Cultural fit eats Diversity for breakfast

Cultural fit eats Diversity for breakfast

In Anlehnung an den bekannten Spruch „Culture eats strategy for breakfast“ zugegebenermaßen ein provokativer Titel von mir. Allerdings ist es mir auch sehr ernst. Im Beitrag stelle ich dar, warum die aktuelle Diskussion um den Cultural Fit nicht nur knapp, sondern in großen Teilen völlig am Ziel vorbeigeht.

Wenn man für die aktuell noch laufende HR-Messe Zukunft Personal nach einem der Hauptthemenfelder im Bereich Recruiting sucht, dann ist das wohl der sogenannte Cultural fit. In Deutsch klingt es übrigens etwas weniger fancy: die kulturelle Passung.

Auf der Suche nach dem Perfect Match

Unternehmen sind auf der Suche nach dem Perfect Match. Der ultimativen Passung. Zum Beispiel über Mitarbeiterempfehlungsprogramme, bei denen angeblich sogar per Definition besonders gut zur Unternehmenskultur passende Kandidaten geworben werden können. Oder mittels digitaler Tools, die im Rahmen des Recruitingprozesses bei der Auswahl passender Kandidaten mit Entscheidungsvorschlägen unterstützen. Immer geht es um ein Matching. Um den Vergleich von Werten, Haltung und anderen weichen Faktoren.

Kann ich den cultural fit überhaupt messen?

Klar, es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Produkten auf dem Markt, die sich genau in dieser Nische platziert haben. Aber vorab muss doch die Frage geklärt werden, ob es den cultural fit überhaupt gibt? Und da habe ich schon in einigen Beiträgen meinen Zweifel geäußert, zuletzt im Blog „Warum klassisches Employer Branding ausgedient hat“. Denn die unterschiedlichen Kulturen in verschiedenen Unternehmensbereichen machen es auch meiner Sicht nur sehr schwer, ein ganzheitliches Bild für das gesamte Unternehmen zu erstellen. Und je größer das Unternehmen ist, umso schwieriger wird es.

Je größer das Unternehmen, desto schwieriger die Bestimmung der #Unternehmenskultur. #culturalfit? Klick um zu Tweeten

Unternehmenskultur bei Startups und Konzernen

Bei Startups gestaltet es sich noch relativ einfach, eine einheitliche Unternehmenskultur zu bestimmen. Dort sitzen alle Mitarbeiter meist in einem Büro oder zumindest einem Gebäude zusammen. Es gibt Traditionen wie Teamfrühstücks und vieles mehr. Hier kann relativ schnell ein digitales Abbild der Unternehmenskultur geschaffen werden.

Schaut man auf große Konzerne, so wird es komplexer. Selbst wenn rechtlich eigenständige Tochterfirmen außer Acht gelassen werden, ist es eine große Herausforderung mehr als 10.000 Mitarbeiter unter eine Unternehmenskultur zu deklinieren.

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Cultural fit nur ein weichgespülter Kompromiss?

Eine Kultur setzt sich immer zusammen aus den Werthaltungen, Arbeits- und Verhaltensweisen der einzelnen Mitarbeiter. Es geht folglich um die Summenbildung und das Erstellen eines rechnerischen Endergebnisses, das irgendwo zwischen Mittelwert oder einem irgendwie pauschalierten Wert liegen wird. Der im Unternehmen vorhandenen Bandbreite an Einzelwerten wird diese pauschale Darstellung nicht immer gerecht, wenngleich statistische Betrachtungen zumindest Näherungswerte liefern können. Aber haben Sie damit wirklich die Unternehmenskultur gefunden und definiert?

Und selbst wenn das Ihnen angepriesene Tool diese Problem einigermaßen gut lösen kann, stehen Sie bereits vor der nächsten Herausforderung.

Cultural Fit zementiert die bestehende Unternehmenskultur

Wenn man viel auf HR-Veranstaltungen unterwegs ist, hat man den Eindruck, dass der Wunsch nach Veränderungen in den Unternehmen extrem hoch ist. Überall werden Projekte ins Leben gerufen, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen oder um schneller, agiler und innovativer zu werden. Der Führungsstil soll sich verändern und überhaupt brauche man eine New Work.

Und trotzdem werden neue Kolleginnen und Kollegen gesucht, die zur aktuellen Kultur passen. Denn hierauf matchen Sie Bewerber. Sie stellen die Frage „Passt die einzustellende Person zu uns?“. Die Frage lautet jedoch eher: Passen auch die aktuellen Mitarbeiter alle zur gewünschten Kultur?

