Derzeit findet eine Vielzahl virtuelle Events, Messen und Kongresse statt. Hintergrund sind die aufgrund der Corona-Pandemie deutlich verschärften Vorschriften und Kontaktbeschränkungen. Was aber bringen diese Events tatsächlich? Können sie mit ihren vormaligen VorOrt-Veranstaltungen mithalten? Und lassen sich darauf basierende Geschäftsmodelle auf Dauer ausreichend monetarisieren?
Meine subjektive Betrachtung als kritisches Zwischenfazit.
Virtuelle Events sind zur Massenware geworden
Waren virtuelle Events einst noch Exoten in der Riege der HR-Veranstaltungen, errangen sie in 2020 von null auf hundert den Spitzenplatz in der Teilnehmergunst. Zugegeben, nicht wirklich freiwillig.
Vor allem die Macher der HR-Leitmesse Zukunft Personal hatten sich für dieses Jahr die größte Veranstaltung aller Zeiten ausgedacht und geplant. Ausweichen mussten sie auf ein eingeschränktes virtuelles Format. Nachdem die Virtual Week letzten Freitag zu Ende gegangen ist, muss auch hier die Frage beantwortet werden, was es letztlich gebracht hat. Mein Blickwinkel dabei ist der eines Kunden / Ausstellers sowie eines Teilnehmers am virtuellen Event.
Selbstverständlich gibt es auch andere Blickwinkel, die ich jedoch nicht aus eigenem Erleben beurteilen kann.
Die Menge an virtuell verfügbarer Aufmerksamkeit ist begrenzt
Vorab einige generelle Feststellungen. Seit in der Corona-Pandemie und einer vielfach angeordneten Kurzarbeit eine Reihe personeller Ressourcen nicht mehr ausgelastet werden konnte, ist die Anzahl der neuen Blogs, Podcasts und sonstigen Content-Formate regelrecht explodiert.
Jedoch gilt das nicht für die Zeit und Aufmerksamkeit bei den jeweils zu erreichenden Zielgruppen. Diese ist sogar begrenzter denn je. Viele Arbeitnehmer konnten die Möglichkeiten eines längerfristigen Homeoffices in Anspruch nehmen, was die generellen Zugangsmöglichkeiten zu virtuellen Events und anderen Online-Formaten erleichtert. Allerdings ist schon seit einigen Monaten eine gewissen Online-Müdigkeit, auch „Zoom-Fatigue“ zu verspüren. Will heißen: Wer den ganzen Tag rein virtuelle Zusammenkünfte pflegt und dabei auf seine Bildschirme starrt, ist nicht mehr im gleichen Maße bereit, darüber hinaus noch weiteren Content online zu konsumieren. Irgendwann ist eben auch mal wieder reales Leben angesagt. Um so mehr, wenn Kinder oder Haustiere -die quasi übernacht auf einmal „Bürotiere“ geworden sind- ihre Eltern beziehungsweise Herrchen und Frauchen fast nur noch vor der Mattscheibe sitzend kennen.
Der Kampf um Aufmerksamkeit für virtuelle Events schadet allen Marktteilnehmern
Hinzu kommt ein zweiter Effekt. Aufgrund der im ersten Halbjahr teilweise komplett und ersatzlos ausgefallenen Veranstaltungen, ist die Dichte an entsprechenden virtuellen Events im zweiten Halbjahr – vor allem nach der Sommerpause – unglaublich hoch.
So fanden beispielsweise Online-Konferenzen von Wollmilchsau (eine Woche), die Agile HR-Conference (2 Tage), die Zukunft Personal Europe Virtual (5 Tage), die Talent Pro (5 Tage) oder auch die New Work Week von XING (5 Tage) innerhalb kürzester Zeit statt. Die letztgenannten drei sogar komplett zeitgleich. Innerhalb der Messe gab es weitere Events, wie die von Wolfgang Brickweddes ICR.
Auf einer VorOrt-Veranstaltung gelingt die Einbettung von zusätzlichen Highlights in ein Großevent jedoch deutlich besser als bei Online-Events. Denn wird ein virtuelles Konferenzsystem verlassen und ein anderes genutzt, entsteht unweigerlich ein harter Bruch. Auch wenn in der Ankündigung und Vermarktung die Events zu einer Groß-Veranstaltung gehören. Online sind sie komplett getrennt und konkurrieren sogar miteinander.
