Die Wirtschaftslage in Deutschland 2024 beeinflusst den Recruitingmarkt stark durch Inflation und Fachkräftemangel. Unternehmen überdenken ihre Prozesse angesichts neuer Dynamiken und veränderter Prioritäten von Bewerbenden. Trotzdem verlieren HR-Verantwortliche manchmal den Überblick auf der Suche nach den perfekten Kandidat:innen inmitten des raschen Wandels der Arbeitswelt. Tobias Ganz analysiert die Ergebnisse.
Klarheit im Recruiting-Dschungel
Die von Monster in Auftrag gegebene Studie verfolgt das Ziel, Klarheit im Recruiting-Dschungel zu schaffen und liefert spannende Kennzahlen zu aktuellen Entwicklungen. Das beauftragte Marktforschungsunternehmen Dynata hat die Umfrage in zwei Zielgruppen durchgeführt. Neben 504 Angestellten und Kandidati:innen wurden auf der Arbeitgeberseite 401 Teilnehmer:innen, die in der Talentakquise, im HR-Bereich und/oder in der Recruiting-Branche befragt. Die Erhebung der Daten erfolgte im Zeitraum vom 1. November bis zum 10. November 2023.
Inhaltlich fokussiert sich der Report auf den Einfluss der aktuellen Wirtschaftslage auf das Recruiting und die damit einhergehende Talentgewinnung in Unternehmen. Ergänzend werden Kennzahlen zu erfolgsversprechenden Benefits geliefert. Abschließend erfolgt eine Einschätzung der Zielgruppe im Hinblick auf Nutzung von künstlicher Intelligenz im Recruiting und die Darstellung allgemeiner Insights aus dem Alltag der Mitarbeitergewinnung.
Meine kuratierten Highlights des Reports:
Wirtschaftslage beeinflusst Erwartungshaltung von Bewerbenden
Die gestiegenen Lebenshaltungskosten im letzten Jahr beeinflussen die Gehaltsvorstellungen der Bewerber:innen und die Recruiting-Ausgaben der Unternehmen deutlich. Fast die Hälfte der Arbeitnehmer verlangt höhere Gehälter, hauptsächlich aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten.
Trotzdem erwarten über die Hälfte der Recruiter:innen eine weitere Erhöhung des Recruiting-Budgets für 2024. Eine überwältigende Mehrheit von 78% plant trotz der angespannten Wirtschaftslage, weiterhin Personal einzustellen, wobei 22 Prozent sogar eine Erhöhung des Recruiting-Budgets planen. Lediglich 9% der befragten Unternehmen wollen ihre Einstellungsaktivitäten pausieren.
Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter weiterhin große Herausforderung
Der anhaltende Fachkräftemangel in Deutschland bleibt eine Herausforderung für Unternehmen und Arbeitnehmende. 47% der befragten Arbeitgeber gaben an, dass sie immer noch nicht genügend qualifizierte Bewerber für offene Stellen finden können. Dies führt dazu, dass bestehende Mitarbeitende zusätzliche Verantwortlichkeiten übernehmen müssen, was bei 56% der Befragten zu einer Zunahme der Arbeitsbelastung führt.
Als Folge davon fühlen sich 71% der Personen, die 2023 einen Personalmangel erlebt haben, ausgebrannter als im Vorjahr, insbesondere die Generation Z und Millennials.
Um qualifizierte Kandidat:innen zu gewinnen, planen Unternehmen im Jahr 2024, neue Standards zu setzen. 50% der Arbeitgeber erwägen Gehaltserhöhungen, 41% wollen die Benefits verbessern, und 39% streben flexiblere Arbeitsplatzmodelle an, einschließlich hybrider oder Remote-Arbeitsoptionen. Die attraktivsten Leistungen für Arbeitnehmer sind Gehaltserhöhungen, eine 4-Tage-Woche ohne Gehaltseinbußen mehr Flexibilität beim Arbeitsort und eine verbesserte Work-Life-Balance.
Flexible Ausgestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort gewinnt an Priorität
Hybride Arbeitsumgebungen sind mittlerweile fest in unserer Arbeitswelt verankert, und Arbeitgeber reagieren darauf, indem sie flexiblere Arbeitsplatzoptionen anbieten. Die Hälfte der befragten Recruiter:innen plant, interne Richtlinien zur Remote-Arbeit im neuen Jahr zu verbessern. Flexibilität beim Arbeitsort ermöglicht es Mitarbeitenden, ihre Produktivität zu optimieren, wobei 33% im Büro, 37% zu Hause und 29% in einem Hybridmodell am besten arbeiten.
Angesichts dessen würden 61% der Befragten sich nicht auf eine Stelle bewerben, die drei oder mehr verpflichtende Bürotage pro Woche vorsieht.
Der Einfluss von KI auf das Recruiting
KI-Tools wie ChatGPT oder Bard sind seit 2023 weit verbreitet und haben auch im Recruiting an Bedeutung gewonnen. 17% der Befragten erwarten, dass sich ihre Recruiting-Strategien durch den verstärkten Einsatz von KI oder ähnlicher Technologie im Jahr 2024 verändern werden. Dies wirkt sich besonders positiv auf die Beziehung zwischen Kandidat:innen und Recruitern aus, da 36% der Befragten angeben, dass KI es ihnen ermöglicht, mehr Zeit für zwischenmenschliche Kontakte bei der Personalbeschaffung zu nutzen.
Allerdings sind nicht alle Arbeitgeber von der Verwendung von Künstlicher Intelligenz überzeugt. 26% der Befragten befürchten, dass es ihnen schwerer fallen wird, bei der Personalbeschaffung mit KI und anderen technologischen Fortschritten Schritt zu halten.
Ein Blick in die Glaskugel
Trotz Herausforderungen bietet die Zukunft des Arbeitsmarktes gute Aussichten für qualifizierte Arbeitnehmende und solche, die bereit sind sich weiterzubilden. Soft Skills werden immer wichtiger, was den Quereinstieg in verschiedene Branchen erleichtert. Arbeitgeber müssen sich jedoch den bereits bekannten und anhaltenden Herausforderungen wie dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel stellen. Erfolgreiches Recruiting hängt daher davon ab, wie schnell und effizient sich Unternehmen an die Marktanforderungen anpassen können.
Im Hinblick auf den „War for Talents“ erkennen viele Arbeitgeber die Bedeutung der Mitarbeiterbindung und rüsten sich mit attraktiven Benefits, Gehaltsanpassungen und flexibleren Arbeitsbedingungen. Wer nicht mitzieht, droht zurückzufallen. Die Rekrutierung von Spitzenkräften wird noch wichtiger als die Ansprache geeigneter Kandidaten. Angesichts gestiegener Herausforderungen und schrumpfender Bewerberpools wird effizientes Recruiting immer wichtiger, wobei der Umgang mit neuer Technologie entscheidend ist. Unternehmen sollten daher ihre Mitarbeiter rechtzeitig – besonders mit Blick auf den Einsatz von KI-Technologie – entsprechend schulen.
HR im Allgemeinen, aber auch speziell Recruiter:innen sind gefordert. Die Fähigkeit sich schnell auf wirtschaftliche, gesellschaftliche und technologische Veränderungen einzustellen, zeichnet sich als potenzieller Erfolgsfaktor für die Zukunft ab.