Stellenanzeigen nehmen noch immer einen großen Anteil im Recruiting-Mix ein. Dabei ist die inhaltliche Qualität und Aufbereitung häufig ein deutlicher Kritikpunkt bei Befragungen von Bewerbern. Die HR-Digital Studie 2019 kommt hierbei zu erstaunlich hilfreichen Erkenntnissen. Einige davon möchte ich Ihnen vorstellen.
Stellenanzeigen erreichen nur einen kleinen Teil des Kandidatenmarkts
Stellenanzeigen auf Jobbörsen erreichen nur einen immer kleiner werdenden Teil des Kandidatenmarkts: die sogenannten aktiv Suchenden. In Zeiten von Vollbeschäftigung einerseits und dem Proklamieren eines Fachkräftemangels andererseits, verlagert sich der Fokus von Arbeitgebern zunehmend auf die Zielgruppe der passiv oder latent Suchenden.
Eine Reihe von Stellenbörsen sowie Dienstleistern erweitern daher bereits ihre Angebote und adressieren diese Zielgruppe über Maßnahmen, wie beispielsweise klassisches Online-Marketing oder Ausspielungen via Social Media.
Ein Großteil der Leser Ihrer Stellenanzeigen möchte nur den eigenen Marktwert testen
Es mag erschütternd klingen. Allerdings ist es laut HR-Digital Studie 2019 des HR-Dienstleisters Zalvus so, dass mehr als zwei Drittel (69%) der Besucher Ihrer Stellenanzeigen nur den eigenen Marktwert testen möchten. Mit Blick auf generell zurückgehende Klickzahlen, ist dies für sich genommen keine wirklich positive Botschaft.
Allerdings könnte dies auch ein Ansporn sein, eben jene Zielgruppe ohne explizite Bewerbungsabsicht, derart passend anzusprechen, dass tatsächlich ein Bewerbungsinteresse geweckt wird.
Hierzu habe ich Ihnen vor einiger Zeit „mein“ VAIDA-Modell vorgestellt
Standardisierung von Stellenanzeigen hilft nur vordergründig
Um hier erfolgreich zu sein, müssen die Inhalte Ihrer Stellenanzeige allerdings deutlich stärker auf die jeweilige Zielgruppe wirken, als bei aktiv Suchenden. Eine starke Standardisierung von Stellenanzeigen verhilft zwar vordergründig einer Effizienzsteigerung durch die Reduzierung von Aufwänden bei der Erstellung von Texten.
Gleichzeitig wirkt sie jedoch kontraproduktiv mit Blick auf die damit erzielbaren Ergebnisse.
Spezifische Stellenanforderungen klar im Vorteil
Bereits im Jahr 2018 wurde von Kappes, Balcetis und De Cremer eine Untersuchung der Schlagkraft von Stellenanzeigen durchgeführt. Dabei lag der Fokus auf der Beschreibung der für die jeweilige Stelle notwendigen Voraussetzungen. Dieses Anforderungsprofil seitens des ausschreibenden Unternehmens testeten die Forscher nunmehr in drei Qualitätsstufen an potentiellen Bewerbern:
- sehr konkret formuliert
- normal formuliert
- sehr vage formuliert
Die Ergebnisse waren einerseits durchaus erwartungskonform, andererseits führten sie zu Handlungsempfehlungen, über die es nachzudenken lohnt.
Ergebnisse der Studie
Je unspezifischer die Anforderungen in Stellenanzeigen formuliert waren, um so
- mehr Personen hielten sich hierfür geeignet.
- höher waren die Gehaltsforderungen dieser Personen.
- höher war das quantitative Bewerbungsaufkommen
Eine mögliche Interpretationsweise für das Recruiting
Da die operative Belastung in Recruiting-Abteilungen häufig sehr hoch ist, könnte durch das bewusste Abschrecken von Bewerbern eine spürbare Mengenreduktion erzielt werden. Nicht gänzlich auf die Stelle passende Interessenten werden sinnvollerweise von einer Bewerbung abgehalten.
Wenn Sie statt unspezifischer „Office-Kenntnisse“ also „Experten-Kenntnisse Excel (Pivot-Tabellen/Makros)“ suchen, dürfte dies bereits Bewerber abhalten, die solche Kenntnisse nicht vorweisen können. Vorausgesetzt natürlich, es handelt sich um ein Muss-Kriterium bzw. KO-Kriterium.
Gleichzeitig verbessern Sie damit Ihre Position in Gehaltsverhandlungen gegenüber denjenigen Personen, die hier noch nicht komplett sattelfest sind und sich dennoch bewerben.