Bei virtuellen Events ist die Aufmerksamkeitsspanne geringer
Ein weiterer Effekt schmälert den Outcome von Online-Veranstaltungen. Während wir in einem klassischen Workshop oder auch bei einem Messebesuch mit allen Sinnen komplett auf der jeweiligen Veranstaltung verhaftet sind, trifft dies auf virtuelle Events keineswegs zu. Teilweise eingebaut in eine mediale Wand aus drei Monitoren – die Mobilgeräte noch nicht mitgerechnet – spaltet sich unsere Aufmerksamkeit unweigerlich auf.
Während also die Keynote auf der einen Veranstaltung häufig ohne große Interaktion mit Teilnehmern (m/w/d) vor sich hin dudelt und auch eine Art Hörbuch sein könnte, lassen sich beliebig geschäftliche E-Mails beantwortet oder gar Anrufe entgegennehmen. Der kurze Tweet auf die Event-Wall, der schon bei VorOrt-Veranstaltungen die Aufmerksamkeit für das Hauptevent gefährlich schmälert, kann bei einer Online-Veranstaltung gar das komplette Aus bedeuten. Kamera aus, muten, abschalten.
Was bei offenen Dialogformaten wie BarCamps gilt, hält Einzug auch bei Konferenzen und virtuellen Workshops: Das Gesetz der Füße. Online übersetzt: Das Gesetz des Klicks auf andere Angebote. Wird unsere Aufmerksamkeit nicht dauerhaft gebunden, beispielsweise durch hochgradig interaktive Formate, geht sie ruckzuck ganz verloren.
Auch wenn wir bei der Präsentation zur Zukunft des Recruitings im Rahmen unserer Ausarbeitung des #ZPthinktank Recruiting & Attraction angeblich über 170 Teilnehmer hatten, ist nicht klar, was dort wirklich inhaltlich ankam. Feedback und Reaktionen waren nämlich Mangelware.
Virtuelle Events erzeugen nicht das Gefühl gleicher Wertigkeit
Und es ist sogar noch viel schlimmer. Denn neben dem häufig missglückten Multitasking, sorgt die gespaltene oder deutlich reduzierte Aufmerksamkeit auch dafür, dass gefühlt die Wertigkeit der Formate abnimmt. Oder nennen wir es besser, die „Wertschätzung für die Formate“.
Durch die Vielzahl an kostenlosen Online-Events auch in der HR-Szene, sinkt unweigerlich die Zahlungsbereitschaft. Dort wo vormals drei- oder gar vierstellige Beträge für einen oder zwei Workshop- oder Kongress-Tage zu investieren waren, gibt es nun eine durchaus gleichwertige Alternative sogar kostenfrei. Dies führt dazu, dass beispielsweise die vormals unangefochtene HR-Leitmesse Zukunft Personal nicht mehr die gleiche Reichweite und „Ausschließlichkeit“ erzielen konnte. Sie war gefühlt (und ich rede hier tatsächlich von meinen eigenen Erfahrungen) in der aktuellen Zeit eben nur eine von (zu) vielen Veranstaltungen. Früher war sie das Highlight des gesamten Messejahres mit Vorfreude über Monate.
Technische Probleme mit virtuellen Events
Als ob das nicht schon genug Herausforderungen für die Anbieter virtueller Veranstaltungsformate wären, geht der Reigen noch munter weiter. Denn aufgrund der eben beschriebenen Vielfalt an parallelen Angeboten, werden auch die Internetleitungen immer häufiger an ihre Grenzen gebracht. Streaming mit Bild und Ton, teilweise sogar mit einer Vielzahl an Beteiligten und Interaktionen, kostet Bandbreite. Hier hatte ich in den letzten Wochen vermehrt Probleme. Und ausgerechnet bei der von mir mitorganisierten Abschlussveranstaltung der Ideen-Kampagne Talenthacks (Vol. 2) zum Thema IT-Recruiting ging dann technisch gar nichts mehr.
