Die Arbeitswelt hat sich mit dem Aufkommen hybrider Arbeitsmodelle stark verändert. Die Erfahrungen mit dem Homeoffice während der Pandemie haben gezeigt, dass eine Büropräsenz an fünf Tagen pro Woche nicht notwendig für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist. Insbesondere Betriebsräte stehen aufgrund der neuen Situation vor der Herausforderung, die Mitbestimmung auch im Homeoffice und bei mobilen Arbeitsmodellen zu gewährleisten. Doch wie kann dies gelingen? Antworten von Gastautor Hendrik Grempe.
Remote Work ist längst Standard
Eine Annehmlichkeit, die Arbeitnehmer auch nach dem Auslaufen der Corona-Maßnahmen nicht mehr missen wollen – mehrere Tage remote Work sind längst zum Standard geworden. Die Erfolge dieser neuen Modelle bringen aber auch eine Menge neuer Herausforderungen in den Arbeitsalltag:
- Wie organisiere ich ein Unternehmen?
- Was mache ich mit all den freien Arbeitsplätzen?
- Wie gehe ich sicher, dass meine Kolleginnen und Kollegen weiter erfolgreich als Team zusammenarbeiten?
All diese Fragen werden in Unternehmen und in der Öffentlichkeit umfassend diskutiert. Eine Perspektive, die in diesem Diskurs jedoch noch immer wenig Aufmerksamkeit erhält, ist die der Mitbestimmung und des Arbeitsschutzes.
Mitbestimmungsrecht bei hybriden Arbeitsmodellen
Das Mitbestimmungsrecht von Betriebsräten ist ein zentrales Element, um die Interessen der Belegschaft zu wahren. In Sachen Remote Work gilt jedoch, dass die grundsätzliche Entscheidung, ob Homeoffice in einem Unternehmen eingeführt wird, nicht mitbestimmungspflichtig ist. Arbeitnehmer haben also keine Entscheidungskompetenz darüber, ob ein Unternehmen mobiles Arbeiten anbietet. Es liegt gänzlich im Ermessen der Unternehmensleitung, Homeoffice anzubieten oder nicht.
Sobald dies jedoch zugelassen wird, greifen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats laut § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG. Hier geht es vor allem um die Ausgestaltung des Homeoffice, mithin wie gearbeitet wird: u.a. zeitlicher Umfang, der Ort, von dem aus gearbeitet werden darf, sowie die Erreichbarkeit der Arbeitnehmer müssen gemeinsam mit dem Betriebsrat abgestimmt werden.
Mitbestimmung bei der Arbeitszeiterfassung
Ein weiteres zentrales Thema der Mitbestimmung betrifft die Arbeitszeiterfassung. Es muss sichergestellt werden, dass die gesetzlichen Anforderungen zur Erfassung der Arbeitszeiten auch im Homeoffice umgesetzt werden. Hierbei spielen technische Lösungen eine Rolle, die den Mitarbeiter in die Lage versetzen, Arbeitsbeginn, Pausen und Arbeitsende digital zu dokumentieren. Betriebsräte (und Arbeitgeber) müssen zudem darauf achten, dass die Sicherheitsaspekte der mobilen Arbeit gewahrt bleiben. Dies umfasst Datenschutzmaßnahmen, aber auch die Sicherheit der genutzten IT-Systeme. Diese Mitbestimmungsthemen sind entscheidend, um die Rechte der Mitarbeiter auch außerhalb der Unternehmensräume zu schützen und Missbrauch zu verhindern.
So wird deutlich, dass Betriebsräte zwar nicht das „Ob“ des Homeoffice bestimmen, jedoch maßgeblich daran beteiligt sind, das „Wie“ mitzugestalten.
Herausforderungen für die Mitbestimmung in hybriden Strukturen
Die fehlende physische Anwesenheit der Arbeitnehmer im Betrieb erschwert spontane und formale Zusammenkünfte von Betriebsräten und auch informelle Informationswege, wie die Gespräche in der Kaffeeküche fallen öfter weg. Sitzungen und Abstimmungen, die traditionell vor Ort stattfanden, müssen nun auf digitale Plattformen verlagert werden. Dabei ergeben sich jedoch neben erschwerten Organisationswegen auch Datenschutz- und Sicherheitsfragen. So muss die Kommunikation verschlüsselt und der Zugang zu internen Informationen durch sichere Endgeräte gewährleistet sein.
Betriebsräte sind deshalb gefordert, sich stärker mit technischen Fragen auseinanderzusetzen und gegebenenfalls Schulungen für ihre Mitglieder zu organisieren.
