Sich bei der Arbeit am Schreibtisch von einem digitalen Helfer permanent abtasten lassen? Klingt aus dem Kontext gerissen furchtbar. Allerdings habe ich das Gerät „Isa“ des Startups Deep Care selbst getestet und meine ergonomische Haltung deutlich verbessert – zusätzlich zu wertvollen Gesundheitstipps. Was es damit auf sich hat, verrät uns Deep Care Co-Founder Simon Fiechtner im Startup-Interview.
Was bietet die Deep Care?
Hallo Simon, magst Du Dich und Euer Startup Deep Care bitte kurz vorstellen?
Hi Stefan, sehr gerne! 2020 gegründet, sind wir heute ein 20-köpfiges interdisziplinäres Team aus den Bereichen KI, UI/UX und Gesundheitswissenschaften mit Sitz in Ludwigsburg. Unser initialer Antrieb als 5-köpfiges Gründerteam war, dass wir bei Bosch und Tesla trotz hervorragender Arbeitsbedingungen dennoch alle bei der Physio gelandet sind.
Daraufhin haben wir uns damit auseinandergesetzt, welcher große Schaden durch den Bewegungsmangel in unserer Gesellschaft entsteht, wie wichtig es für gesunde Unternehmen ist, dass ihre Mitarbeitenden ein ausreichendes Maß an Ergonomie und Bewegung in die täglich vielen wertvollen Stunden am Schreibtisch integrieren und leider auch wie wenig wirkungsvoll und nachhaltig die allermeisten bisherigen BGM-Maßnahmen dahingehend sind.
Welche Herausforderungen löst Ihr mit Eurem Angebot?
Wir ermöglichen Menschen, welche täglich viele Stunden am Schreibtisch verbringen, ganz nebenbei gezielte Bewegung und Ergonomie in ihren Arbeitsalltag einfließen zu lassen. Damit sich dies nachhaltig bei den Menschen verfestigt und zu gesunden Gewohnheiten wird, arbeiten wir mit datenschutzkonformer Sensorik und KI-basiertem Coaching. Somit wird den Nutzern über mehrere Wochen hinweg ihr tatsächliches Verhalten reflektiert und sie werden mit live-Bio-Feedback individuell zu gesünderen Gewohnheiten angeleitet.
Digitaler Assistent für gesundes Arbeiten
Im digitalen Zeitalter haben wir ständig Bildschirme und Displays um uns. Warum einen weiteren?
Isa unterscheidet sich wesentlich von anderen Bildschirmen:
Isa dient ausschließlich der Gesundheitsförderung, bietet personalisierte Empfehlungen und schärft das Bewusstsein für ergonomische Arbeitsgewohnheiten. Es werden ansonsten keine ablenkenden Inhalte an die Nutzer herangetragen, was Isa grundlegend vom Smartphone unterscheidet.
Durch den separaten Bildschirm, der physisch präsent ist, kann Isa auf diskrete aber höchst wirkungsvolle weise direkte und sehr niederschwellige Hinweise geben, ohne die Arbeit am Hauptbildschirm zu stören.
Als Plug-and-Play-Gerät lässt sich Isa leicht in den Arbeitsplatz integrieren, und bedarf keiner Integration in die Unternehmens IT.
Der zusätzliche ISA-Bildschirm dient somit der spezifischen Verbesserung der Arbeitsbedingungen, ohne die digitale Belastung zu erhöhen.
Wie spielt Euer Gerät mit z.B. Smart Watches zusammen, die ja auch Körperfunktionen messen?
Eine potenzielle zukünftige Kopplung zwischen Isa und Smartwatches birgt großes Potential zur ganzheitlichen Gesundheitsunterstützung über die reine Schreibtischarbeitszeit hinaus. Eine solche Verbindung steht noch aus und würde zukünftig neue Möglichkeiten zur Förderung eines gesunden Lebensstils eröffnen.
Privacy und Datenschutz
Den ganzen Tag von einem digitalen Tool beobachtet und ggf. korrigiert zu werden, baut für manche Menschen zusätzlich Stress und Druck auf. Hinzu kommen Bedenken in Richtung Privacy oder Datenschutz. Wie geht Ihr damit um?
Ein stringenter Datenschutz, der strengsten Unternehmensstandards entspricht ist Kern unserer Arbeit. Unser Datenschutzkonzept haben wir zudem mit renommierten Einrichtungen wie dem Fraunhofer IOSB und dem FZI konzipiert. Zusammengefasst hier 3 Hauptelemente unseres Datenschutzkonzeptes:
ISA arbeitet offline. Die abstrakte Silhouette, welche durch den Infrarot-Sensor von den anonymen Nutzern entsteht, kann nicht zur Identifizierung von Personen genutzt werden. Und Nutzer können selbst festlegen, wie lange Ihr anonymes Verhaltensprofil auf ISA gespeichert werden soll und dieses jederzeit manuell löschen.