In Summe reduzieren Sie den Handlingsaufwand im Recruiting und müssen aufgrund der geringeren Anzahl an Bewerbern (vermeintlich dafür mit höherer Passung) weniger Absagen versenden. Das ist gut, denn Absagen werden auch bei freundlicher Formulierung tendenziell erst einmal als negative Arbeitgebermarkenbotschaft aufgefasst.
Kein „one-size-fits-all“ bei Stellenanzeigen
Neben der Präzisierung Ihrer Stellenausschreibungen im Bereich Anforderungen, sollten Sie laut HR-Digital Studien Autor Zalvus vor allem an der „Individualisierung“ Ihrer Anzeigen arbeiten. One-size-fits-all gilt eben nicht für erfolgreiches Recruiting.
Individualisierung für spezielle Zielgruppen und konkrete Ausschreibungen
Die meisten Leser einer Stellenanzeige sehen sich laut HR-Digital Studie zielgerichtet nur zwei bis drei Details einer Position an. Dies auch nur, wenn sie von der jeweiligen Zielgruppe als relevant erachtet werden.
Insofern sollten Sie, insbesondere mit Blick auf passiv suchende Kandidaten, individuelle Highlights der jeweiligen Vakanz (nicht allgemein diejenigen des Unternehmens!) deutlich am Anfang sichtbar machen.
Möglicherweise bietet sich dafür eine deutlich gekennzeichnete Highlight-Box oberhalb des klassischen Ausschreibungstextes an.
In wie weit Sie diese mit Blick auf strukturierte Daten, wie sie beispielsweise beim Liquid Design von StepStone oder bei Google for Jobs verwendet werden, auch außerhalb Ihrer eigenen Karriereseite erfolgreich umsetzen können, müsste sich jedoch noch erweisen.
Unabhängig davon: Inhaltliche Highlights lassen sich auch in typischen Aufzählungen entsprechend weit oben platzieren.
Relevanz von Job-Details im Rahmen der Stellenanzeige
Hilfreich zu wissen ist dabei die jeweilige Relevanz der unterschiedlichen Inhalte einer Stellenanzeige. Während weiche Faktoren wie die Unternehmenskultur oder das Team in der HR-Digital-Studie eher unterdurchschnittliche Relevanz aufwiesen, waren die drei Themen
- Qualifikationsanforderungen
- Vergütung
- Standort
in der Gesamtschau weit oben auf der Relevanz-Skala.
Relevanz von Stellenanzeigen-Inhalten abhängig von Art der Vakanz
Deutlich spannender ist der Blick auf nachfolgende Detail-Auswertung. Denn die Relevanz einzelner Inhalte Ihrer Stellenanzeige variiert je nach Art der zu besetzenden Stelle.
So legen Mitarbeiter (m/w/d) im Vertrieb deutlich mehr Fokus auf die Vergütung als beispielsweise Jobsuchende im Bereich Assistenz oder Administration. Letzteren sind laut HR-Digital Studie 2019 für die eigene Auswahlentscheidung hingegen Aussagen über das ausschreibende Unternehmen deutlich wichtiger.
Wichtige Angaben in Stellenanzeigen
Was genau möchten potenzielle Bewerber in Stellenanzeigen zu Themen wie Vergütung, Qualifikation, Standort, Aufgaben, Ablauf, Unternehmen, Perspektiven und Kollegen eigentlich lesen?
Auch hier gibt die Zalvus-Studie Auskunft.
Alleinstellungsmerkmale in Stellenanzeigen herausheben
Es mag wie eine aus dem Employer Branding bekannte Binsenweisheit klingen. Dennoch gilt auch für erfolgreiches Recruiting mit Blick auf die Formulierung von Stellenanzeigen:
Heben Sie Ihre potentiellen #Alleinstellungsmerkmale im #Recruiting besonders in #Stellenanzeigen hervor! Klick um zu TweetenWie Ihnen dies gelingen kann, zeigt eine weitere Grafik aus der Studie von Zalvus musterhaft.
Passive Kandidaten durch unkomplizierte Kontaktmöglichkeiten ködern
Je weniger aktiv Kandidaten auf Jobsuche sind, um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese bereit sind, hohe Hürden bei der Ansprache oder gar für eine Bewerbung zu überwinden. Neben einer klassischen 1-Klick-Bewerbung, zum Beispiel über eine Integration eines „Bewerben mit XING“– oder „Bewerben mit LinkedIn“-Buttons, könnte das Senken der Kontaktschwelle dadurch erreicht werden, indem Sie nicht von „Jetzt bewerben!“, sondern von „Unverbindlich Interesse bekunden!“ sprechen.
Eventuell als zweite Kontakt-Option. Oder als einzige Kontaktoption, wenn Sie Ihre Anzeige nicht auf einer Stellenbörse dem aktiven Bewerbermarkt zur Verfügung stellen, sondern beispielsweise via Social Media den latent Suchenden.
