Nicht nur zum Weltfrauentag am 08.03.2021, sondern generell immer stärker wird der Ruf nach mehr Frauen in machtvollen Führungspositionen. Was als Sammelsurium verschiedener Initiativen zur Stärkung der Position von Frauen in Gesellschaft und Beruf begann, ist zu einer kraftvollen Bewegung geworden. Auch die Politik nimmt sich des Themas aktuell wieder an, Stichwort Frauenquote. Dieser Artikel versucht sich an einer ganzheitlicheren Bestandsaufnahme und will verschiedene durchaus polarisierende Teilbereiche und Blickwinkel beleuchten.
Inhaltsübersicht dieses Artikels (Klick zum Ausklappen)
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Woher kommt der Handlungsdruck beim Thema Frauen in Führung?
Natürlich gibt es unterschiedliche Ansätze und Betrachtungsweisen, warum es mehr Frauen in höheren Führungspositionen in Unternehmen braucht. Einige grundlegende Tatsachen sollten dabei jedoch soweit konsensfähig sein, selbst bei Personen, die dem Thema tendenziell kritisch begegnen.
Ungleiche Verteilung von Führungspositionen
Selbst wenn es durchaus positive Beispiele in der Unternehmenswelt von Top-Managerinnen gibt, so werden doch in Summe nur rund ein Fünftel aller Unternehmen weltweit von einer Frau geleitet.
Ein Blick auf die Führungsetagen in deutschen DAX-Konzernen unterbietet diese eh schon vergleichsweise geringe Quote noch deutlich. Denn in den obersten Führungsetagen dieser Konzerne sitzen lediglich 14,6% Frauen. Der ansonsten seit 2013 jährlich leicht gestiegene Anteil ist in 2020 sogar laut statista minimal um 0,1% zurückgegangen. Innerhalb der deutschen Top200-Unternehmen liegt die Quote gar nur bei 11,5%.
Im internationalen Kontext sieht die Situation noch deutlich dramatischer aus. Im AllBrightReport Herbst 2020 liegt Deutschland beim Vergleich der Quote von Unternehmen mit einem Frauenanteil von mindestens 30% im Vorstand abgeschlagen mit 0%. In den USA beispielsweise sind es sogar 47%.
Und wir reden hier noch nicht über eine 50:50 Verteilung, sondern „nur“ um mindestens rund ein Drittel Vorständinnen.
Gender-Pay-Gap: Unterschiede beim Entgelt zwischen Männern und Frauen
Ähnlich negativ ist die Situation der Frauen beim Thema Entgelt. Der sogenannte Gender-Pay-Gap, also der Unterschied zwischen der durchschnittlichen Vergütung männlicher Beschäftigter und der von Arbeitnehmerinnen beträgt nach Aussage des BMFSFJ auch Ende 2020 noch 19%. Bereinigt bei gleicher formaler Qualifikation und ansonsten gleichen Merkmalen beträgt der Unterschied immer noch 6%.
Laut dem aktuellen StepStone Gehaltsreport verdienen Frauen im Laufe ihres Berufslebens in der Regel immer noch rund 150.000 Euro weniger als Männer – bei vergleichbarer Qualifikation und Position.
Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern variiert natürlich je nach Berufsfeld. Während sie in der Pflege aktuell bei vergleichsweise niedrigen 4,2% liegt, sind es in Krankenhäusern 8,3% und im Einzelhandel (Supermärkte) sogar 10,1%. Weitere aktuelle Auswertungen dazu liefert Gehalt.de.
Einfluss traditioneller gesellschaftlicher Rollen von Frauen
Traditionell betrachtet, startete die Frau in der Rolle mit Blick auf Familie und Beruf aus einer historisch eher schwachen Position. Die Herausforderungen und Aufgaben als kinderbetreuende Mutter wurden (und werden leider oft immer noch) deutlich unterschätzt im Vergleich zum „arbeitenden“ Ehemann. Die Entwicklung dieses Rollenbilds hin zu einer moderneren Auffassung sollte eigentlich im Jahre 2021 kein Thema mehr sein.
