Es sind bereits über drei Jahre vergangen nach dem ersten vernichtenden Praxistest der Arbeitgeberbewertungsplattform Glassdoor. Wie gut ist das Portal zwischenzeitlich geworden? Um es vorweg zu nehmen: Aus Employer Branding Sicht ist Glassdoor noch immer eine Katastrophe. Warum, das lesen Sie im aktuellen Beitrag.
kununus amerikanisches Pendant Glassdoor
Glassdoor ist im Januar 2015 angetreten, um dem DACH-Platzhirsch der Arbeitgeberbewertungsportale kununu die Stirn zu bieten. Entgegen der Erwartungen aus der HR-Szene wurde jedoch der Markt nicht inspiriert. Vielmehr entwickelte sich der Markteintritt der Amerikaner bereits am ersten Tag zum Fiasko. Auslöser damals war auch mein vernichtender Beitrag.
Dieser hatte am Tag der Veröffentlichung zu großer Aufregung auch bei mir geführt. Denn nach wenigen Stunden schlug nicht nur die Countrymanagerin mit Sitz in Großbritannien bei mir auf – es gab zusätzlich am Nachmittag eine Telefonkonferenz zusammen mit der Zentrale von Glassdoor in den USA. Der Anbieter zeigte sich dabei überrascht von der Unterschiedlichkeit des deutschen vom US-Markt und wollte nach eigener Aussage im Call Lernen.
Aktueller Praxistest Glassdoor
Schauen wir also mal, wie sich Glassdoor in meinem neuerlichen Praxistest schlägt. Insbesondere interessiert mich natürlich, wie es um die Candidate Experience sowie die Brand Safetyness im Employer Branding bestellt ist.
Zum Testen nutze ich wieder das Profil meines Arbeitgebers, der DATEV eG, da ich hierzu ein breites Hintergrundwissen besitze und es mich natürlich auch persönlich am meisten interessiert.
Viele Jobs aber wenig Realität
Bei Aufruf des DATEV-Profils auf Glassdoor überrascht mich die Plattform gleich mit einer hohen Anzahl an verfügbaren Jobs, nämlich 101.
Dass hier etwas nicht stimmig ist, zeigt sich schon daran, dass die Anzahl der verfügbaren Jobs bei DATEV in der Ansicht des Unternehmensprofils mit nur 81 angegeben wird.
Tatsächlich ist beides falsch, wie ein Blick auf unsere Karriereseite schnell zeigt.
Auch die Anzeige auf der Glassdoor-Seite unten, die von 77 DATEV Jobs spricht (WTF!) ist … ach, lassen wir das.
Aktualität höchst fragwürdig
Angeblich zeigt mir Glassdoor die aktuellen Jobs der letzten sieben Tage.
Tatsächlich angezeigt werden aber Jobs mit der Kennzeichnung „vor 30+ Tagen“. Und der erneute Blick auf die Realität zeigt, dass es jede Menge aktuell veröffentlichter Jobs gäbe, die angezeigt werden könnten. Was die Nutzer wohl von dieser Schlampigkeit halten?
Ich kann zumindest sagen, dass ich als Markenverantwortlicher wenig angetan davon bin! Vor allem wenn ich dann beim Klick auf den Bewerben-Button einer Anzeige und Weiterleitung auf einen Fehler laufe: Anzeige bei StepStone bereits abgelaufen.
Das ist vor allem deswegen ärgerlich, weil es nicht auszuschließen ist, dass diese Meldung nicht Glassdoor als Plattform, sondern uns als Arbeitgeber angelastet wird. Mein Ärger wächst. Mal wieder.
Verstümmelte Stellenanzeigen auf Glassdoor
Dass wir uns an wildes Crawlen von Stellenanzeigen über alle frei verfügbaren Kanäle im Internet hinweg gewöhnen müssen, hatte ich bereits mehrfach erwähnt. Trotzdem fällt es mir jedes Mal aufs Neue schwer. Vor allem wenn Crawlen dazu führt, dass Texte wild aus allen möglichen Absätzen der Stellenanzeigen oder sonstiger Texte zusammengewürfelt werden.