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
Auch im Homeoffice ist der Betriebsrat mit für den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter zuständig. Gefährdungsbeurteilungen gemäß der Arbeitsstättenverordnung müssen durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass ergonomische Arbeitsplätze zur Verfügung stehen und gesundheitliche Risiken minimiert werden. Ebenfalls gilt es, die Einhaltung der Zeiterfassung sicherzustellen und Überlastungen durch verschwimmende Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zu verhindern.
Gerade in hybriden Arbeitsmodellen besteht die Gefahr, dass Arbeitnehmer durch ständige Erreichbarkeit in eine Überlastungsspirale geraten. Denn auch wenn für viele das mobile Arbeiten ein Segen ist und die Work-Life-Integration erleichtert, drohen durch hybrides Arbeiten auch einige Gefahren. So kann es leichter passieren, dass der fehlende Kontakt zu Kollegen zu sozialer Isolation führt.
Des Weiteren kann die fehlende klare Trennung zwischen Arbeitsplatz und Freizeit dazu führen, dass Arbeitnehmer länger und intensiver Arbeiten, Pausen ausfallen lassen und arbeitsrelevante Themen mit in die Freizeit nehmen.
Datenschutz und Überwachung
Ein weiteres besonders sensibles Thema bei hybrider Arbeit ist der Datenschutz. Während in klassischen Büroumgebungen oft klar ist, welche technischen Maßnahmen erforderlich sind, um Daten zu schützen, ergeben sich im Homeoffice oder bei mobiler Arbeit erhebliche Herausforderungen. Zunächst stellt sich die Frage nach der sicheren Übertragung sensibler personenbezogener Daten. Insbesondere die Nutzung privater oder unsicherer Netzwerke kann ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen. Hier müssen Betriebsräte darauf hinwirken, dass Unternehmen für geschützte, verschlüsselte Kommunikationskanäle sorgen, etwa durch VPNs (Virtual Private Networks) oder spezielle Verschlüsselungstechnologien für mobile Endgeräte.
Daneben spielt die Absicherung von Endgeräten selbst eine wichtige Rolle. Rechner, die im Homeoffice genutzt werden, sollten durch Sicherheitslösungen wie Firewalls, Virenscanner und regelmäßige Software-Updates geschützt werden. Außerdem muss die strikte Trennung von beruflicher und privater Nutzung gewährleistet sein. So müssen klare Regeln aufgestellt werden, ob und wie private Geräte für die Arbeit genutzt werden dürfen, und wie dabei sicher gegangen werden kann, wie Firmendaten vor externen Eingriffen gesichert werden können.
Betriebsräte müssen darauf bestehen, dass datenschutzrechtliche Vorgaben im Rahmen von Betriebsvereinbarungen explizit geregelt werden. Das betrifft nicht nur die technischen Sicherheitsmaßnahmen, sondern auch klare Richtlinien zur Datenverarbeitung und -speicherung. Verstöße gegen den Datenschutz, sei es durch unsichere Verbindungen oder durch fahrlässigen Umgang mit personenbezogenen Daten, können nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch erhebliche wirtschaftliche und reputative Schäden nach sich ziehen.
Versicherungsschutz im Homeoffice
Die Frage nach dem Versicherungsschutz stellt sich ebenfalls. Wer haftet zum Beispiel, wenn sich der Arbeitnehmer im Homeoffice verletzt oder in einen Unfall auf dem Weg zur Kinderbetreuung gerät? Laut Betriebsrätemodernisierungsgesetz sind Mitarbeitende im Homeoffice mittlerweile genauso versichert wie im Büro.
Allerdings sollten Betriebsräte hier überprüfen, ob die jeweiligen Arbeitsbedingungen diesem Schutz auch gerecht werden. Gerade sogenannte Wegeunfälle müssen ausreichend abgesichert und dokumentiert sein, um unnötige juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Fazit: Ein Balanceakt zwischen Flexibilität und Kontrolle
Hybride Arbeitsmodelle bieten große Chancen, aber auch erhebliche Herausforderungen für Betriebsräte. Es ist essenziell, dass Betriebsräte ihre Rolle als Interessenvertreter der Belegschaft auch im Homeoffice oder bei mobiler Arbeit aktiv wahrnehmen. Sie müssen sicherstellen, dass die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeiter nicht untergraben werden, gleichzeitig aber auch mit den neuen Anforderungen Schritt halten, die die digitale Transformation und flexible Arbeitsmodelle mit sich bringen.
Eine enge Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber ist hierbei unerlässlich, um tragfähige Lösungen zu entwickeln, die den Schutz der Arbeitnehmerrechte auch in Zukunft gewährleisten.