Allerdings zeigt die aktuelle Corona-Krise, dass Frauen häufig durch die Lockdown-bedingte schwierige Kinderbetreuung ohne Kita, Kindergarten oder Schule, erneut in dieses klassische Rollenbild „gedrängt“ werden. Dies bestätigen auch die Ergebnisse einer Befragung der Bertelsmann Stiftung.
Die schwierige Situation von Frauen als Mütter im Berufsleben
Wer viel auf Social Media unterwegs ist, dem begegnen dort in Profilen immer wieder Hashtags wie #workingdad oder #workingmom.
Während Männer diesen Begriff in ihrer Selbstzuschreibung gerne verwenden, um zu zeigen, dass sie sich neben der Arbeit auch (mal) um die Kinder kümmern, kann „Working Mom“ bereits den Gegenteiligen Effekt auslösen.
Männer, die einen Bezug zum Thema Kind und Familie herstellen, werden meist dafür bewundert. Frauen hingegen, müssen sich oft sogar rechtfertigen, wieso sie denn arbeiten würden, wo sie doch Kinder haben.
Das glauben Sie nicht? Schauen Sie sich mal die „Torten der Wahrheit“-Grafiken von Katja Berlin an, die das sehr gut auf den Punkt bringen. Eine davon finden Sie hier.
Einfluss der Sprache auf die Situation von Frauen
Kommen wir nun zu einem besonders kontroversen Thema: gendergerechte Sprache. Spätestens an dieser Stelle erhitzen sich die Gemüter in den Medien immer wieder. Die Fraueninitiativen und Frauennetzwerke, die das Thema voranbringen, weisen immer wieder darauf hin, dass sich die deutsche Sprache weiterentwickeln muss, wenn die oben genannten Themen eine signifikante Veränderung erfahren sollen. Warum eigentlich genau?
Nun, auch wenn sich Vertreter der Menschen, die einer solchen gendergerechten Sprache gegenüber skeptisch eingestellt sind (ich untertreibe hier mal bewusst), immer behaupten, dass Frauen beim generischen Maskulinum ja stets „mitgemeint“ (was für ein furchtbares Wort!) sind. Die Realität der Sprachwahrnehmung ist eine andere!
Es gibt zahlreiche sehr erkenntnisreiche (Selbst)Tests und Untersuchungen, welche Assoziationen Menschen haben, wenn sie beispielsweise folgende Begriffe hören oder lesen:
Oberarzt
Koryphäe
Top-Manager
Es ehrt sie, sollten sie hier stets in gleichem Maße auch an Frauen gedacht haben. Fakt ist: Die meisten Menschen tun das -geschlechterübergreifend- eben genau nicht!
Und auch wenn Sie es vielleicht schon nicht mehr hören können, nochmals:
Sprache schafft Realität!
Denn die von mir oben gewählten Begriffe sind nicht wirklich Zufall. Sie zeigen sogar sehr gut auf, wie die Sprache in diesem Fall die (traurige) Realität abbildet.
Der Führungsbegriff in Unternehmen ist deutlich männlich besetzt
Alleine was beispielsweise das Thema Top-Manager angeht, so scheint es deutlich zu helfen, einen der folgenden Namen zu tragen: Andreas, Michael, Christian, Thomas, Alexander, Peter, Frank, Martin, Christian oder Dirk. Den diese sind laut Indeed unter den Top10 der männlichen CEO-Namen.
Und das hat nicht nur mit der Praxis von internen Beförderungen zu tun, sondern auch mit dem Thema Recruiting. Studien bestätigen bereits seit Jahrzehnten, dass Menschen gerne mit anderen Menschen zusammenarbeiten, die ihnen ähnlich sind. Der Effekt heißt wissenschaftlich übrigens Similar-to-me-Verzerrung. Zahlreiche Analysen reihen diese Verhaltensweise in eine Vielzahl anderer sogenannter Bias (Vorurteile, oder besser: Schubladendenken) ein, die massiv Einfluss auf das Recruiting hat.
