Negative Arbeitgeberbewertungen durch Mitarbeiter, ehemalige Mitarbeiter oder Bewerber nehmen zu. Was aber bewirken anonyme kritische Aussagen auf Plattformen wie kununu oder glassdoor?
Ein Praxisblick auf die andere Seite, hinter die Kulissen der Unternehmen.
Beschweren ist in Mode gekommen
Die Unzufriedenheit der Menschen quer über den Globus scheint ständig anzuwachsen. Wer regelmäßig via Social Media unterwegs ist, der stellt zudem einen zunehmend rauhen Tonfall fest. Menschen beschweren sich nicht nur übereinander, ja sie schlagen sich verbal geradezu die Köpfe ein. Nicht nur sogenannte „besorgte Bürger“ projizieren ihre Unzufriedenheit mit mehr als deutlichen Worten auf „die anderen“.
Facebook hat schon vor einiger Zeit zusätzliche Reaktionsmöglichkeiten in seine Plattform eingebaut, gegen die sich die Verantwortlichen zuvor jahrelang vehement gewehrt hatten: das Wut-Emoticon. Und seither wird das sogenannte „Haten“ (engl.: Hassen) in Facebook zusätzlich via glühend roten Hitzkopf-Emoticon optisch sichtbar.
Und jährlich grüßt die Gallup-Studie
Öl ins Feuer gießt zudem die jährliche Gallup-Studie, die Aussagen über die Mitarbeiterzufriedenheit in Unternehmen trifft. Dabei sind die Interpretationen und Erkenntnisse mehr als hart. So sollen angeblich in den letzten Jahren nahezu konstant drei Viertel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland derart unzufrieden sein, dass sie keine emotionale Bindung zu ihren Arbeitgebern verspüren.
Was in Zeiten des von vielen Unternehmen proklamierten Fachkräftemangels nach einer positiven Nachricht für Mitarbeiter-suchende Personaler klingt (Stichwort: Wechselwilligkeit), ist genau betrachtet ein Armutszeugnis. Und genug Anlass, um eindeutig Schuldige zu finden: Seien es Führungskräfte, die angeblich durch ihr Fehlverhalten Mitarbeitern gegenüber gar 100 Milliarden Euro Schaden verursachen oder auch nur das Unternehmen als Arbeitgeber in seiner Abstraktheit.
Doch wie so oft, lohnt sich ein differenzierter Blick auf die Situation.
Feindbild Unternehmen als Arbeitgeber
Leider viel zu häufig werden Unternehmen als Arbeitgeber komplett undifferenziert medial gebasht. Es ist ein Grund-Tenor zu vernehmen, der immer wieder nahelegt, dass Arbeitgeber böse sind. Wie zu den schlimmsten Zeiten des Klassenkampfs, pressen einige Medien (oder sagen wir differenzierter: einige Journalisten) Unternehmen gar in diese Rolle eines Feindbilds.
Doch in den seltensten Fällen wird diese negative Haltung Arbeitgebern gegenüber offen dargestellt. Stattdessen wird ein mediales Zerrbild sprachlich geschickt verpackt.
Eine Überschrift genügt oftmals, um die Wahrnehmung des restlichen Contents vorab negativ zu prägen.
Viel zu schnell vergessen sind Aspekte wie regelmäßige Lohnzahlungen, Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall, flexible Arbeitszeiten, Weiterbildungen und Karrieremöglichkeiten. Wenn der Ärger erstmal da ist, wird schnell zur verbalen „Keule“ gegriffen.
Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu als Ventil
Der Marktführer unter den Arbeitgeberbewertungsplattformen im deutschsprachigen Raum ist kununu. Das Wiener Unternehmen, das bereits 2013 von XING gekauft wurde und gerade in die USA expandiert, hat sich ein hehres Ziel gesetzt: Transparenz in den Arbeitsmarkt zu bringen.
Um die angestrebte Transparenz zu vermitteln, sammelt die Plattform hunderttausende von Bewertungen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ehemalige, Azubis oder auch Bewerberinnen und Bewerber dort anonym unter Verwendung einer E-Mail-Adresse posten.
Neben klassischen Sternebewertungen von eins bis fünf, können zahlreiche Themenbereiche, wie beispielsweise Führung, Unternehmenskultur, oder Arbeitsplatzausstattung einzeln auch textlich bewertet werden.
Längst gehört der virtuelle Blick auf kununu oder das internationale Pendant glassdoor für Jobsuchende zum Standardvorgehen bei der Arbeitgeberwahl. Das haben auch Stellenbörsen wie StepStone oder Jobsuchmaschinen wie Indeed erkannt und bieten ebenfalls seit geraumer Zeit Arbeitgeberbewertungen an.
