Working Out Loud - was ist das und wie kann es erfolgreich im Personalmarketing und Recruiting eingesetzt werden?

WOL – Working Out Loud im Personalmarketing und Recruiting

Zugegeben, dieser Beitrag über Working Out Loud (WOL) kommt reichlich spät. Mein eigener WOL-Circle liegt nunmehr schon viele Monate zurück. Trotzdem ist die Frage heute nicht weniger aktuell: Was kann die WOL Methode im Personalmarketing und Recruiting leisten? Grundlagen, Praxiseinblicke und Studienergebnisse.

Was ist Working Out Loud (WOL)?

Working Out Loud ist ein 12-wöchiges Selbst-Lern-Programm, bei dem Menschen in kleinen Gruppen lernen, wie sie Beziehungen zu anderen aufbauen und sinnvoll für sich persönlich oder die Arbeit nutzbar machen. Das Durchlaufen vordefinierter Übungen stärkt die Verbundenheit innerhalb des eigenen WOL-Circles und gibt Vertrauen sowie Motivationsimpulse für die Erreichung eines persönlichen Ziels, auf das die eigenen WOL-Aktivitäten ausgerichtet werden.

Nach dieser eigenen Definition, oder nennen wir es eher: Umschreibung, geht es also um den Aufbau sozialer und digitaler Kompetenzen, vor allem mit Blick auf die Nutzung von Social Media und den Aufbau eigener Sichtbarkeit. Eben jene Sichtbarkeit ist auch namensgebend – denn die eigene Arbeit wird damit sichtbar beziehungsweise kann Wirkung entfalten.

Eigentlich ganz einfach, oder?

Fünf Prinzipien von Working Out Loud

Die ursprüngliche Idee des IT-Spezialisten Bryce Williams aus 2010 war es, Wissenstransparenz zu schaffen, indem Menschen über ihre Arbeit und deren Ergebnisse offen berichten, zum Beispiel via Blogs oder auch Social Media. Sie arbeiten „laut“.

John Stepper, der als Vater der WOL-Methode gilt, hat diese Idee weiterentwickelt zur Working Out Loud Methode mit fünf Prinzipien:

  • Sichtbarkeit der eigenen Arbeit
  • Soziale Beziehungen aufbauen
  • Großzügige Beiträge für andere leisten
  • Zielgerichtet und purposeful zusammenarbeiten
  • Wachstumsorientiertes Denken (sog. Growth Mindset)

Wie funktioniert Working Out Loud? – Ein Überblick

Der WOL Circle und das individuelle Ziel

Interessierte bilden einen sogenannten WOL Circle mit 3-6 Personen im Sinne einer Peer Coaching Gruppe. Dabei hilft es, wenn die Teilnehmenden möglichst aus unterschiedlichen Fachbereichen stammen und möglichst „divers“ zusammengesetzt sind. Dadurch kann sich der Lerneffekt leicht vervielfachen. Die Gruppe verabredet sich, um zwölf Wochen lang regelmäßig jede Woche 60 Minuten eine WOL Session gemeinsam zu gestalten. Dabei steht das jeweils zu Beginn bereits in Woche null definierte persönliche und individuelle Ziel der Teilnehmenden im Fokus.

Dieses Ziel kann generell alles sein, was über zwölf Wochen hinweg schrittweise gemeinsam angegangen wird. Es bietet sich allerdings an ein bereits bestehendes Ziel, zum Beispiel auf Basis der Personalstrategie oder Recruiting-Strategie anzugehen.

Möglicherweise ist das ein Ziel wie „Ich möchte lernen, wie ich mich als RecruiterIn so platzieren kann, dass ich professionell Active Sourcing via Social Media Recruiting betreiben kann“.

Testen Sie Ihr individuelles Ziel vorab, indem Sie sich dazu einige Fragen stellen, wie beispielsweise

  • Ist mir dieses Ziel wichtig genug, um es so intensiv zu verfolgen?
  • Kann ich über den Zwölfwochen-Zeitraum Fortschritte dabei erzielen?
  • Können mir andere bei der Erreichung meines Ziels helfen?