Selbst wenn ebenfalls seit einiger Zeit bewiesen zu sein scheint, dass divers besetzte Teams (bezieht sich nicht nur auf das Geschlecht) in der Regel zu besseren Arbeitsergebnissen führen. Die genannten Effekte stehen dem Durchbruch von echter Diversity deutlich entgegen. Auch wenn der Satz Culture eats diversity for breakfast ebenfalls nicht verabsolutiert werden darf – das Grundproblem beschreibt er jedoch ganz gut.
Wenn Frauen im Recruiting systematisch ausgebremst werden
Neben der noch recht abstrakt anmutenden Aussage dass Sprache Realität schafft, lassen sich wissenschaftliche Erkenntnisse sehr wohl konkretisieren.
Mit Blick auf die Formulierung von Stellenanzeigen beispielsweise ist in Studien, wie beispielsweise von der TU Dresden aufgezeigt worden, dass Frauen durch eine eher maskuline Sprache von einer Bewerbung abgehalten werden. Worte, die auf ein Beziehungsmotiv einzahlen, lösen stärker eine Bewerbungsabsicht aus, als Begriffe rund um das Leistungsmotiv, das Männer stärker anspricht.
Konkret machen zum Beispiel folgende Begriffe laut einer Auswertung der 100 Worte Sprachanalyse GmbH einen entscheidenden Unterschied in Stellenanzeigen oder auf Karrierewebsites:
aneinander, angenehm, ansprechend, anvertrauen, aufmerksamFast ein wenig Schmunzeln erzeugt die Aussage in der Untersuchung der TU Dresden: „Männer fühlen sich dagegen bei allen geforderten Eigenschaften grundsätzlich geeignet und zeigen keine Unterschiede in der Bewerbungsabsicht.“
Wie Geschlechter Eigenschaften als maskulin oder feminin (oder neutral) bewerten
Mit Blick auf eine gezielte Ansprache von Frauen werden aber Begriffe wieKreativität, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und verständnisvoller Umgang mit anderen von beiden Geschlechtern übereinstimmend als eher weiblich eingestuft.
Als maskuline Eigenschaften titulieren die Befragten hingegen die Worteanalytisches Denken, Entscheidungsvermögen, Durchsetzungsvermögen und Verhandlungsgeschick.
Das Thema Wortwahl führt uns auch gleich zum nächsten Punkt: Gender-Sprache.
Gendern, gendergerechte, genderbewusste, gendersensible Sprache
Hilft also nur durchgängiges Gendern der Sprache mit all den Herausforderungen und Stolpersteinen, die Gender_Gap, Doppel:punkt oder Gender*chen mit sich bringen? Herausfordernd wird es dann nämlich erst bei zusätzlichen besitzanzeigenden Fürwörtern (seines/ihres) und ähnlich.
Als pauschale Lösung, oft im Zusammenhang mit dem dritten Geschlecht, wird statt dem ebenfalls per se unzureichenden „m/w/d“ ein sog. Asterisk bevorzugt. Also ein Hinweis in einer Fußnote, dass alle Geschlechter gemeint sind. Wie oben aufgezeigt, ist das aber Augenwischerei, weil diese Fußnoten unser Unterbewusstsein und unsere Assoziationen zur Sprache nicht erreicht.Nochmal: Es wird niemand plötzlich „mitgedacht“, nur weil das gewünscht ist oder darauf hingewiesen wird!Wem das Gendern mit Gap oder Stern den Lesefluss zu sehr stört, aber trotzdem zumindest eine genderbewusste oder gendersensible Sprache verwenden möchte, findet in einem älteren Beitrag von mir Hinweise zu Diversity-gerechten Formulierungen im Personalmarketing und Recruiting.