Google for Jobs adelt Arbeitgeberbewertungsportale
Noch spannender geworden ist es in diesem Zusammenhang seit dem Marktstart von Google for Jobs in Deutschland. Denn tatsächlich werden analog zu den USA die Sternebewertung von Unternehmen auf Arbeitgeberbewertungsplattformen automatisch bei jeder Stellenanzeige einblendet. Damit erzielen diese Feedbacks eine nochmals deutlich erhöhte Reichweite. Und werden so für das eine oder andere Unternehmen bereits in der Ergebnisliste auf Google zum „Bewerber-Schreck“.
Vermutlich wenden sie sich besser bewerteten Arbeitgebern zu oder suchen zumindest nach diesen. In vielen Branchen und Regionen gibt das der Markt auch her.
Arbeitgeberbewertungen werden zu relevantem KPI
In dem Wissen, dass die Transparenz von Erfahrungen mit Arbeitgebern im Rahmen des Employer Brandings immer mehr Bedeutung erhält, definieren viele Unternehmen hierfür eine eigene Kennzahl. Employer Branding wird somit als Kennzahl in Management Cockpits Teil der operativen Steuerung des Unternehmens: kununu und Co als Gradmesser für den Erfolg im Bewerbermarkt. Eine zunehmend relevante Messgröße mit Blick auf erfolgreiches Recruiting.
Einflussmöglichkeiten durch Kennzahlen-Verantwortliche
Wobei die Handlungs- bzw. Einflussmöglichkeiten der Kennzahlenverantwortlichen in den meisten Fällen deutlich begrenzt sind.
Sie beschränken sich in der Regel auf drei Kernbereiche
- Stellungnahmen als Arbeitgeber
- Interne Awareness durch Feedback erzeugen
- Kritik aufnehmen und Verbesserungen, beispielsweise bezogen auf Prozesse anstoßen
Die Aktivierung von zufriedenen Beschäftigten oder gar Fans des Arbeitgebers mit dem Ziel, negative Bewertungen durch neue positive Bewertungen auszugleichen, ist zwar bis zu einem gewissen Grad statthaft, funktioniert allerdings nur sehr bedingt:
Mitarbeiter, die Arbeitgeberbewertungsplattformen beobachten, lassen sich über jede neue Bewertung per Newsletter informieren. Sollte die Gesamtbewertung aus ihrer Sicht einem Zerrbild entsprechen, so fühlen sie sich veranlasst „das Bild gerade zu rücken“. Aktion erzeugt Reaktion. Und das Pendel kommt erst dann einigermaßen zum Stillstand, wenn ein vergleichsweise realistisches Bild aus Sicht der Beteiligten erreicht ist.
Gänzlich Abstand nehmen sollen Sie übrigens von Dienstleistern, die Ihnen Rechtsbeistand beim gerichtlichen Löschen-Lassen von unerwünschten Arbeitgeberbewertungen anbieten. Solche Verfahren ziehen sich oftmals in die Länge bzw. legen Betroffene häufig mit vergleichbaren Bewertungen nach. Ein gutes Geschäft – nur für den Dienstleister.
Stellungnahmen auf negative Arbeitgeberbewertungen
Eine der größten Einflussmöglichkeiten auf die Wahrnehmung des eigenen Arbeitgebers auf kununu ist das Kommentieren von (insbesondere negativen) Bewertungen als Arbeitgeber.
Dabei hat sich folgende Vorgehensweise als besonders erfolgreich erwiesen:
- Bewertungen genau lesen und versuchen das Geschriebene aus Sicht der Bewertenden wirklich zu verstehen
- Wertschätzung und Dankbarkeit zeigen für die genommene Zeit
- Analyse, woran genau es hakt und welche Stellschrauben es mit Blick auf Optimierungen gibt
- Intern Feedback an Verantwortliche geben
- Ehrliche und individuelle Stellungnahme ohne jede Verwendung von Standardtexten
- Bei Bedarf: Bitte um Entschuldigung
- Angebot eines persönlichen Gesprächs
In der Regel geben die Bewertungen den Umfang und Rahmen für die jeweilige Antwort des Arbeitgebers vor. Leider nutzen noch viel zu wenige Unternehmen die Möglichkeit, auf Augenhöhe Feedback zu geben.