Diese Ansätze zielen darauf ab, Bedenken hinsichtlich Stress, Druck und Privatsphäre effektiv zu adressieren, indem Isa den Nutzern maximale Autonomie und Schutz bieten.
Zusätzliche Ablenkung von der Arbeit?
Das Gerät gibt neben Instant Feedback zur Sitzhaltung oder der (Nicht)Bewegung auch Hinweise zu möglichen Übungen und stellt Gesundheitsfragen. Lenkt das Beobachten des zusätzlichen Displays nicht auch ab?
Um die positive Wirkung auf Gesundheit und Wohlbefinden zu maximieren und dabei die Ablenkung durch das zusätzliche Display zu minimieren, spielen folgende Elemente eine Rolle:
- Intuitive und niederschwellige Hinweise: Isa bietet Feedback und Erinnerungen, die so gestaltet sind, dass sie die Arbeit möglichst wenig unterbrechen, sondern sich nahtlos in den Arbeitsablauf integrieren.
- Anpassbare Einstellungen: Nutzer können die Interaktion mit Isa an ihre Bedürfnisse anpassen, um die Balance zwischen Hilfe und Ablenkung zu optimieren.
- Wohltuende Sitzunterbrechungen: Die durch Isa vorgeschlagene Übungen und Sitzunterbrechungen fördern die mentale Erholung und körperliche Gesundheit so sehr, dass es sich für Nutzer nicht als Minderung, sondern als Stärkung Ihrer Leistungsfähigkeit anfühlt.
Die Kraft der Nachhaltigkeit
Neue Geräte entfalten ihre Wirkung häufig vor allem solange sie noch neu sind. Wie können Menschen dauerhaft an eine solche Nutzung gewöhnt werden?
Wir erleben, dass unsere Nutzer Isa sehr gerne und intensiv über viele Wochen hinweg anwenden. Dazu tragen folgende Design-Elemente bei:
- Tägliche Routinen: Die kontinuierliche Integration in den Arbeitsalltag erzeugt eine positive Gewohnheitsbildung.
- Live Bio-Feedback: Alle Hinweise, welche durch Isa erfolgen sind stets an das tatsächliche Verhalten der Nutzer gekoppelt und spiegelt dieses. Das sorgt dafür, dass sich Isa nicht „abnutzt“ sondern interessant bleibt.
- Dynamische Inhalte: Regelmäßig aktualisierte Übungen und Tipps halten das Interesse der Nutzer aufrecht.
- Positive Rückmeldungen: Das Sichtbarmachen von Fortschritten motiviert zur kontinuierlichen Nutzung.
- Einfache Bedienung: Eine intuitive und nahtlose Integration in den Arbeitsplatz fördert die Akzeptanz.
Wie sich Deep Care weiterentwickelt
Welche Planungen habt Ihr für Deep Care in 2024 sowie in den nächsten Jahren?
Isa ist erst der Anfang. Wir sehen noch ein riesiges Potential, die Menschen immer ganzheitlicher zu begleiten. Wenn wir die aktuellen Megatrends der Überalterung, des Fachkräftemangels, des steigenden Bewegungsmangels mit allen damit einhergehenden Volkskrankheiten sowie die neuen Möglichkeiten der KI zusammenfassen, leiten wir daraus geradezu einen Auftrag ab, mit unseren Möglichkeiten einen positiven Beitrag zu leisten.
Unsere aktuellen Neu- und Weiterentwicklungen zeugen davon, z.B. Isa in der betrieblichen Gesundheitsförderung, Sensibilisierung eigener Verhaltensweisen bei der Schreibtischarbeit und Training gesunder Gewohnheiten, arbeitsbegleitende Übungskurse für die Vielen, welche bereits unter Rücken- oder Nackenschmerzen leiden.
Unsere Systeme detektieren Stresssituationen für ein darauf aufbauendes Frühwarnsystem für mentale Belastungen und Burnout und helfen beim Arbeitsschutz. Außerdem unterstützen wir eine interaktive Gefährdungsbeurteilung mit sensorbasierter Wirksamkeitskontrolle für gesunde Verhältnisse im Homeoffice.
Vielen Dank für Deine Antworten, Simon. Ich habe Euer Isa-Gerät ja zwei Wochen persönlich getestet und war durchaus angetan. Vor allem in der ersten Woche habe ich tatsächlich deutlich aufrechter gesessen und mir (noch) mehr Gedanken zu Bewegung oder Im-Stehen-Arbeiten gemacht. Ein toller Impuls auf jeden Fall!
Über den Interviewten
Simon Fiechtner absolvierte eine kaufmännische Ausbildung mit anschließenden drei Jahren im HR bei Bosch. Nach seinem Studium Wirtschaftsingenieurwesen blieb er weitere sechs Jahre bei Bosch im Bereich Robotik. Er ist Mitgründer Deep Care mit dem Arbeitsschwerpunkt Kunden & Partnerschaften.
>> LinkedIn-Profil von Simon Fiechtner