Weder beim Employer Branding noch im Rahmen einer lebensphasenorientierten Personalarbeit, werden die Potentiale von Mitarbeitern mit 50-plus in unseren Unternehmen wirklich genutzt. Völlig zu Unrecht! Unhaltbare Vorurteile wie zu teuer, zu unflexibel, „digitale Nixchecker“ dominieren immer noch allzu oft das Denken und Handeln. Mit Ihrer Arroganz blockieren Personaler unternehmerisches Potential und leisten es sich die wichtige Personengruppe, derer mit 50-plus, zu vernachlässigen oder gar zu ignorieren – Zeit umzudenken! Das findet und erläutert Gastautor Andreas Seltmann.
Von den einen begehrt für die anderen unattraktiv
Für Finanzdienstleister und Marktforscher zählen die Silver Ager (auch Best Ager, Generation 50-plus usw. genannt) zu einer ausgesprochen attraktiven Zielgruppe. Sie machen einen stetig weiter steigenden Anteil an der Bevölkerung aus und sind die zahlungskräftigste Altersgruppe überhaupt. Sie wollen nicht als alt angesehen werden und Ihr letzter Berufsabschnitt ist geprägt von weitgehender Unabhängigkeit, viel Lebenserfahrung und von relativ stabiler Gesundheit. Richtig eingesetzt ist das die Basis kraftvoll unternehmerisch wirksam zu sein. Falsch eingesetzt ist es der Vorplatz, um demotiviert Dienst nach Vorschrift zu tun und krank zu werden. Für Personaler scheinen 50-Plusser immer noch die Unattraktiven zu sein, die zu teuer, zu unflexibel und „digitale Nixchecker“ sind.
Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ist in den vergangenen Jahren die Altersgrenze bei Renteneintritt in Deutschland auf 65 Jahre gestiegen. Tendenz steigend. Das bedeutet, dass in deutschen Unternehmen viele Mitarbeiter Ü50 arbeiten. Oft sind Mitarbeiter dieser Personengruppe Führungskräfte, Schlüsselpersonen und Know-How-Träger. Ihre Bedeutung für das Unternehmen sollte dementsprechend hoch sein.
Lebensphasenorientierte Personalarbeit hört nicht bei 50-plus auf
Was ich jedoch in meinem Berateralltag immer noch sehr häufig antreffe ist, dass sich die wenigsten Unternehmen, trotz einer angeblich lebensphasenorientierten Personalarbeit, proaktiv um Ihre 50-Plusser kümmern. Es scheint einfacher, kreativer und scheinbar hipper zu sein, sich um die Ansprüche und Bedürfnisse „der Jungen“ zu kümmern. Maßnahmen, Angebote und Strategien für „die Alten“ zu entwickeln erweckt den Anschein anstrengender, unbeliebter und weniger „sexy“ zu sein. Sehr verwunderlich, ist doch der demografische Wandel mittlerweile omnipräsent in den Unternehmen zu spüren und auch die Zahlen der Alterstrukturanalysen lügen nicht. Ist es die Scheu vor der Auseinandersetzung mit Tabuthemen, mangelnder Rückhalt der Unternehmensleitung oder sind es die landläufigen Vorurteile gegenüber Ü50ern, die viele Unternehmen einen Bogen um das Thema 50-plus machen lassen?
Älterwerden im Beruf wird als Makel und nicht als Chance gesehen
Woran liegt es, dass Älterwerden im Beruf immer noch als Makel und nicht als Chance gesehen wird? Ältere Arbeitnehmer werden immer noch allzu oft mit defizitorientierten Attributen wie: verminderte Leistungsfähigkeit, langsame Auffassungsgabe oder mangelndes Engagement versehen. Unternehmerisch wirksamer und motivierender ist es, sich auf die Chancen, individuellen Fähigkeiten und Potentiale zu fokussieren. Ständig treffe ich auf 50-Plusser die Kompetenzen und Werte wie Verbindlichkeit, Verlässlichkeit, Zielstrebigkeit, Neugier und Menschenorientierung aufgrund Ihrer Lebens- und Berufserfahrung exzellent in sich vereinen. Die meisten brauchen „keine Lorbeeren“ mehr und beruflicher Aufstieg ist nicht mehr ihr oberstes Gebot.