Die größte Gefahr an #Arbeitgeberbewertungsplattformen wie @kununu oder @GlassdoorDE sind nicht #Fakebewertungen, sondern die Ignoranz der Personalverantwortlichen gegenüber #Feedback. Share on XWahrnehmung ist subjektiv – mit häufig unterschiedlichen Sichtweisen
Auch wenn am Ende eine Sterne-Gesamtbewertung den Ausschlag für oder gegen einen Arbeitgeber geben kann: Im Grunde handelt es sich stets um subjektive Wahrnehmungen der Bewertenden. Eine Art „Objektivität“ wird dann allenfalls durch die Leser der Bewertungen in deren Köpfen erzeugt. Faktisch vorhanden ist sie nicht.
Denn wie immer im Leben, gibt es zu jedem Sachverhalt unterschiedliche Blickwinkel. Und diese können deutlich voneinander abweichen.
Wenn Bewertende um sich schlagen
Nehmen wir mal den Bereich der Bewerberbewertungen. Hier zeigen sich für viele Unternehmen sehr deutlich und schnell Verbesserungsbedarfe auf, zum Beispiel wenn Rückmeldungen zu spät oder nie gegeben werden (Stichwort: Candidate Experience). Oftmals offenbaren sich unglücklich gestaltete oder gar untaugliche Prozesse. Solche können in der Regel aufgrund des Feedbacks erkannt und oft auch überarbeitet werden.
Deutlich schwieriger wird es, wenn nicht Prozesse, sondern das Verhalten von Menschen heftig kritisiert wird.
Kritik am Verhalten von Menschen
Ein weiterer Klassiker auf kununu im Bereich Bewerber-Bewertungen, ist die deutliche Kritik am Verhalten und der Kommunikation von Teilnehmern an Bewerbungsgesprächen. Hier der unsympathische Fachbereich, dort die arroganten Personaler. Allzu schnell fällt das scharfe Beil der anonymen Bewertung über dem Haupt von Arbeitgebervertretern.
Bei oberflächlicher und einseitiger Betrachtung entsteht für Leser nunmehr schnell der Eindruck „Na da geht´s aber zu!“ oder „Typisch. Da haben die Personaler immer noch das alte Bild von Bewerbern als Bittsteller im Kopf!“. Diese Bild mag in einer gewissen Anzahl an Fällen tatsächlich korrekt sein. Aber eben nicht immer.
Und anders, als bei Kritik an abstrakten Themen, wie „der Unternehmenskultur“, reagieren Menschen auf persönliche Kritik emotional deutlich stärker. Aus einer aufmerksam konzentrierten, aber zurückhaltend stillen Führungskraft kann in der Deutung sehr schnell eine „gelangweilte und passive Führungskraft“ oder ein „uninteressierter Gesprächspartner“ werden.
Negative Arbeitgeberbewertungen – Beispiele aus der Praxis
Mittlerweile habe ich relativ viel Erfahrung mit persönlichen Gesprächen, ausgelöst durch kununu-Bewertungen. Sowohl mit den Autoren der Bewertungen, als auch mit internen Kolleginnen und Kollegen dazu.
Und häufig ergibt sich dabei ein ganz differenzierter Blick auf den Sachverhalt.
Da gab es beispielsweise einen Bewerter, der aufgrund einer völlig verqueren Erwartungshaltung extrem stark „vom Leder gezogen“ hatte. Aufgestellte Behauptungen waren sehr weit hergeholt und entsprangen einer stark verkürzten Weltsicht. Ja, eine deutliche psychische Labilität wurde sogar von ihm selbst in einem längeren Telefonat mit mir kundgetan.
Oder nehmen wir die Führungskraft des mittleren Managements, die aufgrund einer sie betreffenden negativen kununu-Bewerber-Bewertung drei Tage mit sich und ihren Gefühlen kämpfen musste, bevor wir ins Gespräch kamen. Und die sich das Feedback trotz sehr eigenwilliger Wahrnehmung des Bewertenden sehr zu Herzen genommen hatte. Ich habe großen Respekt vor ihrer Selbstreflexion. Auch wenn sie sich auch aus meiner Sicht, nichts vorzuwerfen hatte, wollte sie zukünftig noch mehr auf ihre Wirkung achten.
Wenn kununu zum Drohmittel wird
Mittlerweile wird eine negative Arbeitgeberbewertung auf kununu ab und an sogar als eine Art Drohmittel durch Mitarbeiter gegen Recruiter eingesetzt wird. Im konkreten Sinne: „Wenn mein Ehepartner nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird, schreibe ich über die zunehmend fehlende Menschlichkeit in unserem Unternehmen!“.
Dass diese vermeintlich schwindende „Menschlichkeit“ jedoch ein Ausdruck von Gerechtigkeit, Objektivität und mithin auch Compliance darstellt, geht bei dieser Sichtweise schnell verloren. Das als angemahnte nicht mehr Funktionieren von „Vitamin B“ dürfte heute mit Blick auf den Begriff „Vetternwirtschaft“ deutlich negativer konnotiert sein.