Userfreundlichkeit der Plattformen für virtuelle Events ausbaufähig
Die Vielfalt der für virtuelle Events eingesetzten Plattformen bringt weitere kritische Aspekte ins Spiel. Denn häufig müssen eigene Apps oder Plugins installiert werden. Viele Arbeitgeber erlauben das aufgrund von IT-Sicherheitsrichtlinien oder Firewall-Einstellungen schon gar nicht. Gut, wenn eine hochwertige private IT-Ausstattung vorhanden ist. Und schlecht, wenn dies eben nicht der Fall ist. Und lange nicht alle Menschen haben großformatige Bildschirme und Highend-PCs oder Macs zuhause stehen. Viele Angestellte begnügen sich mit kleineren Geräten wie Laptops oder Tablets.
Virtuelle Event-Plattformen entfalten häufig jedoch erst ihre Wirkung bei entsprechend großflächiger Ansicht. Zahlreiche Fenster für Moderatoren (zum Beispiel für Chat, Teilnehmerlisten, Fragen-Fenster, Notizen, Präsentationsfenster sowie Videostreams von Mitmoderatoren) erschweren die Übersicht und das Handling.
Aber auch große Event-Plattformen sind nicht immer selbsterklärend. So fiel mir auch die Navigation über die virtuelle Zukunft Personal nicht immer leicht. Ohne Suchfunktion oder ähnliche Hilfsmittel, wären mir die vielen Möglichkeiten gar nicht aufgefallen. Geschweige denn hätte ich sie genutzt. Zum anderen bin ich als umfassender Apple-Nutzer oft gar nicht mehr bereit, zu komplizierte Angebote zu nutzen. Was nicht bis zu einem gewissen Grad intuitiv zu bedienen ist und mich nicht sofort komplett einfängt, nervt schnell. Es gibt ja genügend Alternativ-Programme. Das mag nicht fair sein – allerdings ist meine Zeit auch online zu kostbar, um durch umständliche Navigationswege geleitet zu werden. Es soll einfach funktionieren.
Persönlicher Kontaktaufbau und Pflege ist deutlich anspruchsvoller
Kommen wir zu einem weiteren wichtigen Thema: Ich besuche Veranstaltungen wie Kongresse, BarCamps oder auch Messen nicht nur aufgrund der fachlichen Inhalte. Vielmehr haben sich einzelne Formate über die Jahre auch zu einer einzigartigen Networking-Plattform entwickelt. Selbst wenn einzelne virtuelle Events wie beispielsweise die Agile HR Conference sehr clevere remote Networking-Formate angeboten haben. Ein auf drei Minuten begrenzter Speed-Talk mit zufällig ausgewählten anderen Teilnehmern ist eben nicht das gleiche wie eine ebenso zufällige Begegnung vor Ort.
Zwischen laufendem Timer und wackeligen Internet-Verbindungen kommt schnell ein Gefühl von Stress auf – was so ziemlich das komplette Gegenteil von gemütlichen Gesprächen an Kaffee-Bars oder dem Tresen bei After-Partys ist.
Genau genommen wird ein Gespräch nur angeteasert und auf einen späteren -eigens zu vereinbarenden- Zeitpunkt nach einer Vernetzung via XING oder LinkedIn verschoben. Oder findet letztlich dann eben doch nicht statt.
Um es deutlich auf den Punkt zu bringen: Mir haben die realen Live-Kontakte zu den vielen tollen Menschen der HR-Szene im DACH-Raum dieses Jahr mehr als deutlich gefehlt. Virtuell ist hier leider Lichtjahre von einem Vor-Ort-Live entfernt.
Virtuelle Events ermöglichen eher Marketing als Vertrieb
Abseits von subjektiven Qualitätseinbußen durch den Mangel an persönlichen Kontakten, zeigt sich hier sogar ein strukturelles Problem. Denn dort, wo auf Messen oder vergleichbaren Veranstaltungen das direkte Auge-in-Auge-Gespräch mit Kunden und Interessenten im Vordergrund stand, bieten virtuelle Messen erst einmal ein extrem anonymes -ja sogar kühl wirkendes- Bild. Kein Kaffeeduft, kein Lächeln des Standpersonals, keine leckeren Kleinigkeiten auf „bunten Tellern“ – und eben auch keine „echten Menschen“.
Den digitalen Stand eines Ausstellers im Rahmen einer virtuellen Messe zu besuchen, fühlt sich überhaupt nicht real an. Oftmals führen die verfügbaren Aktionen lediglich zu weiteren textlichen Inhalten, Downloads oder eben zu einem Chat. Live-Gespräche finden in den seltensten Fällen statt. Es wird teilweise eher anonym konsumiert aus der Sicherheit des eigenen Bürosessels heraus. Ohne Interaktion oder gar Kommunikation.