Je stärker der Grad der gewünschten Veränderung hin zu einer neuen Unternehmenskultur ist, umso mehr Hindernisse legen sich Unternehmen selbst in den Weg, wenn sie mit dem Cultural Fit arbeiten. Das liegt darin begründet, dass sie ihre Energien oft zu sehr auf den Ist-Zustand legen. Besser wäre ein Fokus auf den Soll-Zustand. Denn die zur neuen Kultur passenden Mitarbeiter wollen Sie doch einstellen, nicht solche, die die bestehende Unternehmenskultur weiter zementieren, oder?

Das Authentizitätsdilemma im Employer Branding

Es läuft auf das klassische Authentizitätsdilemma im Employer Branding heraus. Die gewünschte Kultur, die in Imagekampagnen beworben wird, gerät häufig in die interne Kritik bei Mitarbeitern, die sich damit nicht identifizieren können. Der Vorwurf lautet: „In Euren Personalerfilmchen stellt Ihr die Welt aber extrem beschönigt dar. In Wirklichkeit sind wir kulturell doch gar nicht so weit.“. Ebenfalls müssen Sie stark aufpassen, keine Erwartungshaltung beim Bewerber zu erzeugen, die sie hinterher enttäuschen. Sonst springt Ihnen der Bewerber am Ende in der Probezeit wieder ab und die Recruiter müssen erneut ran.

Authentizität im Spannungsfeld zwischen Ist- und Wunschkultur

Doch selbst im eben genannten Authentizitätsdilemma gibt es einen Ausweg: Einerseits sollten Sie die gewünschte Zielkultur in Ihren Imagemaßnahmen in Richtung der gewünschten Zielgruppen aktiv vermarkten. Wichtig dabei: Den Soll-Zustand kommunizieren. Oder zumindest, dass Sie sich auf dem Weg dorthin befinden. Spätestens sobald Sie mit konkreten Kandidaten über einen Einstieg zu reden, bekennen Sie jedoch zu 100% Farbe. Sie erläutern wie weit Sie bereits gekommen sind und warum Kandidaten mit dem passenden Matching auf die Wunschkultur für diesen Weg benötigt werden.

Veränderung der Unternehmenskultur

Ich vergleiche die Veränderung der Unternehmenskultur gerne mit einer Wippe. Die Unternehmenskultur soll dabei vom Ist- auf den Wunschzustand kippen. Je mehr Gewicht Sie auf den Soll-Zustand legen, umso mehr kommt die Wippe in Bewegung und die Gewichte auf der Ist-Seite ins Rutschen.

Wippe der Unternehmenskultur - cultural fit eats diversity for breakfast

Füttern Sie die bestehende Kultur hingegen weiterhin mit Ressourcen, wird es immer schwieriger die Wippe zum kippen zu bringen!

Wem die Wippe zu viel schwarzweiß-Denken ist und die Metapher „Kippen der Unternehmenskultur“ zu brutal klingt, der formuliert es eben als „Dehnen des Kulturbands“. Auch schön. Hauptsache Sie verstehen was ich meine.

Je besser die Passung, desto besser das Recruitingergebnis?

Antworten Sie nicht vorschnell mit „ja“. Denn das wäre die jetzt erwartbare Antwort. Immerhin werden Matching-Tools genau zu diesem Zweck entwickelt und auf den Markt gebracht. Doch bedeutet Matching mit der Unternehmenskultur immer auch Konformität. Unternehmen wollen den genau passenden Kandidaten, das genau passende Puzzlestück. Wo bleiben da die Querdenker, die Unangepassten?

Auf der Suche nach dem Best Match besteht die Gefahr, dass der Diversity-Gedanke mit Füßen getreten wird. Einerseits wollen wir Passung, gleichzeitig aber auch Vielfalt. Wie lässt sich dieses Thema nun wieder lösen?

Professionelles Recruiting als Lösung

Die Recruiter sind und bleiben der wichtigste Stellhebel. Den Cultural fit zu erheben und zu messen kann sinnvoll sein. Am besten evaluieren sie den Cultural fit zweimal (im Ist- und im Soll-Zustand). Allerdings sollten Recruiter nicht blind auf die Vorschläge eines digitalen Tools vertrauen, sondern ganzheitlich denken. Ein paar wesentliche Themen in diesem Zusammenhang habe ich eben ausgeführt.

Über Unternehmenskultur und Cultural Fit zu reden ist folglich sehr gut. Daran zu arbeiten auch. Personalverantwortliche sollten sich jedoch der möglichen Implikationen bewusst sein. Auch darüber, welche Auswirkungen rein schematisches Vorgehen auf die Diversity haben kann. Professionell ausgebildete und in diesem Sinne mitdenkenden Recruiter werden immer wichtiger. Es lohnt sich jede Investition in deren Ausbildung.

 

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Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer (Personalmagazin 05/22) betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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