Wie sind eigentlich HR- und Recruiting-Bereiche im Unternehmen strukturiert und organisiert? Dieser Frage geht die aktuelle Recruiting Strukturen Benchmark Studie 2022 von Wollmilchsau, DGFP und der THWK nach. Einblicke in ausgewählte Ergebnisse nebst Kommentierung.
Recruiting-Organisation in Deutschland – ein Benchmark
Unternehmen bauen ihre Organisation im Bereich HR sowie Recruiting recht unterschiedlich auf. Häufig ist die Herangehensweise durchaus operativ und an Prozess-Kriterien orientiert, die den -oft historisch gewachsenen- Ablauf unterstützen. Die Frage danach, wie andere Unternehmen dies handhaben, wird dabei viel zu selten gestellt.
Aber gerade ein Benchmark kann HR befähigen, sich deutlich strategischer zu positionieren. Und natürlich auch spannende Einblicke geben, wie andere Unternehmen die oftmals vergleichbaren Herausforderungen im Recruiting meistern.
Insofern freue ich mich über die aktuell vorliegende Benchmark-Befragung von Wollmilchsau, DGFP und HTWK sehr.
Befragt wurde eine Teilnehmendenzahl von n > 1.200 zu verschiedenen relevanten Fragestellungen. Ausgewählte Ergebnisse finden Sie nebst Kommentierung nachfolgend.
Wie ist Recruiting in Unternehmen organisiert?
Die Grundsatzfrage, wie Recruiting in Unternehmen organisiert wird, zeigt, dass die Mehrzahl (rund 61%) der Organisationen eine eigenständige Organisationseinheit für Recruiting nutzt. Demgegenüber stehen rund 48%, die insbesondere über HR-Generalisten Personalgewinnung betreiben.
Mit Blick auf die Vielzahl der kleinen und sehr kleinen Betriebe in Deutschland, glaube ich, dass diese Werte nur bedingt die komplette Realität abdecken. Vielmehr dürften sich bei einer Befragung zum Thema Recruiting tendenziell eher Unternehmen angesprochen fühlen, die auch explizit Recruiting betreiben, also weniger Generalisten. Das ist allerdings nur meine persönliche Vermutung.
Spannend sind dennoch die vergleichsweise geringen Prozentzahlen von Unternehmen, die ein Recruiting Outsourcing an Dritte vornehmen. Teilweise tun dies immerhin knapp 9%. Hier ist sicherlich noch viel Potential für Unternehmen wie SinnRec, die sich kürzlich in einem meiner Startup-Interviews vorgestellt haben.
Welche Zielgruppen (Hiring Cluster) sind gerade wichtig?
Recruiting und Erfolg in der Personalgewinnung ist natürlich auch zu einem großen Teil davon abhängig, welche Zielgruppen vorzugsweise gesucht werden bzw. welche Zielgruppen für das Unternehmen am wichtigsten sind. Hier unterscheidet die Studie nach Fachkräften und Azubis sowie nach Spezialisten & Experten.
Am häufigsten gesuchte Zielgruppen bei Fachkräften & Azubis
Am häufigsten gesuchte Zielgruppen bei Spezialisten & Experten
Mit großem Abstand führen auch in dieser Befragung die IT- und Softwareentwicklungs-Spezialisten.
Genutzte Organisationsmodelle Recruiting
Besonders interessant zu sehen ist die Aufstellung der HR- und Recruiting-Organisation im Unternehmen.
Je größer ein Unternehmen ist, um so stärker ausgeprägt ist eine Ausrichtung nach dem HR 3-Säulen-Modell. Umgekehrt geht die Nutzung des Personalreferenten-Modells mit Unternehmensgröße zurück. Rund 40% im Schnitt nutzen über alle Unternehmensformen hinweg Mischformen.
Was ist das 3-Säulen-Modell?
Bei diesem Modell wird zwischen Shared Service Center mit Einheiten für administrative Prozesse, HR Business Partner zur Beratung der Fachbereiche sowie den Center of Expertise bzw. Center of Excellence als Einheiten für komplexe und strategische HR-Projekte unterschieden.
Was ist das Personalreferentenmodell?
Beim klassischen Personalreferentenmodell sind die Personaler:innen generalistische Ansprechpartner für die Fachbereiche in allen Personalfragen gleichermaßen.