Vor allem für klassische Vertriebsmitarbeiter mögen solche Messen sehr gewöhnungsbedürftig sein. Statt Kontaktformularen mit Aufzeichnungen über reale vertriebliche Gespräche bleiben nunmehr nur Namen und E-Mail-Adressen von Personen, die -ohne wirklich Gesicht zu zeigen- den Stand besucht, Inhalte gesichtet oder Informationen heruntergeladen haben. Vormals sofort entstandene Leads sind nunmehr erst einmal zu qualifizierende durch Marketing entstandene Klicks. Die Aussteller (wenn man diese überhaupt noch so bezeichnen kann), müssen nun in der Nachbearbeitung der entstandenen Kontaktdaten entscheiden, wie effektiv die Teilnahme am Messe-Format tatsächlich war.
Mein Fazit zum Thema virtuelle Events
Zugegeben, ich bin deutlich ernüchtert. Ohne Vor-Ort-Events fehlt mir die Begeisterung, die Inspiration und mangels Fokussierung tatsächlich oft auch das Learning. Die gesamte Veranstaltungs- und Messe-Branche erlebt einen nie dagewesenen Umbruch. Aber selbst bei bestmöglicher und professioneller Umstellung auf virtuelle Formate, bleibt das Gefühl am Ende ein anderes. Wir sitzen noch immer (alleine) im Homeoffice, starren auf unsere Bildschirme und müssen irgendwie damit klarkommen, dass es vermutlich auch in den kommenden Monaten keinerlei inspirierende Vor-Ort-Veranstaltungen in größerem Rahmen geben wird.
Das vermeintliche „new normal“ mit Blick auf Messen und Groß-Veranstaltungen gefällt mir in Summe nicht wirklich. Ebenso geht es übrigens auch Inge Pirner, Vizepräsidentin des VDR. Sie spricht sich in einer „Brandrede“ für mehr Dienstreisen aus. – Denn auf Dauer verlieren wir hier deutlich an Kontakt-Qualität und Vertrauen.
Dabei könnten wir aus der Corona-Krise in Summe eine Vielzahl positiver Entwicklungen mitnehmen, wie ich kürzlich im Rahmen eines Zukunftsbilds nach Corona skizziert habe. Aber mit Blick auf virtuelle Messen und Veranstaltungen fühlt es sich für mich gerade alles irgendwie recht schal an.
Die Kernbotschaft: Kein pauschales Zurück zu analog – aber mehr Selektion
Mein treuen Leserinnen und Leser wissen, dass es mir hier nicht um subjektives Jammer geht. Um die Kernbotschaft vielleicht trotzdem nochmal herauszustellen: Es geht mir nicht um die Kritik an einer einzelnen Veranstaltung. Denn bei Vor-Ort-Veranstaltungen war die Gefahr einer „Fehlinvestition“ sogar deutlich höher. Wir werden zukünftig aber viel mehr über Qualität und das richtige Format sprechen müssen als bisher. Das geht eng einher mit der Beantwortung einer sehr selbstkritischen Frage.
Diese lautet: Braucht es meine liebgewonnene Veranstaltung eigentlich überhaupt noch?
18 Antworten
Hi Stefan,
danke Dir, genau aus diesem Grund gibt es bei meinem Event, dem HR Hackathon, keine „klassischen“ Vorträge, sondern Teaser und „Appetizer“, um die Teilnehmer thematisch vorzubereiten.
Zudem ist das Event ein Working Event, bei dem über virtuelle Teamarbeit handfeste HR Lösungen entstehen.
Ist mal was Anderes 😉
Viele Grüße aus Strasbourg, Eva
Sehr schönes Konzept, Dein HR-Hackathon, liebe Eva.
Wer sich darüber informieren oder gar anmelden möchte, kann das hier tun: https://persoblogger.de/veranstaltung/4-hr-hackathon-online-event
Euch viel Erfolg und bleibt gesund – drüben in Frankreich!