Und dieser kurze Text soll eine DATEV-Anzeige sein?! Ist sie nicht. Das ist Müll! Und dieser Müll wird potenziellen Interessenten vorgesetzt. Was für ein schreckliches Employer Branding-Erlebnis!
Falsche Angaben wohin man blickt
Noch schlimmer finde ich jedoch komplett falsche Behauptungen. Seien es angeblich verfügbare Stellen von DATEV in Altdorf, Feucht oder Hersbruck. Alles kompletter Blödsinn!
An der Grenze der Legalität bewegen sich aber aus meiner Sicht Aussagen wie in folgendem Screenshot dokumentiert.
Jobs bei DATEV in den USA? Bei fremden Unternehmen? Das hat schon was von Verbrauchertäuschung.
Nachdem es derart auffällig falsch ist, mag es die Nutzer von Glassdoor erstmal nicht weiter stören. Was aber, wenn die fehlerhaften (?!) Einblendungen bei anderen Unternehmen weniger augenscheinlich sind und tatsächlich falsche Erwartungen wecken?
Nicht-relevante Jobvorschläge
Glassdoor-Nutzer auf Jobsuche erwarten, dass ihnen die Seite relevante Job-Vorschläge unterbreitet. Das was Glassdoor jedoch anbietet ist …
Weder hat ein Jobsuchender, der sich für ein Unternehmen aus dem mittelfränkischen Nürnberg interessiert, in gleichem Maße Interesse an einem Job in den USA. Auch finde ich es extrem fragwürdig, als Alternative zu einem Produktmanager-Job einen Job als Personal Trainer anzubieten. Aber gut, vielleicht bin ich zu anspruchsvoll.
Aktuelle Unternehmensnews – oder auch nicht
Ebenfalls über Crawling scheint sich Glassdoor ab und zu News aus Unternehmens- oder Karriereblogs zu schnappen. So geschehen vor unglaublichen 128 Tagen. Da waren die Algorithmen (oder waren es gar menschliche Mitarbeiter?) wohl auf Sammeltour und haben alles kopiert, was sie kriegen konnten. Jetzt verkauft Glassdoor das als „Aktuelles aus dem Unternehmen“.
Und der Nutzer denkt: „Die haben ihren Unternehmens-Account aber nicht gut gepflegt!“. Fakt ist: DATEV pflegt den von Glassdoor generierten (jetzt hätte ich fast „Müllhaufen“ gesagt) überhaupt nicht, sondern beobachtet nur.
Wahrscheinlich ist das genau der vertriebliche Ansatz von Glassdoor, um Unternehmen dazu zu bringen, ihr Unternehmensprofil zu übernehmen. So heißt es unter dem Menüpunkt für Arbeitgeber „Übernehmen Sie die Kontrolle darüber, wie Kandidaten schon vor einer Bewerbung Ihr Unternehmen wahrnehmen.“. Mit den neuerlichen Testergebnissen im Hinterkopf klingt es wie eine sehr böse Provokation.
Immerhin ließe sich mit einem Klick erkennen, dass es sich nicht um ein offiziell gepflegtes Profil handelt. Aber wer bitteschön macht das?
Die Arbeitgeberbewertungen auf Glassdoor
Werfen wir mal einen näheren Blick auf die Kernleistungen von Glassdoor: die Arbeitgeberbewertungen. Die Plattform fordert Nutzer aktiv dazu auf, Bewertungen abzugeben. Daher klicke ich mal auf „Zusatzl. posten“, weil mir das erstmal nichts sagt.