Die Nutzung einer 1-Klick-Bewerbung führt laut Studienergebnissen übrigens zu einer achtfachen Anzahl an potenziellen Bewerbern im Vergleich zu klassischen ATS-Verfahren, die häufig sogar zwangsweise das Anlegen eines Benutzer-Accounts voraussetzen.
Vollständige Bewerbungsunterlagen erst im Nachgang anfordern
Je konsequenter Sie diesen Gedanken des Senkens der Kontaktschwelle verfolgen, um so leichter dürften Sie sich damit anfreunden können, Bewerbungsunterlagen erst im Nachgang anzufordern.
Viele Unternehmen -vorwiegend diejenigen, die genügend Bewerbungen erhalten- ziehen es dennoch aus Gründen der Bearbeitungseffizienz heute noch vor, von Anfang an alle Unterlagen vorliegen zu haben. Diese Unternehmen müssen vorerst damit leben, dass ihnen möglicherweise wertvolle Kontakte zu potenziellen Bewerbern durch die Lappen gehen.
Textliche Optimierung erhöht Bewerberrate deutlich
Die Autoren der HR-Digital Studie 2019 kommen zum Ergebnis, dass eine Durchoptimierung der Stellenanzeigen-Inhalte die Conversionrate um knapp ein Viertel (24%) erhöhen kann. Es bewerben sich aufgrund der Optimierung also bis zu 24% mehr Personen nach dem Lesen der Stellenanzeige als ohne eine solche Optimierung.
Angabe einer Gehaltsspanne erhöht Bewerberrate zusätzlich
Beim Thema Erhöhung der Bewerberrate: Gleiches gilt nach den Findings der HR-Digital Studie für die Angabe einer Gehaltsspanne. Diese kann die Conversionrate um annähernd 20% erhöhen.
Na wenn das kein Grund ist, über mehr Transparenz beim Stellengehalt nachzudenken?
Fazit zum Thema inhaltliche Optimierung von Stellenanzeigen
Stellenanzeigen bieten eine Menge Optimierungspotenzial. Je spezifischer, individueller und Zielgruppen-gerechter Sie diese formulieren, um so deutlicher steigern Sie Ihre Erfolgsaussichten.
Beantworten Sie daher bei der Individualisierung Ihrer Ausschreibungen folgende Fragen:
- Welche Details an einer Stelle sind Ihrer Zielgruppe besonders wichtig?
- Welche Erwartungshaltung hat die Zielgruppe in dieser Hinsicht an Arbeitgeber genau?
- Wie lösen dies Mitbewerber beziehungsweise der Markt allgemein?
Und ganz wichtig: Sorgen Sie für eine konsequente Mobiloptimierung Ihrer Stellenanzeigen. Egal, ob Sie der HR-Digital Studie 2019 Glauben schenken, die einen Anteil mobiler Aufrufe von stattlichen 84% gemessen hat oder anderen Messungen mit etwas weniger hohem Mobilanteil.
Fest steht, dass die mobile Sichtung von Stellenausschreibungen weiter deutlich ansteigt. Damit sind nicht mobiloptimierte Inserate per se ein potenzieller Bewerbungskiller.
Weitere Informationen zur HR-Digital Studie 2019
Die HR-Digital Studie 2019 basiert auf den Erfahrungswerten von HR-Experten aus über 100 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Über einen Zeitraum von einem Jahr wurde die Personalsuche für mehr als 150 Vakanzen mehrerer DAX-Unternehmen, zahlreicher Mittelständler (und Weltmarktführer) und einiger Start-ups analysiert. Für die ausgeschriebenen Positionen wurden mehr als 150.000 Fach- und Führungskräfte unterschiedlicher Branchen und Fachbereiche über diverse Sourcing Methoden angesprochen und ihr digitales Verhalten analysiert.
Deutlich mehr Detail-Informationen sowie die Originalstudie erhalten Sie hier.
4 Antworten
Also wenn der Standort nicht bekannt gegeben wird, wirkt das schon sehr komisch. Ich gehe dann auf die Firmenseite und selbst dort findet man den Standort nicht und manchmal auch dann nicht wenn man danach googelt. Das sind meist große Firmen. Wenn diese natürlich durch eine andere vertreten werden, sollte man das schon erwähnen, denn als Bewerber möchte schon gerne wissen, wo die Firma liegt, vor allem mit dem Hintergrund Erreichbarkeit durch den ÖPNV. So etwas möchte ich nicht erst im Vorstellungsgespräch erfahren.
Das eventuelle Gehalt veröffentlicht in Deutschland immer noch keiner. Es muss ja nicht genau sein, aber so einen Rahmen wüsste ich schon, denn auch wenn man nach dem jeweiligen Beruf und Gehalt googelt, weiß man nur so einen Rahmen, aber ob die Firma den auch so hat, weiß ich immer noch nicht.