Die 12 Working Out Loud Sessions

Nach dem vorgegebenen WOL Guide starten die am Circle Teilnehmenden dann in Vor-Ort- oder auch digitale Sessions. Dabei bearbeiten alle ihr jeweils eigenes Ziel mit Hilfe der anderen TeilnehmerInnen.

Die zwölf Wochen eines WOL Circles teilen sich inhaltlich dabei wie folgt auf:

  1. Zielformulierung und Erstellen einer Kontaktliste mit Menschen, die mit dem eigenen Ziel in Verbindung stehen
  2. Erste Kontaktaufnahmen und Angebote von eigenen Beiträgen für andere
  3. Kleine Schritte machen und bestehende Netzwerke nutzen
  4. Aufmerksamkeit erzeugen durch Nutzen Stiften
  5. 50 sehr persönliche Fakten austauschen
  6. Sichtbarkeit via Social Media aufbauen
  7. Zwischenbilanz und Nachjustieren
  8. Gewohnheiten stärken
  9. Wissensquellen mit Top Ressourcen für die Zielerreichung
  10. Systematik etablieren
  11. Ganzheitliches Denken und Vervielfältigen der Möglichkeiten
  12. Reflektieren und Feiern

Alle Sessions sowie deren Aufgaben und Übungen sind definiert in den WOL Circle Guides von John Stepper. Bitte beachten Sie, dass seit der Version 6.0 die Nutzungsbedingungen angepasst und verschärft wurden. So dürfen die kostenfrei erhältlichen Dokumente für die jeweiligen Wochen nur für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch verwendet und nicht modifiziert werden.

Was Working Out Loud im Personalmarketing und Recruiting leisten kann

Möglicherweise stellen Sie sich jetzt die Frage, was genau die WOL Methode für Sie im HR-Bereich oder konkret im Personalmarketing und Recruiting leisten kann. Daher möchte ich Ihnen im Folgenden zumindest fünf explizite Ideen-Impulse dazu geben. Ergänzen Sie gerne weitere Punkte in den Kommentaren unter dem Artikel.

Personalmarketing und Recruiting als Netzwerk-Aufgabe

In vielen Unternehmen wird HR noch immer als reiner interner Dienstleister gesehen. Für das Recruiting bedeutet das oft, dass Ad-hoc-Aufträge „über den Zaun geworfen werden“ und die PersonalerInnen sich fortan (alleine) um die Personalgewinnung kümmern sollen. Aus meiner Sicht ein großer Fehler!

Kunde im Recruiting kann nicht ein einzelner Fachbereich sein. Denn das hätte zur Folge, dass widerstreitende Interessen (wohin ein Top-Talent vermittelt wird) zugunsten des einen oder anderen Fachbereichs entschieden werden müssen. In einer zunehmend flexibilisierten Arbeitswelt können und sollten Beschäftigte jedoch nicht einzelnen Fachbereichen (und damit häufig unternehmensinternen Silos) zugeordnet werden. Daher kann meiner Meinung nach immer nur das Unternehmen (als Gesamtorganisation) Auftraggeber sein.

Demnach sind die Führungskräfte in den Fachbereichen, englisch „Hiring Manager genannt gemeinsam mit dem Recruiting-Bereich die Auftragnehmer. Beide zusammen stehen in der Pflicht, für das Unternehmen die benötigten Talente zu gewinnen. Was auf den ersten Blick wie ein reines Wortspiel anmutet, ist in Wirklichkeit ein gewaltiger Change. Denn damit stehen Fachbereich und HR auf Augenhöhe und müssen jeweils aktiv werden. Beide sind gleichermaßen für den Erfolg und Misserfolg im Recruiting verantwortlich.

Insbesondere auf Social Media Plattformen haben vor allem die Fachbereiche den tendenziell besseren Zugang zu benötigten Zielgruppen. IT-Fach- und Führungskräfte sind in der Regel deutlich enger mit anderen IT-Fachkräften vernetzt als PersonalerInnen. Dieses Potential nutzen heute noch viel zu wenige Unternehmen.

