stress dann auch mit an den Strand nehmen und unterschwellig das Gefühl haben, sie müssten doch schon früher ins Zimmer zurück, um noch heute die eine oder andere Aufgabe von Ihrer To-Do-Liste zu streichen oder eine Kundin zu erreichen, kippt Workation schnell.
Am Ende verbinden Sie gar die Traumumgebung am Urlaubsort mit Stress und Hektik. Die Erholung ist dahin. – Diesen Abstrahleffekt gibt es in beide Richtungen, was oft von den Workation-Fans verschwiegen wird.
Workation kann den Betriebs- oder Teamfrieden gefährden
Kennen Sie das Gefühl, wenn Sie zuhause im herbstlich regnerischen Deutschland sitzen und via Social Media die traumhaften Urlaubsfotos Ihrer Kontakte in den Newsfeed gespielt bekommen? Manchmal können Sie damit vermutlich besser umgehen als an anderen Tagen, oder? – Und jetzt stellen Sie sich Menschen vor, die überhaupt nicht in den Urlaub gehen können. Zum Beispiel, weil sie gesundheitlich nicht dazu in der Lage sind zu reisen oder weil sie es sich schlicht finanziell nicht leisten können.
So geht es auch manchen Beschäftigten, die keine Möglichkeit haben, mobile Arbeit als Zeichen von Arbeitsplatzflexibilität zu nutzen. Sie müssen schlichtweg am Arbeitsplatz, zum Beispiel einer Fabrikhalle, einem Laden oder auch einer Klinik stehen. Wenn nur ein Teil eines Teams oder Teile eines Unternehmens überhaupt die Möglichkeit haben, mobil zu arbeiten, kann schnell Neid und Missgunst aufkommen. Und wenn dann tagsüber noch die Workation-Postings von übereifrigen Kolleginnen und Kollegen die Runde machen, kann das schnell Einfluss auf die Arbeitskultur haben. Bis hin zur einer gefühlten Zwei-Klassen-Gesellschaft.
So wird Workation entspannt und gleichzeitig produktiv
Nachdem Sie nun sowohl Vorteile als auch Nachteile eines Arbeitsurlaubs kennengelernt haben, stellt sich die Frage, wie Ihre Workation zum Erfolg werden kann.
Hier ein paar Tipps:
- Nutzen Sie Workation nicht als Ersatz für einen Erholungsurlaub. Stattdessen ist Arbeitsurlaub eine zusätzliche Möglichkeit, um gewisse Arbeiten an einem angenehmeren Ort auszuführen als dem klassischen Büro oder Homeoffice.
- Überfrachten Sie Ihren Workation-Aufenthalt nicht mit zu viel To-Dos. Planen Sie bestenfalls nur ein Drittel der Zeit ein, um zu Arbeiten und halten Sie sich daran
- Sorgen Sie für passende Rahmenbedingungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen am Ort Ihrer Workation (Geräuschpegel, Temperatur, Verpflegung, technische Ausstattung, Ergonomie usw.).
- Probieren Sie sich in verschiedenen Arbeitssituationen zu unterschiedlichen Tageszeiten aus und zwingen Sie sich nicht in ein zu enges zeitliches oder mengenmäßiges Korsett.
- Kommunizieren Sie klar und transparent an Vorgesetzte, Kolleginnen und Kollegen sowie möglichen Kundinnen und Kunden, wie Sie es mit dem Thema Erreichbarkeit halten. Bestenfalls nutzen Sie Workation für Arbeiten, die keinen solchen unmittelbaren synchronen Kontakt erfordern.
- Achten Sie auf ausreichend Schlaf und Wohlfühlen, damit sowohl Work als auch Vacation entsprechenden Raum haben.
- Mobile Arbeit im Ausland, vor allem über einen längeren Zeitraum, löst einige zusätzliche juristische Wirkungen aus – dazu in Kürze mehr auf meinem Portal im Bereich Recht.
- Seien Sie sich immer bewusst, dass mobiles Arbeiten und damit auch Workation ein Privileg sind, das nicht alle genießen können. Gehen Sie achtsam damit um, wenn Sie öffentlich kommunizieren.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute beim mobilen und hybriden Arbeiten und Ihrer möglicherweise ersten Workation.