Ein Artikel, wie sich die Organisationsmodelle möglicherweise entwickeln werden, finden Sie hier.
Wie viele Stellen betreut ein Recruiter / eine Recruiterin?
Eine wirklich interessante Aussage trifft die Recruiting Strukturen Benchmark Studie in zur Frage, wie viele Stellen eine Person im Recruiting im Unternehmen gleichzeitig betreut.
- Dies sind 27 gleichzeitige Stellen (Median 15).
- Pro Jahr werden 62 Stellen pro Person betreut (Median 40)
Allerdings unterscheiden sich die in der Realität betreuten Stellen auch nach Mitarbeitendenzahl des Unternehmens. Interessanterweise liegt der Peak mit 58,31% bei den Unternehmen mit 2.500-4.999 Mitarbeitenden. Entweder haben die noch größeren Unternehmen entsprechend mehr personelle Kapazitäten oder nutzen anderweitige effizienzsteigernde Methoden und Tools.
Welche Recruiting-Methoden werden wie häufig genutzt?
Bei der Abfrage nach den regelmäßig genutzten Recruiting-Methoden stehen (erwartungsgemäß) die Stellenanzeigen auf Jobbörsen mit Abstand auf dem Spitzenplatz (fast 97%). Interessanterweise folgen dann Mitarbeiterempfehlungsprogramme (rund 70%) sowie Methoden der Direktansprache wie Direktvermittlung (ca. 67%) bzw. Active Sourcing (ca. 66%).
Gerade das sehr hohe Abschneiden von Active Sourcing hat mich schon nachdenklich gemacht. Wenn tatsächlich bereits rund zwei Drittel der Unternehmen auf diese Art der Ansprache setzen, dürfte dies auch ein Grund dafür sein, warum in der kürzlich von mir kommentieren Social Media Personalmarketing Studie die generelle Akzeptanz des Angesprochenwerdens via sozialer Netzwerke spürbar rückläufig ist.
Denn dann sprechen wir schon über eine Art neues „Massengeschäft“. Das ist gut für entsprechende Dienstleister, aber nur semi für die Marktteilnehmenden.
Einfluss der Organisationsstruktur auf die Recruitingmethoden
Unterscheiden sich die im Recruiting eingesetzten Methoden eigentlich je nach Organisationsstruktur? Besonders interessant finde ich, dass Organisationen mit dem klassischen Personalreferentenmodell vergleichsweise schnell zur teuren Direktvermittlung greifen. Das zeigt, dass Spezialisierung auch dazu führen kann, die Kosten pro Vakanz zu senken, indem Spezial-Knowhow aufgebaut werden kann.
Denn das Wissen um erfolgreiche Personalgewinnung wird zunehmend erfolgsentscheidend.
Welche Recruiting-Kennzahlen werden wie häufig genutzt?
Recruiting-Kennzahlen sowie KPI Recruiting werden in den meisten Unternehmen erfasst. Je nachdem welche Kennzahlen tatsächlich erhoben werden können oder benötigt werden, unterscheiden sich HR-Bereiche graduell.
Es zeigt sich, dass der Wunsch nach mehr Kennzahlen im Recruiting bzw. stärker datengetriebenem Recruiting hoch ist, aber die Realität der Umsetzung noch stark hinterherhinkt.
Die klassische Time-to-Hire wird immerhin von fast 65% der befragten Unternehmen genutzt. Bei der Kennzahl Cost-of-Vacancy, also der Kosten für das Offenbleiben einer Vakanz, tun sich die meisten Befragten noch schwer.
Studie von Wollmilchsau, DGFP und HTWK
Für die Studie arbeiteten drei Größen der HR-Welt kollaborativ zusammen. Die Wollmilchsau GmbH ist einer der bekanntesten Anbieter von datengetriebenen Recruiting-Lösung (HR-Tech). Die Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V., DGFP, gehört zu den größten Vereinigungen im HR und unterstützt mit zahlreichen praxisrelevanten Studien und Untersuchungen. Prof. Peter M. Wald mit einer Professur für Personalmanagement an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig prägt mit seinem Engagement seit vielen Jahren die Entwicklung der HR-Szene und veranstaltet den jährlich stattfindenden HR Innovation Day.