Und um diese (neue) Informelle Zusammenarbeit und crossfunktionale Kollaboration zu fördern, kann Working Out Loud ein Ansatz sein.

Hören Sie auch meinen 15-minütigen Podcast Impuls im Gespräch mit Madeleine Kern!

Basisarbeit für Active Sourcing

Selbstverständlich gibt es weiterhin den Expertenjob „Active Sourcing“. Diese Active Sourcer (m/w/d) investieren einen Großteil ihrer Arbeitszeit in den Aufbau von Beziehungen zu potentiellen Kandidatinnen und Kandidaten. Talentrelationship Management sagt man dazu neudeutsch. Eine der Kernkompetenzen im Active Sourcing ist dabei das Hineindenken in andere.

Working Out Loud stärkt die Kompetenz zur Vernetzung und passgenauen Ansprache.

Interner Arbeitsmarkt und Recruiting im Unternehmen

Recruiting wird in Unternehmen heute noch viel zu oft rein extern gedacht. Der sogenannte „interne Arbeitsmarkt“ gerät aber vor allem durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der anhaltenden Corona-Krise immer stärker in den Fokus. Ein Mengen-Aufwuchs an Beschäftigten ist in Krisensituationen immer weniger sinnvoll (wenn nicht sogar Entlassungen oder Outplacement nötig sind).

Vielmehr beschäftigen sich Personalverantwortliche zunehmend mit den bereits im Unternehmen tätigen Personen, um auf Basis von zu definierenden strategischen Skill-Bedarfen, wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen über Weiterbildung, (Um)Qualifikation, Upskilling oder auch Karriere-Optionen zu treffen.

Working Out Loud kann die Arbeit von im Unternehmen vorhandenen Talenten sichtbar und transparenter machen. Und damit einen wertvollen Beitrag zum internen Skill- oder Talentmanagement leisten.

Working Out Loud als Booster für das Onboarding

Einen ganz besonderen Einsatzbereich findet Working Out Loud im Bereich des Onboardings. In dieser Phase des Employee Lifecycle Managements ist für neue Beschäftigte im Unternehmen besonders wichtig, schnell ein großes und schlagkräftiges Beziehungsnetzwerk aufzubauen. Gleichzeitig aber auch Wissen zu generieren und gegenseitiges Vertrauen zu stärken, mithin ein Zugehörigkeitsgefühl zu erzeugen.

Daher setzen Unternehmen Elemente aus WOL bereits erfolgreich im Onboarding ein.

Corporate Influencing und Employer Branding via WOL

Über Corporate Influencer Programme wollen Unternehmen im Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting profitieren. Dabei werden Mitarbeitende im Unternehmen befähigt, via Social Media aktiv im Sinne des Unternehmens sichtbar zu werden.

Working Out Loud ist meines Erachtens prädestiniert zur Unterstützung eines entsprechend auf Netzwerken und Nutzen-Stiften ausgelegten Corporate Influencer Programms.

Meine eigenen Erfahrungen aus einem Working Out Loud Circle

Der erste Working Out Loud Circle liegt nunmehr bereits einige Monate hinter mir. Trotzdem wirken die Ereignisse noch immer nach. Fasziniert hat mich damals insbesondere der Ansatz, Menschen, die mit meinem gesetzten Ziel in keiner Weise aktiv in Verbindung standen, in die Bearbeitung einzubinden. Denn sie haben meinen Blick erweitert und geschärft, mich in nahezu allen Sessions bereichert und inspiriert.

Zugegeben, einige der Übungen waren schon sehr „amerikanisch angehaucht“ und erzeugten bei uns im Circle eher befremdliche Gefühle. Trotzdem haben wir uns auf die meisten willig eingelassen.

Working Out Loud betrachte ich mittlerweile mehr als Toolset denn als einheitliche Methode. Im Grunde vermittelt und festigt WOL vor allem eine Denkhaltung (Mindset), das auf konsequente Vernetzung und soziale Beziehungen für erfolgreiche Zielerreichung setzt. Im Grund kam mir dieses Setting von Anfang an deutlich entgegen. Denn ich wollte spätestens mit dem Wechsel hin zum einem umfassenden HR-Portal in 2020 Persoblogger.de gemeinsam mit fachlichen Partnern aller Geschlechter weiter ausbauen, um zu einer der relevantesten Webseiten für HR im DACH-Raum zu werden (mein WOL Ziel).