Ein Hinweis in eigener Sache:
Ich selbst versuche seit einiger Zeit entweder geschlechtsspezifische Formulierungen zu vermeiden, neutral umzuformulieren, Begriffspaare zu verwenden oder abwechselnd beide Bezeichnungen zu nutzen. Sollte es mir nicht immer gut gelungen sein, sehen Sie es mir bitte nach. Auch hier müssen wir aufpassen, nicht über das gewünschte Ziel hinaus zu schießen.
Welchen Einfluss Algorithmen im Sinne der Frauen nehmen können
Zurecht kann nur die Frage aufkommen, welche Chancen für mehr Frauen in Führungspositionen durch den Einsatz von Algorithmen und künstlicher Intelligenz im Recruiting entstehen. Denn die viel gepriesenen digitalen Lösungen werden oft in den Zusammenhang gerückt mit mehr Objektivität und Gerechtigkeit bei der Personalauswahl.
Kurz gesagt: Es ist kompliziert. Denn auch Algorithmen können Frauen (und ebenso andere Gruppen) systematisch diskriminieren. Zwei Artikel-Empfehlungen dazu:
Der eine oder die andere von Ihnen mag jetzt einwenden, dass doch vor allem Frauen selbst einen großen Teil der Verantwortung für ihre eigene Situation tragen. Insbesondere, wenn in einer weiteren Studie herausgefunden wurde, dass sogar das Geschlecht der auf Stellenanzeigen dargestellten Person einen Einfluss auf die Bewerbung von Frauen hat!Blogger-Kollege Henner Knabenreich hat sich erst kürzlich die Mühe gemacht, die wesentlichen Erkenntnisse aus dieser Studie zusammenzustellen. Kurz gesagt: Ist die rekrutierende Person männlich, werden mehr Frauen von einer Bewerbung „abgeschreckt“, als wenn die Kontaktdaten auf eine weibliche Person hindeuten.
Ebenfalls schon seit einiger Zeit bekannt sind Studienergebnisse, wonach Frauen deutlich selbstkritischer in der Wahrnehmung von in Stellenanzeigen angegebenen Wunschprofilen (oftmals die bekannte „eierlegende Wollmilchsau“) sind. Während Männer auch bei nicht ausreichender Qualifikation in allen genannten Punkte eine Bewerbung absenden, schrecken Frauen hier deutlich häufiger zurück.
Frauen und der Begriff der „Macht“
Aber auch begrifflich scheint das Wort Macht in diesem Zusammenhang eher schwierig. Generell ist der Begriff Macht in der deutschen Sprache aufgrund unserer besonderen Historie nicht immer positiv besetzt. Unterschwellig schwingt dabei „Machtergreifung“, „Machthaber“ (ich habe übrigens noch NIE den Begriff „Machthaberin“ irgendwo bewusst gelesen!), „Machtmissbrauch“ oder ähnlich mit. Im Unternehmenskontext kommen dazu Worte wie beispielsweise „Machtspiele“.
Erstaunlicherweise scheinen aber vor allem Frauen mit dem Macht-Begriff eher zu fremdeln. Hierzu habe ich vor einigen Tagen auf der Audio Social Media Plattform Clubhouse eine einschlägige Erfahrung gemacht. In einer Session mit dem Titel „Agilität & Macht – Wie hängt das zusammen?“, die von einer weiblichen Moderatorin angesetzt wurde, haben sich nach und nach acht (!) Männer zu Wort gemeldet und sind zum Diskutieren mit auf die virtuelle Bühne gestiegen. Ein Blick auf das Publikum zeigt aber, dass dort überwiegend Frauen anwesend waren. Aus Datenschutzgründen habe ich auf den Screenshot (links Podium, rechts Zuhörerschaft) weibliche Teilnehmerinnen mit orange gekennzeichnet, männliche mit blau.Dem Begriff „Mansplaining“ zum Trotz hätte ich erwartet, dass gerade bei einer weiblichen Moderatorin der Anteil der Frauen, die etwas zu diesem Thema beitragen können und wollen, deutlich höher ist.