Laut der DIA-50-plus-Studie von 2018 kann sich jeder neunte über 50-Jährige (11 %) vorstellen, sich selbständig zu machen. In der Praxis ist eine berufliche Veränderung mit 50-plus jedoch oft ein Tabuthema in den Unternehmen. Es muss ja nicht unbedingt der Schritt in die Selbstständigkeit sein. Ein interner Wechsel, um seine Kompetenzen, Motivation und Lebensfreude einzubringen, sollte auch für 50-Plusser eine Option sein. Heute ist 50-plus das neue 40!
Heute ist 50-plus das neue 40! #EmployerBranding #Diversity Share on XMotiviert, gesünder denn je und mit Tatendrang wollen die Macher und Experten mit Ü50 kraftvoll unternehmerisch wirksam sein, einfach „nochmal einen Baum pflanzen“ und etwas Sinnvolles tun. Jeder Arbeitgeber müsste doch mit Freude dieses Potential aktivieren wollen.
Employer Branding mit und für 50-plus positioniert!
Auch im Rahmen ihres Employer Brandings sind Arbeitgeber top beraten, sich mit dem Thema 50-plus zu positionieren und sich damit deutlich und nachhaltig abzuheben. Mehr denn je, lebt die Unternehmenskultur und die Arbeitgebermarke von der Vielfalt aller Menschen im Unternehmen. Dazugehören, Sich-Einbringen und ein kundenorientiertes Miteinander Aller ist der Schlüssel zum Erfolg. Wer im Wettbewerb um „besondere Mitarbeiter“ einen Schritt voraus sein will, muss ein „besonderes Unternehmen“ werden!
Dazu gehört es, im Rahmen einer lebensphasenorientierten Personalarbeit passgenaue Maßnahmen – eben auch für die Mitarbeiter mit 50-plus zu entwickeln. Angebote, die für Mitarbeiter mit 30 passend sind, sind nicht zwingend auch auf Mitarbeiter mit 50-plus geeignet. Ü50er brauchen keinen Betriebskindergarten oder eine Ferienbetreuung für Kleinkinder. Es braucht vielmehr maßgeschneiderte Angebote im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements und Orientierungsangebote für die Phase nach dem Beruf.
Wenn die Maßnahmen stehen, müssen nur noch 2 Dinge getan werden, um ein top Employer Branding am Start zu haben. Erstens: Die Führungskräfte müssen die Angebote kommunizieren und dahinterstehen. Zweitens: Interne und externe Personalmarketing Maßnahmen müssen Aufmerksamkeit erzeugen. Der Erfolg für Ihre Mitarbeiterbindung, Initiativbewerbungsquote und Image ist dann nicht mehr aufzuhalten. Versprochen.
Das Vorurteil: „Die Alten sind zu teuer“ greift viel zu kurz
Gewiss ist nicht zuletzt durch Corona der Kostendruck deutlich gestiegen und jeder Mitarbeiter muss seinen Beitrag zur Wertschöpfung leisten. Doch es sind nicht ausschließlich nur die Lohnkosten, die den Faktor Personal teuer machen. Ein junger Mitarbeiter bleibt im Schnitt deutlich kürzer im Unternehmen und die Einarbeitung in komplexe Sachverhalte kostet speziell im industriellen Umfeld viel Zeit. Die Zeitspanne, die ein Junior aktiv zur Wertschöpfung beiträgt, ist unter Umständen dementsprechend kurz.
Und wie ein Blick auf die jüngst von Gehalt.de veröffentlichte Gehaltstabelle von „Fach- und Führungskräfte im Alter von über 50 Jahren“ zeigt, sind die Ü50er nicht viel teurer wie die vermeintlichen Young Professionals.
Selbstverantwortung, Klarheit und ein vertrauensvolles Miteinander
Zwar will vielleicht der eine oder die andere so schnell wie möglich in den Ruhestand, aber sehr viele wollen eben auch einen wertvollen Beitrag leisten. Dabei gilt auch in der Lebensphase 50-plus, nicht das Prinzip „Wunschkonzert, Willkür und Bällebad“, sondern das Prinzip „Angebot, Wirtschaftlichkeit und Kompetenz“.
