Beschäftigte klagen immer häufiger über Stress, schleppen psychische Belastungen mit sich herum oder leiden unter Konflikten im Arbeitsumfeld. Der durch Leistungsausfall entstehende wirtschaftliche Schaden ist das eine. Das andere sind die Menschen, die sich als Einzelschicksale hinter den Statistiken verbergen. Was können Arbeitgeber also im Bereich Gesundheitsvorsorge für ihre Beschäftigten tun und wer kann sie dabei unterstützen?
Betriebliches Gesundheitsmanagement BGM rückt in den Fokus
Es ist kein Zufall, dass das Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement, kurz BGM, in 2021 in meinen redaktionellen Fokus gerückt ist. Denn damit spiegele ich die teilweise fast dramatischen Entwicklungen in den Unternehmen.
Denn immer mehr Arbeitgeber erkennen, dass sie ohne systematische Maßnahmen im Bereich BGM nicht länger zukunftsfähig aufgestellt sind. Auch und insbesondere die Corona-Krise hat gezeigt, dass Unternehmen beim Thema Mitarbeitergesundheit häufig zu kurz denken. Und entsprechend handeln.
Psychische Beschwerden – Gefahr eines Burnouts steigt
Der AOK-Fehlzeitenreport 2020 zeigte, wie stark Stress und Konflikte im Arbeitsumfeld zu gesundheitlichen Einschränkungen führt. So fühlte sich knapp ein Viertel der befragten Beschäftigten von ihren Vorgesetzten ungerecht behandelt. Gefühle der Gereiztheit wie Wut und Ärger verspüren 23,3%, rund ein Fünftel beklagt Lustlosigkeit (21,2%), Erschöpfung (19,7%) oder Schlafstörungen (18,1%). Sogar körperliche Beschwerden wie Rücken- und Gelenkschmerzen (25,8) oder Kopfschmerzen (10,2%) steigen in der Häufigkeit an.
Auch die Befragung des Gallup Instituts im Herbst 2020 zu den Auswirkungen der Pandemie-bedingten Remote-Arbeit bestätigt den Trend. Dabei gaben 35% der Befragten an, aufgrund von Arbeitsstress ausgebrannt zu sein. In den beiden Vorjahren waren es konstant 26%. Die Gefahr für ein Burn-out-Syndrom ist allerdings durch die Corona-Pandemie deutlich gestiegen.
Wie viel Engagement in Mitarbeitergesundheit ist nötig?
So alarmierend die Zahlen auch scheinen, bei einem Teil der Personalverantwortlichen in Unternehmen führt dies noch nicht zu aktiven Maßnahmen. Manchmal stellen sie sich sogar die Frage, inwieweit sich Arbeitgeber überhaupt in Themen wie psychische und physische Gesundheit von Mitarbeitenden einmischen sollten.
Zumal die Ursachen für psychische Belastungen und Stress häufig nicht so eindeutig wie in der Studie der AOK beschrieben, in einer einzigen Sphäre zugeordnet werden können.
Auch sieht ein Teil der Beschäftigten eine zu starke Einmischung des Arbeitgebers in den Bereich Mitarbeitergesundheit skeptisch. Häufig aus Angst vor Repressionen oder gar Arbeitsplatzverlust, behalten Beschäftigte entsprechende Auskünfte lieber für sich.
Allerdings sind Arbeitgeber schon von Gesetzes wegen zu einer Vielzahl von Maßnahmen der Mitarbeitergesundheit verpflichtet. Stichwort: Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für seine Beschäftigten
Neben der allgemeinen Rechtsnorm des §241 BGB, wird eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers über § 618 BGB begründet.
In § 618 BGB heißt es:
Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.
Eine Reihe spezieller zusätzlicher Gesetze legt Arbeitgebern weitreichende Verpflichtungen auf. Das sind zum Beispiel Regelungen, die Begriffe wie „Räume“ oder „Vorrichtungen“ des § 618 BGB konkretisieren, wie zum Beispiel:
- die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
- das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) oder das
- Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)
Arbeitsschutz und Gefährdungsbeurteilung
Während § 5 ArbSchG im Absatz 1 davon spricht:
Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
wird Absatz 3 bereits konkreter, mit Blick darauf, woraus sich eine Gefährdung der Beschäftigten insbesondere ergeben kann:
- die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
- physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
- die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
- die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
- unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
- psychische Belastungen bei der Arbeit.
Seit 2013 sind auch psychischen Belastungen explizit in die Gefährdungsbeurteilung aufgenommen. Der Schutz der Mitarbeitergesundheit ist folglich keine Freiwilligen-Aktion!