Machtmensch versus Powerfrau
Dabei hilft eigentlich schon ein Blick auf die englische Übersetzung von Macht, um dem Wort den negativen Touch zu nehmen, wenn es um Führung und Leadership geht. Denn dort reden wir von Power und Empowerment. Und Powerfrau ist doch ein wirklich positiv besetzter Begriff.
Woher also kommt diese Selbstbeschränkung der Frauen? Am Wortsinn kann es letztlich ja nur bedingt liegen.
Von Frauennetzwerken und Fraueninitiativen
Um Frauen zu ermutigen und sich gegenseitig zu unterstützen für eine Übernahme von Führungspositionen in Vorständen und Geschäftsleitungen, haben sich eine Vielzahl von Frauennetzwerken sowie Fraueninitiativen gegründet. Teilweise in Organisationen als unternehmensinternes Frauennetzwerk, meist aber übergreifend vernetzt. Denn gerade von diesem sehr bereiten Schulterschluss, oft als „Verschwesterung“ bezeichnet, wollen Frauen besonders profitieren.
Einen kleinen Überblick über große und relevante Frauennetzwerke sowie Branchen- oder regionalen Fraueninitiativen habe ich auf meiner Seite just veröffentlicht.
Diverses Netzwerk statt Frauennetzwerk erfolgreicher?
Doch reine Frauennetzwerke werden durchaus auch kritisch gesehen. Denn gerade mit Blick auf das Thema Diversity, ist eben genau Vielfalt das entscheidende Erfolgskriterium. So stuft es Arbeitspsychologin Simone Kauffeld als einen Fehler ein, wenn Frauen unter sich bleiben. Zudem hat sie laut einem Interview in der ZEIT„(…) nachgewiesen, dass die Anzahl von Frauen in Netzwerken negativ mit dem Karriereerfolg korreliert. Das heißt: Je mehr Frauen in einem Netzwerk sind, umso schlechter ist das eigentlich“.
Auch darf in meinem Beitrag nicht unerwähnt bleiben, dass das Thema Female Leadership medial durchaus ein Quotenbringer ist – gerade wegen seiner polarisierenden Aspekte. Ebenso wie es ein lukratives Geschäftsmodell ist, dem zahlreiche Influencer und Influencerinnen nachgehen. Das meine ich komplett wertneutral. Ich finde es nur gut, diesen Aspekt nicht ganz unerwähnt zu lassen. Denn die inhaltliche Arbeit muss das nicht zwangsweise schmälern. Oftmals ergeben sich gerade erst hierdurch die Möglichkeiten, um „Lobbyarbeit“ für Frauen in großem Umfang zu betreiben.
Was kann und muss also getan werden, um mehr Frauen in Führung zu bekommen?
Auf diese Frage kann es natürlich keine eindeutige beziehungsweise einfache Antwort geben. Allerdings haben sich eine Reihe von Ansätzen etabliert, wie Frauen zu mehr Macht und Einfluss im Unternehmen gelangen können.
Das eigene Mindset zum Thema Frauen in Führung als Ausgangspunkt
Jeder Mensch baut sich seine eigene Realität und wird dabei leider viel zu häufig begrenzt durch seine eigene Vorstellungskraft. Dieses Mindset systematisch zu erweitern ist ein erster wichtiger Schritt zu mehr Geschlechtergerechtigkeit in Gesellschaft und Unternehmen. Denn wenn es gar nicht vorstellbar ist, dass wir ein nahezu ausgewogenes Verhältnis von männlichen und weiblichen Führungskräften in Organisationen erreichen können, beschränken wir uns von Anfang an selbst. Wie auch im Zusammenhang mit agilem Mindset oder digitalem Mindset, beginnt der erste Schritt zum Erfolg bei uns selbst im Kopf.