Dabei hat mich unser WOL Circle stets auch zum Nachdenken gebracht, wichtiger noch: zum Innehalten und Lernen. Getreu dem Motto „Wissen ist eines der wenigen Dinge, das sich vermehrt, wenn es geteilt wird.“.

Was Working Out Loud für HR nicht leisten kann

Auch wenn meine persönlichen Erfahrungen mit WOL extrem positiv waren, so möchte ich nicht verschweigen, dass Working Out Loud auch „nur“ ein Toolset ist, um Organisationen im Rahmen der schwierigen digitalen Transformation zu unterstützen. WOL ist kein Allheilmittel.

So ist und bleibt die Methode vor allem eine Art „Graswurzelbewegung“. Sie hat keinen systematischen Einfluss auf formale Strukturen und Prozesse im Unternehmen. Auch kann sie nicht ohne weitere Unterstützung und Maßnahmen den Status von HR gegenüber dem Business generell verändern. Aber WOL kann auf die Wahrnehmung des Personalbereichs einwirken. Alleine das Transparent-Machen der Arbeit von HR mag viel Kraft entfalten und kann ein verändertes Bild erzeugen. Natürlich nur, wenn Working Out Loud stets auf Freiwilligkeit beruht. Aber das sollte hoffentlich klar geworden sein.

Working Out Loud im Unternehmen implementieren?

Um aus einer Graswurzelbewegung eine fest implementierte Methode im Unternehmen zu machen, bedarf es einiger wirkungsmächtiger Maßnahmen. Eine Untersuchung im Rahmen eines Projektseminars  an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg (FAU) bei Prof. Dr. Karl Wilbers unter dem Titel „Wie kann der Einsatz der Methode Working Out Loud in Unternehmen vorangetrieben werden?“ gibt dabei einige wertvolle Hinweise.

Die Studierenden Alina Grüner, Lisa Bedacht, Luisa Staab und Katrin Bartonik zitieren als bei ihrer Recherche gefundene Herausforderungen vor allem:

  • Im Vergleich zu den Kosten (Arbeitszeit und -ausfall) können die Ergebnisse von WOL Circlen nicht so einfach gemessen werden.
  • Häufig ist die Unternehmenskultur noch nicht von vernetztem Arbeiten geprägt und das erworbene Wissen kann in der Organisation nicht angewendet werden
  • Teilnehmende an einem WOL Circle könnten frustriert sein, wenn die Art der Zusammenarbeit im Unternehmen anschließend nicht wertgeschätzt wird

Zur Unterstützung einer Implementierung werden in der Arbeit folgende Maßnahmen genannt und vorgeschlagen:

  • WOL sofort im Onboarding-Prozess einsetzen und die Kultur von Anfang an beeinflussen
  • Aufbau eines Co-Creation Teams zur Unterstützung der Circle-Organisation
  • Einsatz von Circle-Mentoren
  • Angebot von Test-Circles und Workshops
  • Bereitstellung eines Informationsvideos auf Unternehmensplattformen, wie einem Intranet
  • Kooperationen mit anderen Unternehmen zum Thema WOL
  • Gemeinsame Circles mit Kunden
  • Schirmherrschaft durch das (Top)Management
  • WOLlies werben WOLlies
  • WOL-Fähigkeit als Voraussetzung in Stellenanzeigen
  • Ermöglichen von WOL in der regulären Arbeitszeit
  • Storytelling durch Führungskräfte und Kollegen

Einige Unternehmen, wie Bosch, Daimler oder DATEV werden in diesem Zusammenhang immer wieder zitiert als Organisationen, die Working Out Loud zu einem festen Bestandteil betrieblich organisierten Lernens gemacht haben. Es scheint also zu funktionieren.

Und, haben Sie jetzt auch Lust zu WOLlen?

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Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer (Personalmagazin 05/22) betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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