Flexible Arbeitszeiten bedeuten für mich immer Schichtarbeit. Gerade im IT Support muss man davon ausgehen, dass flexible Arbeitszeiten auch Nachtarbeit oder Arbeit an Feiertagen bedeuten können.
Dass mit den genauen abverlangten Kenntnissen wie im Text die genannte Privot-Tabelle in Excel (habe ich noch nie gemacht, ich würde rausfallen, aber so etwas steht nicht) wäre sehr gut. Ich glaube, manchmal dass Firmen es allgemein halten, danach sagen können, dass sie ein ganz beliebter Arbeitgeber sind.
Hallo Sven,
herzlichen Dank für diesen und Deine anderen Kommentare. Es ist schön zu sehen, dass Du Dich mit meinen Beiträgen kritisch auseinandersetzt.
Das mit der fehlenden Angabe eines Standorts ist mir auch schon aufgefallen. Manchmal liegt das daran, dass sich insbesondere große Unternehmen mit mehreren Standorten noch offen halten wollen, in welcher Filiale/Niederlassung der Einsatz letztlich erfolgt. Manchmal wird auch für mehrere gleichzeitig gesucht.
Das mit dem Gehalt stimmt. Dazu habe ich ebenfalls bereits einige Beiträge veröffentlicht (Stichwort: Gehaltstransparenz). Dabei würde Google for Jobs beispielsweise Anzeigen mit entsprechenden Angaben sogar über eine vergleichsweise höhere Sichtbarkeit belohnen.
Flexible Arbeitszeiten kann alles mögliche heißen, nicht zwangsläufig Schichtdienst. Am besten nachfragen bei Unsicherheiten.
Herzliche Grüße und danke für das Lesen meiner Artikel
Stefan #bleibgesund
Vielen Dank für die Mühe der Interpretation bzw. Darstellung und Weitergabe dieser (solcher) HR-Recruiting-Studien.
Mich würde einmal interessieren, wie die Studienergebnisse im Vergleich aussehen mit anderen Studien, wieviel Teilnehmer in der Testgruppe waren oder welche Werte sich seit der(n) letzten Studie(n) verändert haben? Also im Grunde mehr über vergleichende Werte erfahren möchte.
Da ich dem Blog schon eine ganze Weile folge und dem Bereich Recruiting aus KMU-Beratungssicht sowie eigener gemachter Erfahrungen sehr interessiert gegenüberstehe, hatte ich „das Bauchgefühl“, dass die im Artikel und der Studie benannten Inhalte sich seit Jahren gar nicht so enorm verändert haben.
Meiner Meinung nach ist es weiterhin das Problem in der Personalgewinnung, dass man mit vielen technischen Firlefanz versucht den Menschen in messbare (und steuerbare) Daten(banken) zu pressen und hier professionelle Recruitingabteilungen wesentlich näher an den Erfolg bzw. die Geschäftsführung eines Unternehmens angebunden werden müsste. Es hilft ja nichts, wenn man das beste Produkt am Markt verkaufen wöllte, aber dazu einem das passende Verkaufspersonal fehlt, weil man die Recruiter entweder zu wenig informiert oder ihnen ggf. die Fachkunde für eine initiative, professionelle und zielgerichtete Personalauswahl in einem ersten Schritt verwehrt. Das ist zumindest meine Erfahrung aus diesem Bereich gewesen.
Das derzeit im Grunde Vollbeschäftigung herrscht und irgendwie ein jeder nach Profis (m/w/d) sucht, ist ja nichts neues. Nur das Jammern aus den Vorständen oder Geschäftsführungen über zu wenig passende (oder entwickelbare) Talente verstummt auch nie. Tja, man kann es halt meistens nicht allen recht machen. ;-))
Lieber Marc Mertens,
vielen Dank für die zusätzlichen Gedanken zu meinem Beitrag.
Ich stelle gerne den Kontakt zum Studien-Anbieter her, um die Fragen zu beantworten. Allerdings glaube ich mich zu erinnern, dass Zalvus diese Studie zum ersten Mal durchgeführt hat. Insofern würde eine „Nullmessung“ oder ähnliches fehlen.
Im Kern kann ich den Eindruck aber bestätigen: Zu häufig fehlt der Recruiting-Abteilung die Anbindung ans Kerngeschäft. Das mag ab und an sogar daran liegen, dass HR deutlich stärker in der Dienstleisterrolle als in der (Business)Partnerrolle wahrgenommen wird. In Zeiten der intensiven Transformation ein großer Fehler, denn gerade hier ist HR gefordert (Kultur, Arbeitszeitmodelle, New Work, uvm.).
Herzlichen Dank für das treue Lesen meines Blogs!
Viele Grüße aus dem sonnigen Nürnberg
Stefan