Auch wenn ich in Sachen New Work teils eine etwas andere, vielleicht weniger „radikalere“, Sicht der Dinge habe, als die, die Sie verschiedentlich aufgeschrieben haben, gebe ich Ihnen natürlich völlig recht: Home Office ist nicht New Work per se, sondern nur ein Teilaspekt dessen. Gleichzeitig gehört zu dem Gesamtkomplex aus meiner Sicht aber eben auch das Thema Online-Veranstaltungen. Ein Thema, dass Sie im aktuellen Newsletter als persönlich ernüchternd einschätzen. Ich kann das grundsätzlich verstehen. Virtualität kann das persönliche Miteinander in der physischen Welt, die dadurch entstehenden Dynamiken und Beziehungen, nicht ersetzen. Echt ist letztlich das, was „echt“ ist 🙂
Während ich selbst Online-Messen meide, weil ich das ähnlich sehe wie Sie und außerdem auch nach wie vor ein Freund von Präsenzworkshops bin, ziehe ich aus den Erfahrungen der letzten Monate jedoch durchaus auch eine andere Lehre. Wir, im Bereich Organisations- und Führungskräfteentwicklung, waren ja auch ganz schön gebeutelt von den Restriktionen und blicken durchaus auch sorgenvoll auf die aktuellen Infektionszahlen. Mein Eindruck ist aber, dass die Unternehmen durchaus gelernt haben. Während wir noch in der ersten Jahreshilfe eher auf Ablehnung mit digitalen Formaten gestoßen sind, ändert sich das gerade.
Ich finde es zwar sehr ernüchternd, was ich mit Blick auf den Stand der Digitalisierung bisher erlebt habe und welches Führungsverständnis sich gerade in dieser Situation deutlich zeigt, dennoch freut es mich, dass sich inzwischen eine gewisse Offenheit für einen „digital-präsenten Mix“ zeigt.
Online-Formate unter Einsatz guter Kollaborationstools sind für bestimmte Zwecke aus meiner Sicht sehr nützlich und können viel Spaß machen. Wir haben für uns zum Beispiel festgelegt, dass wir mit maximal sechs bis acht Leuten digital arbeiten möchten und ein digitales Format vier Stunden nicht überschreiten darf. Lieber sogar etwas weniger Zeit und dafür mehr Sessions. Dann aber funktioniert es erstaunlich gut.
Hinzu kommt vielleicht noch, dass ich den größten Erfolg einer digitalen Zusammenarbeit dann erlebe, wenn sich die Runde, die sich virtuell trifft, schon einmal live getroffen hat. Das hat mich letztlich zu dem Schluss gebracht, dass digitale Formate vor allem für Reviews, kurze Arbeitsschrittentwicklungen, quasi also Kurzworkshops ganz gut geeignet sind.
Letztlich ist es vielleicht auch so, dass wir uns alle erst „gewöhnen“ müssen. Der Mensch ist ein anderes Arbeiten gewohnt und es braucht Zeit, neue Verhaltensweisen, Sichtweisen und Techniken zu erlernen. Umso wichtiger ist es meiner Meinung nach, dass Unternehmen das soziale Miteinander von Teams fördern und dafür sorgen, dass sich Menschen eben auch in Präsenz treffen können, wenn die Situation es zulässt. Sollten wir die Pandemie einst eingefangen haben, wird sicherlich eben nicht alles wieder auf den Stand Januar 2020 zurückgesetzt werden können. Vielleicht braucht es vor diesem Hintergrund sogar im Besonderen die Förderung sozialer Kompetenzen im Führungskräftebereich, aber eben auch auf Teamebene. Was selbstverständlich auch schon vor der Krise wichtig war, nur nach meiner Erfahrung leider allzu häufig wenig Beachtung erfahren hat. Mit entsprechenden Konsequenzen.
Meine bottom line wäre also: Ja, Großevents und Massenveranstaltungen wie Messen machen online auch aus meiner Sicht wenig Sinn. Bestimmte digitale Arbeitsformate aber helfen bei der Weiterentwicklung selbstbestimmter Arbeit. Was hier nur auch wichtig ist: Für Produktionsmitarbeiter etwa kommt so etwas nicht in Frage. Auch wenn wir in eine zunehmend automatisierte Welt steuern, braucht es gute Lösungen auch für Menschen, die an den Linien stehen. Sie haben ebenfalls Bedürfnisse und Wünsche, die aktuell, wie ich finde, viel zu wenig beleuchtet werden.
Soweit zu meinen two cents 🙂 Vielen Dank für Ihre wundervolle Arbeit!
