Google for Jobs hatte vor einigen Tagen Geburtstag. Gefeiert wurde das nirgendwo. Warum auch? Um den mit großem Tamtam im Mai 2019 in Deutschland gestarteten Service ist es still geworden. Es stellt sich die ernstgemeinte Frage, ob Google for Jobs bereits stramm dem Ende seines Produktlebenszyklus entgegengeht. Eine aktuelle Bestandsaufnahme.
Markteinführung begleitet von medialem Jubel
Wir erinnern uns: Am 22.05.2019 veröffentlichte ich den ersten Google for Jobs Praxistest. Mein Urteil war von Anfang an durchzogen von Zweifel, ob der Service tatsächlich die hohen Erwartungen der HR-Welt erfüllen könne. Denn die HR-Medien hatten sich bereits im Vorfeld gegenseitig mit Vorschuss-Lorbeeren überboten und gar eine Art Countdown zum Thema Markteinführung Google for Jobs eingeleitet.
Klar war: Googles Jobsuche würde erst einmal ein hoch relevantes Thema sein, dessen SEO-Strahlkraft zwangsläufig ebenfalls bedeutend sein würde. Aber wie so oft: Wenn alle sich derart einig sind, macht es Sinn besonders kritisch zu hinterfragen!
Sind sich alle bei einer Sache einig, gilt es besonders kritisch zu hinterfragen, ob wirklich alles so passt. Share on XSchon frühzeitig Zweifel am Erfolg von Google for Jobs
Auch wenn ich bereits im Juli 2018 provokativ titelte „Warum sich durch Google for Jobs für Recruiter nichts ändern wird“, so war jener Beitrag eher darauf ausgelegt, ein wenig Abwechslung in die recht eintönigen Lobeshymnen der HR-Medienwelt zu bringen. Mein Fazit damals: Google for Jobs verstärkt lediglich bereits vorhandene Trends. Recruiter sollten veraltete Stellenanzeigen meiden, möglichst strukturierte Daten verwenden, Ausschreibungen inhaltlich optimieren und natürlich im Rahmen des Employer Brandings auf die Arbeitgeberbewertungen auf kununu und glassdoor achten.
Mein Artikel knapp eine Woche nach der Einführung und meinem ersten Praxistest wurde dann qualitativ noch gehaltvoller. Der Titel: „Acht Gründe, warum Google for Jobs gnadenlos überschätzt wird“. Um die vielen Stammleser meiner Beiträge nicht zu langweilen, sollten Sie sich meine Argumentation im eben genannten Beitrag vielleicht noch einmal vorab in Erinnerung rufen. Ansonsten lesen Sie gerne direkt weiter.
Von Anfangserfolgen und einer Flatline
In den ersten Wochen nach der Einführung von Google for Jobs in Deutschland wurden zahlreiche Auswertungen vorgenommen. Überall wurde der Traffic gemessen. Wer hatte gewonnen und wer verloren. Und wenn ja, vor allem, wie viel Traffic.
So sah es zum Zeitpunkt dieser Auswertung von SISTRIX zu Google for Jobs noch sehr gut aus:
Google for Jobs hatte erwartungsgemäß sehr schnell seine Sichtbarkeit maximiert. Kein Wunder, wo es seinen blau markierten Linktipp-Container so prominent in die Suchergebnisse der eigenen Seite eingebunden hatte.
Stellenbörsen und Jobsuchmaschinen büßten relevanten Traffic ein
Weitere Auswertungen ergaben, dass Stellenbörsen wie StepStone oder auch Jobsuchmaschinen wie Indeed Traffic abgeben mussten. Und das obwohl sie die organischen Suchergebnisse bei Google eigentlich dominieren.
Als (kurzfristige) Gewinner schienen XING und LinkedIn sowie Stellenanzeigen.de vom Platz zu gehen.
Die Suchmaschinen schlugen zurück
Getreu dem Motto „Empire strikes back“, legte schon bald eine Allianz von 23 Stellenbörsen eine Beschwerde bei der EU-Kommission ein. Der Vorwurf: Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung zulasten der anderen Marktteilnehmer. Sie kennen das ja bereits zur Genüge: Google, Apple, Facebook und Co stehen vermehrt im Kreuzfeuer der EU. Und natürlich der Datenschutzbehörden.
Wobei man sich bei meinem Star Wars Vergleich oben natürlich fragen muss, ob er so passt. Denn wer sind bei diesem Thema eigentlich „die Guten“ und wer „die Bösen“? Was wie eine sehr schräge Frage klingen mag, hat einen durchaus tiefgründigen Kern.