Das bedeutet, sich intensiv und ernsthaft mit den Kompetenzen und Fähigkeiten seiner Mitarbeiter – eben auch derer mit 50-plus – auseinanderzusetzen und deren Ideen und Vorschlägen offen gegenüberzustehen. Ziel muss es sein, die Kompetenzen, Erwartungen und Wünsche gemeinsam zu betrachten und mit den Möglichkeiten und Chancen abzugleichen. Das fördern der Selbstverantwortung des Mitarbeiters muss im Vordergrund stehen.
Dazu gilt es einen „geschützten Raum“ zu schaffen, wo Klarheit und Vertrauen entstehen kann. Der Mitarbeiter sollte in die Lage versetzt werden, eigene Klarheit zu erlangen und sich den Themen und Angeboten selbst zu stellen. Dies ist die beste Basis, eine ideale Lösung im wirtschaftlichen und persönlichen Kontext zu finden. Der Mitarbeiter hat dabei eine Vorschlags-, der Vorgesetzte eine Führungsfunktion.
Führungskräftebegleitung, um Potentiale wirklich nutzbar zu machen
Die Berufsphase 50-plus ist ein Lebensabschnitt der Abschlüsse und der Neuorientierung. Da es sich darüber hinaus um eine gesellschaftliche und unternehmerische Tabuzone handelt, brauchen nicht zuletzt Führungskräfte Begleitung, Schulung und Unterstützung.
Mitarbeitergespräche bekommen völlig neue Komponenten hinzu, wie z.B. das „Gemeinsame Gestalten des Hinauswachsens“ sowie das Gestalten der Wissenssicherung. Hierbei bedeutet Wissen nicht nur Fachwissen, sondern auch Netzwerkwissen, Branchenwissen, Kundenwissen, Führungswissen. Und davon haben Menschen mit 50-plus in der Regel eine Menge. Dieses gilt es dem Unternehmen zu erhalten, weiterzugeben oder zu dokumentieren.
Eine pro-aktive Unterstützung der obersten Führungsebene ist darüber hinaus ebenso wichtig, wie die Bereitstellung von Ressourcen für die Prozessbegleitung an geeigneter Stelle.
Klarheit ist der erste und wichtigste Schritt für eine (Neu)Orientierung
Neuorientierung kann auch bedeuten, mit 50-plus noch einmal die Abteilung, den Bereich oder den Arbeitgeber zu wechseln. Ja, vielleicht sogar sich selbstständig zu machen. Erfahrung und Expertenwissen haben Menschen in diesem Alter genug, um als „Senior Experte“ begehrt zu sein.
Sicherlich ist dieser Schritt gut zu überlegen, aber das ist er immer. Egal ob mit 30, 40 oder 50 Jahren. Im Lebens- und Berufsabschnitt 50-plus gilt es einiges mit sich selbst, mit dem Partner, der Familie und mit dem Unternehmen zu klären. Klärung ist dabei nicht nur der erste, sondern sogar der wichtigste Schritt überhaupt. Es ist der selbstverantwortliche Weg zum persönlichen Standpunkt, zur eigenen Haltung und damit zur eigenen Zukunft. Es ist die Entscheidung, was man in seinem letzten Berufsabschnitt noch leisten will und kann. Und was nicht.
Fazit zu Personalarbeit für Mitarbeiter 50-plus
Erfolgreiche Unternehmen unterstützen Ihre Mitarbeiter mit 50-plus in der Praxis selbstverantwortlich Klarheit für sich zu erlangen. Zum Beispiel durch „Orientierungsseminare“, Patenmodelle oder auch durch individuelle Coaching-Angebote.
Mitarbeiter mit 50-plus, die wissen was Sie wollen, können an der der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt, kraftvoll unternehmerisch wirksam sein und maßgeblich zum Unternehmenserfolg beitragen. Um dieses Potential und diese neue Energie zu aktivieren, braucht es Modelle, die Unterstützung der Unternehmensleitung und eine Begleitung der Führungskräfte.
Mit einem klaren Bekenntnis zu 50-plus schafft es Ihr Employer Branding sich klar zu positionieren und sich deutlich von anderen Unternehmen abzuheben.