Liebe Grüße
Martin Wilbers
Lieber Martin Wilbers,
ganz herzlichen Dank für Ihre doch so ausführlichen Gedanken zu meinem Beitrag.
Sie haben vollkommen Recht, dass wir hier alle noch am Lernen sind. Oder wie die Messe Zukunft Personal das nennt: „Living in permanent beta“. Mit Blick auf die auch von Christian Kaiser vorangetragenen kollaborativen Online-Dialog-Formate der DATEV bin ich auch anderer Ansicht. Hier kommen wir tatsächlich große Schritte voran. Nur fehlen in der Ganzheitlichkeit vermutlich noch einige Bausteine, die eben jenes zwischenmenschliche Erleben irgendwie kompensieren oder anders darstellen.
Viele Grüße aus Nürnberg
Stefan Scheller
Hallo Stefan,
vielen Dank für Deinen Artikel. Als ich die Überschrift las, war ich neugierig, wie kritisch Du reingehst und war sehr positiv überrascht. Es spiegelt meine Meinung zu der inflationären Fülle an diesen Events wider. Wer möchte, kann sich jeden Tag von früh bis spät berieseln lassen.
Einen Punkt möchte ich noch herausstreichen: Üblicherweise sind die Events für die Besucher kostenfrei. Sind HRler bereit, für Content auch nur einen symbolischen Preis zu bezahlen – sagen wir mal 5 EUR pro Vortrag? Kann es kostenfreien Content überhaupt geben, wenn er wertvoll ist? Üblicherweise wird das über Sponsoren bezahlt, die sich wiederum etwas vom Event erwarten. In dem Fall sind das Leads und Interessenten. Angesichts der zahlreichen Online-Events scheint das Interesse an vertrieblichen Aktionen an den Ständen oft überschaubar zu sein, zumindest wird mir das innerhalb unserer Branche oft berichtet. Insofern bin ich gespannt, in welche Richtung die Reise mit diesen Events geht.
Viele Grüße
Florian
Hallo Florian,
eine Bezahlung nach der Menge an konsumierten Vorträgen. Auch ein spannender Ansatz. Wobei natürlich genau solches Micro-Payment vermieden bzw. durch Sponsoren-Einbindung verhindert werden soll. Vielleicht hilft auch eine Art „Schutzgebühr“, wobei das Wort schon extrem grausam ist.
Wir werden sehen, was die Zukunft der HR-Groß-Events noch bringen mag.
Danke für Dein Statement dazu.
Viele Grüße
Stefan
Hallo Stefan,
guter und (leider) sehr treffender Artikel. Die virtuellen Formate können reale Events nicht ersetzen und gerade die Flut an Formaten und die Überschneidungen machen es nicht besser. Insbesondere als Startup haben wir dieses Jahr die Messen vermisst, denn es war eine gute Möglichkeit mit potenziellen Kunden in Kontakt zu treten. Hier mussten wir unseren Vertriebsprozess kurzerhand vollständig umkrempeln. Ich wünsche mir sehr, dass die alle gut durch die Corona-Krise kommen und die Veranstaltungen vielleicht im nächsten Jahr wieder stattfinden können. Gerade der persönliche und direkte Austausch sowie das Netzwerken sind so wichtig. Aber aktuell muss man halt das beste aus der Situation machen.
Deinem Wunsch schließe ich mich gerne an, Thorsten. Und für Euch als Startup weiterhin alles Gute!
Lieber Stefan,
vielen Dank für deine Gedanken. Du sprichst mir zu 100% aus meiner externen HR-Seele.
Im Mai/Juni fühlte ich mich regelrecht von einem Remote-Tsunamie überrollt. Einige Anbieter haben im Tagesrhythmus so sehr genervt, dass ich sie geblockt habe. Wir sollten uns im klaren sein, dass die vielen „kostenfreien“ Online-Meetings nicht wirklich kostenfrei sind, wir zahlen mit der Währung „Kontaktdaten“ und letztlich sind es zu etwa 80 % Werbeveranstaltungen. Über XING bin ich in einigen „Agil- undProjektarbeitsgruppen“, wo wirklich sehr wertvolle Inhalte online und, wenn möglich, auch per Präsenz, präsentiert werden.