Denn immer dann, wenn etwas Außergewöhnliches passiert, hilft eine kleine unscheinbare Frage: Wer profitiert? OK, zugegeben, in Zeiten der Corona-Krise wird gerade viel Schindluder mit der vermeintlichen Antwort auf diese Frage getrieben. Auch werden Kausalitäten unterstellt, wo es allenfalls Korrelationen gibt. – Und trotzdem hilft es, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, wer von Google for Jobs profitieren soll. Also von der Konzeption her gedacht. Was sagt also die Bestandsaufnahme?
Google wollte den Jobsuchenden in den Mittelpunkt stellen
Sicher werden Sie jetzt denken, dass der Ansatz von Google for Jobs letztlich den Jobsuchenden entgegenkommen sollte. Ich formuliere bewusst so: Sollte. Denn hat das tatsächlich funktioniert? Dazu gleich mehr.
Aber auch die Arbeitgeber sollten von Google for Jobs profitieren. Immerhin bietet der Service eine kostenfreie Sichtbarkeit der eigenen Stellenanzeigen innerhalb der Suchmaschine.
Soweit die Theorie.
Textwüsten und User Experience des Grauens
Vermutlich wird man mir unterstellen, dass ich als überzeugter Apple-User eine gute User Experience bei der Jobsuche doch gar nicht objektiv einschätzen könne. Stimmt. Objektiv kann ich das nicht. Aber seien wir ehrlich. Wenn es Google – und wir reden hier von einem der mächtigsten und innovativsten sowie User-zentriertesten Unternehmen aller Zeiten und nicht von einem HR-Startup – nach einem Jahr noch nicht geschafft hat, den seinerzeit bereits als „Datenmüll“ bezeichneten, nun ja „Datenmüll“ (mir fällt kein anderes Wort dafür ein) aufzuräumen und Nutzern ein einigermaßen gutes Gefühl bei der Jobsuche zu geben…
Duplicate Content, also doppelte Inhalte zu erkennen, kann Google eigentlich in Perfektion. Jeden Tag werden viele Tausend Webseiten deswegen abgestraft, weil sie Inhalte präsentieren, die es in gleicher Form bereits an anderer Stelle im Worldwideweb gibt. Aber im eigenen Service Google for Jobs gelingt das nicht? Textwüsten und doppelte Inhalte innerhalb einer Stellenanzeigen sind weiterhin keine Seltenheit. Ich bitte Sie!
Shit in – shit out als Ergebnis der Bestandsaufnahme
Ein uraltes Softwareentwickler Sprichwort trifft es ganz gut. Wenn ich schlechtes Datenmaterial in ein System als Grundlage für Berechnungen einkippe, dann wird das Rechenergebnis in den seltensten Fällen veredeltes Datenmaterial sein. So auch bei Google for Jobs. Wenn also, eben noch als Gewinner der Einführung von Google for Jobs bezeichnetes XING, schlecht gecrawlte Stellenanzeigen aus seiner eigenen Stellenbörse in die Linktipp-Container des Suchmaschinengiganten einkippt, kann für den Nutzer am Ende nicht unbedingt ein Mehrwert rauskommen.
Jetzt werden Sie als erfahrener Google for Jobs Kenner natürlich sagen, dass es ja am Unternehmen selbst liege, wenn die eigenen Stellenanzeigen nicht korrekt angezeigt würden. Immerhin liefert Google ja eine Vielzahl von Informationen über die notwendige Aufbereitung der Daten für Google for Jobs. Einerseits stimmt das. Andererseits treffen Sie damit genau des Pudels Kern:
Denn wenn Google wirklich, also wirklich wirklich (klingt ein wenig wie bei der Definition von New Work) den Jobsuchenden in den Mittelpunkt stellen würde, dann sollte die Unterstützung doch ein wenig größer ausfallen.
Agenturen verdienen am Google for Jobs Hype
Besonders spannend finde ich in diesem Zusammenhang, dass Google for Jobs angetreten war, um auch die Unternehmen zu unterstützen, damit deren Stellenanzeigen abseits von teuren Stellenbörsen direkt Sichtbarkeit bei Jobsuchenden erhalten. Allerdings sind nach aktuellen Erhebungen der Universität Paderborn sowie des HR-Dienstleisters Persomatch selbst viele großen Konzerne im Dax kläglich an der Aufbereitung ihrer Jobangebote für Google for Jobs gescheitert. Wenn sie es denn tatsächlich versucht haben.