Ich lande auf einer Eingabe-Maske für Zusatzleistungen. Ah, jetzt verstehe ich die Abkürzung. Dann bewerte ich eben mal. Allerdings ist der Hinweis von Glassdoor mit dem Minimum von 20 Wörtern wohl nur schmückendes Beiwerk. Geht nämlich auch mit vier Wörtern. Das nur nebenbei.
Eine unglaublich lange Liste mit auswählbaren Benefits tut sich auf, durch die ich mich einzeln durchkämpfe. Direkt nach dem Absenden erhalte ich den Hinweis, dass meine Eingaben in Prüfung sind. Es baut sich eine Folgeseite auf mit weiteren Eingabemasken. Diese fordern mich auf, alle Benefits nochmal einzeln der Reihe nach mit Sternen und weiteren Worten zu würdigen. Ich breche ab, weil mir das zu lange dauert und ich einen E-Mail-Eingang von Glassdoor verzeichne.
Der E-Mail-Wahnsinn beginnt wieder
Zwischenzeitlich sind sogar schon zwei E-Mails von Glassdoor in meinem Mail-Eingang gelandet. In einer werde ich aufgefordert, mich doch auf die von mir eben angesehenen Stellen zu bewerben. Das Seltsame daran: Ich hatte bereits bei den besuchten Jobs auf den Glassdoor „Bewerben“-Button geklickt, weil ich ja sehen wollte, wohin der Link geht und ob die Stelle noch aktuell und verfügbar ist. Woher will Glassdoor wissen, dass ich mich noch nicht wirklich über StepStone (dorthin führte die Weiterleitung) beworben habe?
Zum zweiten kam eine Info via E-Mail, dass meine Bewertung akzeptiert wurde. Immerhin ging das sehr schnell am Feiertag.
Das klingt gut. Der Einladung, ich könne mir die Vorschau meiner Bewertung ansehen, folge ich und klicke auf den großen Button „Vorschau Bewertung“. Auf der Zielseite suche ich meine Bewertung allerdings vergeblich.
Um ehrlich zu sein: Ich bin überhaupt nicht überrascht.
An dieser Stelle breche ich meinen neuerlichen Praxistest der Glassdoor-Arbeitgeberbewertungsplattform dann ab. Vorher deaktiviere ich zahlreiche Benachrichtigungs-Optionen, um mein Postfach vor den ansonsten vermutlich wieder täglich mehrfach eintrudelnden E-Mails von Glassdoor zu schützen.
Fazit zum neuen Glassdoor Praxistest
Es hat sich gefühlt wenig Positives getan in den letzten drei Jahren. Noch immer sind Stellenanzeigen (darf man das überhaupt so nennen?) wild zusammengewürfelt, verstümmelt und nicht aktuell gehalten. Dazu werden irrelevante Jobvorschläge unterbreitet, falsche Behauptungen aufgestellt über Jobs in werweißwo, die angeblich bei DATEV sein sollen und Nutzer damit in die Irre geführt.
Aus Markengesichtspunkten überlege ich wieder einmal, ob DATEV den unfreiwilligen Auftritt dort nicht komplett dichtmachen sollte. Auch rechtlich stellt sich mir die Frage, ob man einfach ein Unternehmenslogo kopieren und mit Inhalten aus dem Netz nach Gutdünken anreichern darf?
Liebe Glassdoor-Produktmanager, macht bitte Eure Hausaufgaben für den deutschen Markt. Meine Artikel geben Anhaltspunkte genug. Dann ist den Unternehmen und Euren Nutzern bereits deutlich geholfen. Vielleicht ist der neue Eigentümer von Glassdoor, das japanische HR-Unternehmen Recruit Holdings, das immerhin 1,2 Mrd. Dollar für die Plattform ausgegeben hat, stärker am deutschen Markterfolg interessiert als das bisher der Fall war.
So oder so sollten Sie als Personaler den Auftritt Ihres Unternehmens auf Glassdoor.com unbedingt im Auge behalten!