Noch ein abschließender Gedanke dazu:
Gesundheitlich beeinträchtigte beziehungsweise kranke Beschäftigte stellen selbstverständlich betriebswirtschaftlich ein Risiko dar. Ausfallzeiten schlagen auf die Produktivität. Und eine Unternehmenskultur, die auf dem sogenannten Präsentismus basiert, ist selbstverständlich auch keine nachhaltige Erfolgsstrategie.
Präsentismus nennt man das Verhalten von Beschäftigten, trotz Krankheit zu arbeiten, obwohl sie eigentlich stark leistungseingeschränkt sind.
Mitarbeitergesundheit – was Arbeitgeber tun können
Die Maßnahmen im Zusammenhang mit den genannten Problemen wie Stress, psychischen Belastungen oder auch Konflikten mit Auswirkungen auf die Mitarbeitergesundheit, sind vielfältig. Häufig nehmen Organisationen dabei die Unterstützung von externen Dienstleistern in Anspruch.
Vier HR-Startups, die sich diesem Bereich des BGM verschrieben haben, möchte ich an dieser Stelle Sichtbarkeit verleihen. Mit allen habe ich persönliche Gespräche geführt und das Ergebnis in jeweils einem eigenen Artikel veröffentlicht:
- Evermood: Online-Plattform für Mitarbeiterunterstützung
- doQtor: Soziales Hilfesystem für Arbeitgeber
- MODERNMIND – Mentale Gesundheit und Leistungsfähigkeit für Mitarbeiter
- CoachHub Wellbeing – digitales Coaching für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz
Ein kurzer Hinweis:
Meine Unterstützung von Startups im Rahmen der Interview-Rubrik „HR-Startups kennenlernen“ erfolgt unentgeltlich – insofern ist eine Werbekennzeichnung m.E. nicht notwendig.
Gesundheitliche Prävention
Aktive Gesundheitsvorsorge und Prävention ist in der Regel wirtschaftlicher sinnvoller als mit den Auswirkungen auf die Mitarbeitergesundheit durch psychische Belastungen und ähnlich umzugehen.
Startup MODERNMIND
Der Dienstleistung-Schwerpunkt des HR-Startups MODERNMIND liegt auf der Prävention. Dies erfolgt durch sogenannte „gehirngerechte“ Schulungen und Trainings zum achtsamen Führen von Mitarbeitenden.
MODERNMIND – Mentale Gesundheit und Leistungsfähigkeit für Mitarbeiter
CoachHub Wellbeing
Auch CoachHub Wellbeing widmet sich der Gesundhaltung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch 1:1 Coaching. Spezialisierte Business-Coaches können von Beschäftigten angefordert werden, mit dem Ziel die psychische Gesundheit im Lot zu halten.
CoachHub Wellbeing – digitales Coaching für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz
Beratung, Behandlung und Genesung
Sind gesundheitliche Beeinträchtigungen einmal eingetreten, so geht es in erster Linie um Beratung zum Umgang mit der Belastung oder Krankheit. Und natürlich um deren Behandlung mit dem Ziel der Genesung.
Startup Evermood
Der Dienstleister sieht sich vor allem im Bereich Information und Aufklärung stark. Auf der Online-Plattform gibt es Beratungsangebote, Videos sowie praxisorientierte Leitfäden.
Evermood: Mitarbeiterunterstützung bei psychischen Belastungen und Konflikten
Soziales Hilfesystem doQtor
Das Startup doQtor will das „Fieberthermometer“ für psycho-soziale Belastungen in Unternehmen sein. Kernleistungen sind das Clearing der schwierigen Situation, die Kontaktherstellung zu lokalen Hilfenetzwerken sowie ein Facharztvermittlungsservice.
Fazit zum Thema psychische Belastungen und deren Abhilfe
Selbstverständlich kann dieser Artikel nicht annähernd die Komplexität des Themas Gesundheitsvorsorge und Mitarbeitergesundheit abhandeln. Das ist selbst eine Herausforderung für entsprechende Fachbücher.
Vielmehr wollte ich Ihnen -wie so häufig- einen Impuls geben, sich aktiv mit Betrieblichem Gesundheitsmanagement auseinander zu setzen. Und gleich einige Lösungsideen mitliefern.
In diesem Zusammenhang darf ich Sie auch auf den Praxis-Artikel Psychische Belastungen im Homeoffice erkennen von Daniel Fodor hinweisen.
Diese Thematik wird im Übrigen ebenfalls in meinem neuen Buch Praxisleitfaden Homeoffice und mobiles Arbeiten – Organisatorische, rechtliche und arbeitspsychologische Herausforderungen erfolgreich meistern in einem Kapitel beschrieben.