Aktuell finden sich im Zusammenhang mit Google for Jobs im Internet vor allem eine Vielzahl an Agenturen, die bei der Aufbereitung der Stellen als strukturierte Daten nach schema.org ihre Dienste anbieten. Es ist also ein Markt entstanden. Allerdings profitiert Google als Unternehmen davon nicht selbst, hat also vermutlich nur nachrangig Interesse daran.
Google erscheint maximal uninspiriert was das Produkt Google for Jobs angeht
Überhaupt scheint Google seinen Jobsuch-Service wenig ambitioniert und inspiriert zu verfolgen. Große Anpassungen an der Weboberfläche sind mir bei meinem aktuellen Nutzungstest nicht aufgefallen. Allenfalls, dass sich die seitenfüllende Google for Jobs Umgebung erst nach zwei Klicks öffnet und Nutzer damit länger in der generischen Suche hält. Was ebenfalls ungewöhnlich ist. Denn eigentlich sollte es doch im Interesse von Google sein, Nutzer gleich in die Google for Jobs Welt mitzunehmen. Um nicht zu sagen „zu entführen“.
Fehlendes Geschäftsmodell zu Google for Jobs
Vermutlich ist es aber lukrativer, wenn Nutzer nach dem kurzen Ausflug in die Jobwelt dann doch über Google for Jobs hinweg scrollen und weitere Anzeigen wahrnehmen. Womit ich zu einer weiteren Vermutung komme. Solange es kein monetarisierbares Geschäftsmodell für Google for Jobs gibt, stellt sich die Frage, warum Google den Aufwand zur Weiterentwicklung seines Services betreiben sollte? Nur um am Ende den Traffic dann doch wieder über den „Bewerben über XING“-Button oder ähnlich an einen Drittanbieter weiterzugeben? Eher nicht.
Für ähnliche Fragezeichen hat auch die für dieses Jahr im September angekündigte endgültige Einstellung des Service Google Hire gesorgt. Im Zusammenspiel aus Joblisting und Bewerbermanagementsystem (ATS) aus einer Hand, hätte viel Kraft liegen können. Die „schwere Entscheidung, den Fokus auf andere Produkte zu legen“ (Zitat Google) heizt nunmehr natürlich die Spekulationen auch um ein anstehendes Ende von Google for Jobs weiter an.
Stellenbörsen in Deutschland nach wie vor erfolgreich
Das für Deutschland angekündigte große Sterben von Stellenbörsen wegen Google for Jobs ist nicht nur ausgeblieben. Es starten sogar immer wieder neue Startups genau in diesem Bereich. Auch StepStone hat jüngst den Anbieter für Videorecruiting Cammio gekauft und damit sein Portfolio komplettiert. Und Indeed feiert seinen Erfolg ebenfalls weiter.
Sind also die konzertierten Aktionen der Marktbegleiter rund um die EU-Beschwerde so schwerwiegend, dass Google von seinen Ambitionen via Google for Jobs ablässt? Oder genügt dem Konzern bereits das Erreichte? Wobei mir aus wirtschaftlichen Gründen nicht ganz klar wäre, was dieses „Erreichte“ genau sein sollte.
Fazit meiner Bestandsaufnahme Google for Jobs nach 12 Monaten
Es hat sich im ersten Jahr in Deutschland für Google for Jobs recht wenig getan. Weder sind die Stellenanzeigen im Linktipp-Container in der Vielzahl hochwertiger oder nutzbringender geworden. Noch wurde es den Unternehmen von Seiten Google einfacher gemacht, an Google for Jobs teilzunehmen. Zu argumentieren, die Unternehmen müssten sich doch einfach an Googles Vorgaben halten, überzeugt mich nicht. Im Gegenteil: Überall im Markt gilt das Motto „Was nicht taugt, wird nicht gekauft, weil es nicht erstrebenswert ist“.
Zwar würde ich trotzdem nicht zum Fazit kommen, dass es sich nicht lohnt, daran zu arbeiten, damit Ihre Stellenanzeigen unmittelbar von der eigenen Karriereseite über die API zu Google for Jobs gelangen. Aber ich würde Ihnen gerne die Euphorie nehmen, die vielfach in übertriebener Weise mit dem Google-Service reflexartig verknüpft wurde. Google for Jobs wird Sie als Arbeitgeber übrigens auch in keiner Weise aus der Corona-Krise retten.
Ob Sie am Ende nicht doch auf ein (fast) totes Pferd steigen, steht noch nicht fest. Zumindest hat auch Google seit langer Zeit keine Blog-Beiträge mehr zum Thema Google for Jobs veröffentlicht…