Sicherlich haben Remote-Meetings ihre positiven Seiten, aber eben auch ihre klaren Grenzen, die Du ja auch beschrieben hast. Nämlich spätestens dort, wo es um Entwicklungsprozesse, z. B. im Team, geht, um Interaktion zwischen den Teammitgliedern, Aufgreifen des Hosts/Moderators von Atmosphäre der Gruppe und Empathie.
Jede Methode/Technik ist kein Selbstzweck, sondern immer Mittel zum Zweck. Insofern arbeiten wir verstärkt mit Hybridmodelle, was bei verschiedenen Konzepten eine sinnvolle Lösung sein kann.
Herzliche Grüße, Peter
Danke an Dich, Peter, für das ergänzende Input. Dort wo (Klein)Gruppen echten Mehrwert liefern, ist der Lerneffekt vermutlich am größten.
Seien wir mal gespannt, wie die hybride Welt uns zukünftig vielleicht auch noch die fehlenden Puzzelstücke zu einem ganzheitlich befriedigenden und stimulierenden Erlebnis liefern kann.
Herzliche Grüße aus der Lebkuchenstadt
Stefan
Hallo Stefan,
ich kann deinen Artikel absolut nachvollziehen. Ich glaube auch, dass wir mittlerweile viel zu viel von diesen virtuellen und meistens doch sehr anonymen Veranstaltungen haben. Ich habe mir die HR Week auch angeschaut und mir ist dabei aufgefallen:
Zur Technik
Ja, die Technik war mehr als bescheiden. Geschlossene bzw. überfüllte Räume (ohne Hinweis), nicht lesbare Unterlagen (und ich habe einen großen Bildschirm) und nicht selten Abbrüche. Ehrlich gesagt ist mir das schon etwas rätselhaft, da 100-200 Teilnehmer heutzutage keine große Hürde darstellen dürften.
Die Vorträge
Manchmal habe ich das Gefühl, dass Vortragende – wenn sie vor dem PC sitzen – das Ganze nicht mehr so ernst nehmen. Schlechte Rhetorik (bei manchen wurde das Wort „äh“ häufiger benutzt als alles andere), schlechte Vorbereitung, langweilige Folien etc. Das kann man auch etwas spannender gestalten
Die Aussteller
Durch das Format war im Prinzip – außer bei der Farbgebung – jeder Stand gleich. Wo bleibt die schnelle Kernaussage, damit ich mich weiter mit dem Anbieter beschäftige. Im Prinzip musste man sich überall erst durch die ganzen Videos, etc. durch“klicken“
Die Referenten
Es sind leider immer nur die gleichen (die auch auf den anderen Veranstaltungen auftreten). Ich hatte das Gefühl, das die ganze Woche von einer Hand voll Referenten gestaltet wurde
Alles in allem war hatte ich auch das Gefühl, das eine Großteil der Teilnehmer Berater und Dienstleister waren – und das ist eigentlich (zumindest aus meiner Sicht) nicht Sinn einer Messe. Aber her hat sich speziell die Zukunft Personal in den letzten Jahren ja sowieso immer mehr von der Messe abgewandt und ist zu einer reinen Vortragsshow geworden.
Meine Meinung 😉
Thomas
Hallo Thomas,
vielen Dank für Deine ganz persönlichen Einblicke.
Ich kann diese als Messebeirat ja direkt mitnehmen, sollten sie nicht bereits aufgrund der öffentlichen Wirkung hier direkt angekommen sein.
Herzliche Grüße aus dem wettertechnisch heute sehr trüben Nürnberg
Stefan
Lieber Stefan,
danke für diesen Artikel, dessen Inhalten ich größtenteils zustimmen kann. Trotzdem möchte ich einen für mich positiven Punkt der ganzen digitalen Angebote herausstellen: die virtuellen, und v.a. kostengünstigen(!), Formate gaben mir dieses Jahr die Möglichkeit, mich weiterzubilden und mein professionelles Wissen zu erweitern und auch ein paar Netzwerke aufzubauen. Da mein Arbeitgeber Weiterbildung nicht unterstützt, blieb mir diese Möglichkeit bisher verwehrt, da schlicht und ergreifend privat zu teuer. Gerade für HR-Mitarbeiter in konservativen Unternehmen, und damit auch die HR-Branche insgesamt, kann die starke Digitalisierung der Angebote also auch zu einer stärkeren Wissensverbreitung und Professionalisierung von HR führen. Also bitte Teile davon beibehalten!