Den konkreten Kontext kennen Leser von Bewertungen eher selten
In den wenigsten Fällen kennen die Leser von Arbeitgeberbewertungen auf kununu oder anderen Plattformen die konkreten Hintergründe. Dieser Kontext ist aber oft zum Verständnis notwendig.
Auch hierzu ein Beispiel:
Wenn Mitarbeiter sich auf kununu über zunehmende „Überwachung“ und „Kontrolle“ beklagen, spielt der Kontext eine extrem große Rolle. Beispielsweise in einem Fall, wenn ein Betriebsrat einschreitet, um ein Feedback-System zu verhindern, bei dem Mitarbeitern an ihre Führungskräfte per Tool Feedback geben können, und dies als unangemessene Verhaltens- und Leistungskontrolle der Führungskraft eingestuft wird.
Vergleicht man diese Art der „Überwachung“ mit der Arbeit an einem KFZ-Produktionsband bei einem bayerischen Premium-Hersteller, dessen Werk ich jüngst besuchen konnte, erscheint sie regelrecht lächerlich. Werden dort die Produktionsziele der jeweiligen Schicht, die in Echtzeit auf großen Displays für alle in der Werkshalle und der Steuerungszentrale abzulesen sind, nicht erfüllt, wird kurzerhand die Taktung erhöht. Das heißt konkret: Das Fließband läuft entsprechend schneller und wertvolle Sekunden, in denen die Arbeiten erledigt werden müssen, werden abgezogen.
Der Kontext sowie das eigene Erfahrungsumfeld spielen bei der Interpretation von Begriffen wie „Überwachung“ und „Kontrolle“ eben doch eine enorme Rolle. Und nicht zwangsläufig müssen die Begriffe negativ bewertet sein!
Menschen auf Augenhöhe begegnen – in beiden Richtungen!
Mitarbeiter und Bewerber erwarten heute zurecht, dass ihnen Personaler und Führungskräfte auf Augenhöhe begegnen. Allerdings halte ich es für fair, dies auch umgekehrt zu erwarten.
Sehr schnell wird von einem individuellen Verhalten, sagen wir mal eines Personalers, auf „die Personaler“ oder gar „das Unternehmen“ als Ganzes geschlossen. Dabei verurteilt diese Formulierung einer Vielzahl von Menschen komplett zu Unrecht.
Nach meinem Erleben geben sich die meisten Menschen quer durch alle Abteilungen größte Mühe in ihrem Job. Sie tun tagtäglich Ihr Bestes, damit das Unternehmen vorankommt. Dabei haben Sie einen hohen Anspruch an ihre eigene Arbeit.
Leider wird dies bei kununu-Bewertungen sehr schnell vergessen und sie so zum Opfer einer unangebrachten Pauschalierung.
Verständnis für die andere Seite?
Es stellt sich die berechtigte Frage, ob Bewertende eigentlich automatisch immer Recht haben? Quasi so wie es den Ausdruck gibt „Der Kunde hat immer Recht“.
Das kann man durchaus diskutieren (gerne auch in den Kommentaren unter diesem Beitrag).
Meiner Meinung nach gilt es zu unterscheiden. Bei der Schilderung eigener Erfahrungen lässt sich schwerlich attestieren „Nein, so war das nicht!“. Denn Erfahrungen und Eindrücke sind per se subjektiv. Werden allerdings daraus Behauptungen oder gar Pauschalierungen (ein häufiges Stilmittel in Bewertungen), sehe ich es anders.
Auch wenn der eigene Erfahrungshorizont von kommentierenden Arbeitgebern ebenfalls nicht das komplette Meinungsspektrum oder gar DIE Wahrheit abbildet, so lässt sich allgemein sagen:
#Organisationen oder #Systeme halten #Kritik deutlich besser aus als einzelne #Menschen. #Arbeitgeberbewertungen auf #kununu Share on XInsofern sollten als Gradmesser für Bewertungen die folgenden Fragestellungen dienen:
- Würde ich meine Bewertung in den gleichen Worten auch persönlich von Angesicht zu Angesicht vorbringen?
- Warum habe ich meine Kritik nicht bereits persönlich an die Verantwortlichen gerichtet, sondern lasse sie nunmehr via Arbeitgeberbewertung aus?
Ansonsten ist es aus meiner Sicht nur allzu leicht, seinen Ärger hinter dem vollen Deckmantel der Anonymität in die Welt zu speien.