Weibliche Rolemodels im Unternehmen und darüber hinaus sichtbar machen
Dabei ist es hilfreich, wenn in den Unternehmen sowie in den Medien das positive Bild von #femaleLeadership mittels Rolemodels immer wieder neu aufgeladen wird. Dabei hilft es, auch, wenn beispielsweise tendentiös frauenfeindliche Überschriften vermieden werden. Auch sollte es meiner Meinung nach keine effektheischerischen (!) Meldungen geben, wenn beispielsweise eine Frau in die Geschäftsleitung aufgestiegen ist. Die Sichtbarkeit muss aber trotzdem deutlich hergestellt werden. Und zwar genauso unaufgeregt und natürlich, wie wenn über einen Führungswechsel mit einem neuen Mann an der Spitze berichtet wird.
Denn aus meiner Sicht hilft es der Gesamtbewegung nicht, wenn „Frau in Führung“ als eine Art überraschende Ausnahmesituation oder glückliches Momentum dargestellt wird.
Natürliche Teilhabe an Entscheidungen, Diskussionen und Speakings
In eine ähnliche Richtung geht auch dieser nächste Punkt: Entgegen häufig rein oder überwiegend männlich besetzten Podiumsdiskussionen oder Speaker-Positionen bei Veranstaltungen, müssen Veranstalter zukünftig auf mehr Ausgewogenheit achten. Das geht bei Frauen los, zieht sich dann über das Thema Altersdiversität und endet bei allen anderen Dimensionen von Diversity.Wer glaubt, keine Speakerinnen zu kennen, kann sich bestimmt an die oben genannten Frauennetzwerke wenden und bekommt dann eine Empfehlung. Bei mir würde es zwischenzeitlich zum gleichen Ergebnis führen, wenn ich über meine Social Media Kanäle eine entsprechende Anfrage starten würde. Die Zeit der Ausreden ist also vorbei, meine Herren!
Das diskriminierende Stigma „alte weiße Männer“ vermeiden!
An dieser Stelle möchte ich aber auch noch einmal einen kritischen Einschub machen. Denn zwischenzeitlich hat es sich bei den Fürsprecherinnen, weiblichen Rolemodels und Influencerinnen eingebürgert, den Begriff „alte weiße Männer“ im Sinne eines Art Feindbilds zu verwenden. Die derzeitigen Machtstrukturen (um diesen Begriff von oben noch einmal aufzugreifen), die es zu verändern gilt, werden in dieser Hinsicht bestimmt von „alten weißen Männern“. Was jedoch einmal als neutrale Geschlechtsbezeichnung, eines Alters und einer kulturellen Zugehörigkeit gemeint war, droht zu einer Art Feindbild für diese Art der weiblichen Revolution zu werden.Das halte ich nicht nur für falsch, sondern in gleichem Maße auch für unklug!Nicht nur, weil ich mich in wenigen Jahren vermutlich selbst durch diese Bezeichnung werde angesprochen fühlen müssen. Nein, es geht mir nur um die dahintersteckende Psychologie: Eine Art Feindbild mag einerseits natürlich die Frauenbewegung einen und den Blick auf die Zielsetzung schärfen. Aber genau betrachtet ist das Ziel ja nicht, den umgekehrten Zustand (nämlich 80-90% Frauen) in den Chefetagen deutscher Unternehmen herbeizuführen, sondern ein gleichberechtigtes Miteinander.
Es geht nur miteinander, nicht gegeneinander!
Das funktioniert aber aus meiner Sicht nur, wenn neben aller Konsequenz im Handeln, klaren Forderungen und auch politischer beziehungsweise rechtlicher Unterstützung, keine umgekehrte Diskriminierung erfolgt. Gar nicht mal, um der vermeintlich damit gekränkten Männer willen. Vielmehr, um eine ebenso harte Gegenbewegung eben jener „alter weißer Männer“ zu vermeiden.
Mit einem „Geschlechterkampf“ ist der guten Sache in meinen Augen eher ein Bärendienst erwiesen. Ganz abgesehen davon, dass wir auf der anderen Seite auch eine Bewegung in Richtung Altersdiversität sehen, bei der entgegen dem medial befeuerten „Jugendkult“ dem Alter und Erfahrungswissen generell wieder mehr Wertschätzung entgegenzubringen.