Liebe Michaela,
ganz herzlichen Dank für Deine sehr wichtige Ergänzung.
Das geht mir auch so. Seit ich im Homeoffice bin, hatte ich die Möglichkeit deutlich schneller und leichter an solchen „Fortbildungen“ oder auch interaktiven Lernformaten meines eigenen Arbeitgebers teilzunehmen als vorher bei Präsenzveranstaltungen.
Ich möchte die Kostenlos-Kultur ja auch nicht komplett verteufeln, weil sie mit Blick auf die erzielbaren Effekte eine große Berechtigung hat. Und hey, ich selbst sehe mich ja auch als jemanden, der wertvollen (das hoffe ich zumindest) Content bereit stellt for free. Vermutlich macht es wie immer die gesunde Mischung.
Viele Grüße zum Wochenstart
Stefan
Hallo Stefan,
der Artikel ist interessant, aber leider viel zu lang. Ich bin nach ein paar Minuten lesen „ausgestiegen“… In dem Zusammenhang fiel mir die Geschichte von einem Personalcoach zum Thema ‚Elevator Pitch‘ ein…Kurz, informativ, zum Ziel führend – nur mal so zur Info ?️? VG
Hallo Nadine,
danke für Dein Feedback. Ist angekommen. Das mit dem Elevator Pitch kenne ich. Nur will ich hier ja nichts verkaufen. Ich biete meine Meinung an. Und mein Konzept ist eher ein umfassend Ganzheitliches als die mittlerweile übliche „Snack-Verpackung“ mit 5-Tipps-SEO-Content. Mir ist bewusst, dass ich hier bei gewissen Zielgruppen möglicherweise nicht „punkten“ kann. Damit muss ich leben. Trotzdem wertschätze ich Deinen Hinweis – denn da ist viel dran, siehe tl;dr 😉
Starte gut in die neue Arbeitswoche
Stefan
Hallo Stefan,
das ist für mich und ganz persönlich sowie beruflich gesehen, einer deiner besten Artikel zum Thema New Work, New Time und Digitalisierung.
Ohne den Text jetzt per Suchfunktion oder Analysetool angeschaut zu haben ist mir aufgefallen, wie selten der Begriff „Mensch“ darin vorkommt. 😉
Dein Artikel zeigt aufs Beste, dass eine direkte und eher traditionelle Kommunikation auf keinen Fall einfach nur durchdigitalisiert werden kann.
Es zeigt sich auch das übliche betriebswirtschaftliche Muster, dass man Events immer schön nachholen will und das damit zwangsläufig der ganze Kram in einer kürzeren Zeit hineingepresst wird. Das kann automatisch nur zu Informations- und Reizüberflutung führen. 😉
Es ist wie im Recruiting. Man möchte die richtigen Kandidaten, zur richtigen Zeit und in richtiger Anzahl gerne gewinnen. Wenn sich hier aber Ungleichgewichte aufbauen, kommen die meisten Menschen und zwar auf beiden Seiten völlig ins Rödeln.
Ich finde es mega spannend, dass dein Artikel hiermit also auch in der Digisphäre die praktischen und menschlichen Auswirkungen der aktuellen Corona-Pandemie aufzeigt.
Der Mensch ist kein Computer, kein Roboter und kein gottähnliches Wesen. Wir sollten dringend wieder erkennen und erlernen, dass manchmal ein Telefonat zwischen zwei Menschen eine hocheffektive Lösung sein kann. Die Kunst liegt in der Entscheidung, dem Handeln und nicht in der totalen Auswahl und dessen angeblicher Gelegenheiten (oder auf Vertriebsenglisch gerne Opportunities genannt). 🙂
Vielen Dank Marc für Dein Feedback.
Hm, der beste Beitrag. Da muss ich ja fast nochmal kritisch über die anderen drüber gehen. 🙂
Aber mal im Ernst: Du hast natürlich Recht. Wir sollten die Digitalisierung immer im Lichte der Menschen gestalten. Für sie, um sie herum bzw. mit ihnen im Zentrum (Stichwort: Humanzentrierung). Die Formate heute sind ja auch eine Art Form des von der Messe Zukunft Personal proklamierten „Living in permanent beta“. Die Zeit bringt hier wahrscheinlich auch noch mehr Erfahrung.
Einen guten Start in die Woche wünsche ich
Stefan