Die Frauenquote und die damit verbundene Empörung
Als eines von zahlreichen Mitteln zur Erzielung eines Zustands von mehr Geschlechtergerechtigkeit in deutschen Führungsetagen, halte ich die Einführung von Frauenquoten als initialen Impuls für durchaus hilfreich. Auch DATEV COO und CHRO Julia Bangerth spricht sich in einem eigenen Artikel zum Weltfrauentag dafür aus.
Die Quote bringt natürlich Risiken mit sich. Aber einer aufgrund einer Quoten-Regelung in eine Top-Führungsposition gebrachten Frau per se zu unterstellen, die habe die Verantwortung nur aufgrund einer Zwangsregelung erhalten, wäre töricht! Auch hier verweise ich gerne auf meine Ausführungen oben, wonach es mit der eigenen Haltung zu Thema anfängt.
Eine Quote für Frauen in den oberen Führungsetagen deutscher Unternehmen ist dabei aber nie eine Lösung für alle Probleme – sie ist aber ein wichtiger Anfang. Denn sie lenkt den Fokus auf ein gesellschaftlich und volkswirtschaftlich relevantes Thema. Darüber hinaus verhilft sie Frauen über eine neue Machtposition in der Organisation selbst Einfluss auszuüben, um die interne Gesamtsituation mittelfristig zu verbessern. Die geplanten Frauenquoten können daher lediglich Türöffner sein, weibliche interne Talent-Pipelines für mehr female Leadership füllen sie nicht.
So wie eine Frauenquote die grundlegenden Probleme weder komplett lösen, noch langfristig erforderlich sein sollte, ist sie trotzdem erst einmal eine (notwendige) Reaktion auf den seit Jahrzehnten ausbleibenden Erfolg einer vermeintlichen Selbststeuerung des Arbeitsmarktes.
Sind unternehmensinterne Programme zur Frauenförderung die Lösung?
In vielen Unternehmen entstehen derzeit interne Frauenförderprogramme. Was auf den ersten Blick sehr positiv klingt, kann aus meiner Sicht sehr schnell zum Bumerang werden.
Häufig ziehen die Kritiker nämlich die „Wenn Ihr Frauen fördert, dann diskriminiert Ihr doch damit gleichzeitig uns Männer“-Karte. Dabei wäre es vermutlich cleverer, statt „Frauenförderung“ zu proklamieren, die Hindernisse, die zu einer systemischen Benachteiligung führen, für Alle aus dem Weg zu räumen. Und damit mehr Chancengleichheit zu schaffen.
So könnten beispielsweise durch die Einrichtung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder sogenannten Eltern-Kind-Räumen im Unternehmen objektiv die Voraussetzungen für Eltern mit Kindern verbessert werden. Vermutlich würden trotzdem Frauen überdurchschnittlich davon profitieren.
Mein Fazit zum Thema „Mehr Frauen in Führungspositionen“
Dieser Beitrag zum internationalen Frauentag 2021 ist ein wenig umfangreicher geworden. Und trotzdem sind bestimmt viele relevante Themen entweder gar nicht angesprochen worden oder zu kurz gekommen. Wie bei jedem Artikel gilt es eine Balance zwischen Lesbarkeit und Vollständigkeit zu erzielen. Auch bin ich mir der Subjektivität meiner Aussagen bewusst. Das macht aber nichts, da ich als Autor dieses Recht zur Äußerung meiner persönlichen Meinung natürlich in Anspruch nehme.
Mein abschließendes Statement auf den Punkt gebracht: Ich trete gerne ein für mehr Geschlechtergerechtigkeit auf deutschen Führungsetagen und möchte mit meinem HR-Portal eine Plattform bieten für die Sichtbarkeit weiblicher Rolemodels (nicht nur, aber eben auch). Dies war einer der Gründe, warum ich mich für eine Medienpartnerschaft mit der Karrieremesse und Frauen-Community herCAREER entschieden habe.Denn gemeinsam (Frau und Mann) bringen wir deutlich mehr voran!
Mein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!
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Stefan Scheller2. Dezember 2024
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