whyapply - Bewerbung ohne Bewerbungsunterlagen

Im Recruitingprozess komplett auf Bewerbungsunterlagen verzichten? Praxistest Plattform whyapply

Der Recruitingmarkt ist in Bewegung wie selten zuvor. Neben des Übergangs von Algorithmen und Bot-Technologien in den Mainstream, liegt das vor allem an den wissenschaftlich zweifelhaften Methoden klassischer Personalauswahl auf Basis von Bewerbungsunterlagen. Das Startup whyapply will letztere jetzt komplett überflüssig machen. Zeit für einen typischen Persoblogger-Praxistest.

UPDATE: Der aktuellste Einblick zu whyapply (Stand März 2022)

Arbeitsproben statt Lebensläufe

Um Jobsuchende und Unternehmen zusammen zu bringen, lassen sich HR-Dienstleister und Plattformen immer wieder Neues einfallen. Neben dem Matching auf Basis von Lebensläufen, einer Auswahl nach Cultural Fit, der Jobvermittlung nach Fähigkeiten, setzt das Leipziger Startup whyapply auf Arbeitsproben statt Lebensläufe.

Auf Basis von Onlinetests, genannt Challenges, werden Aufgabenstellungen von Unternehmen veröffentlicht. Interessenten beantworten diese und hinterlassen einen kompetenzbezogenen Footprint. So die Ankündigung der Betreiber.

Praxistest whyapply

Der erste Eindruck der Seite von whyapply ist ansprechend. Das Logo strahlt Vertrautheit aus und erinnert mich stark an whatchado. Die Plattform empfängt mit der Botschaft, dass es sich noch um die Beta-Version handelt. Ich werde das bei meinem Test berücksichtigen, versprochen.

Startseite Recruiting-Plattform Whyapply.de

Registrierung und Anmeldung bei whyapply

Ich entscheide mich gegen eine Anmeldung via Facebook Social Media Login und für den klassischen Weg via E-Mail-Adresse. Mehr braucht es im ersten Schritt gar nicht. Die Registrierung und Anmeldung auf Whyapply ist somit schnell und ohne große Eingabe von Daten möglich. Löblich.

whyapply Registrierung

Ich bin jetzt laut Button ein „Vordenker“. Später auf der Plattform lerne ich dann noch weitere „Mitdenker“ anonym kennen, was mich amüsiert. Kann ja nicht jeder von sich behaupten heutzutage… 😉

Auswahl von Challenges anstelle von Jobs

Jetzt muss ich mich entscheiden, welche Challenges ich lösen möchte. Konkret sind das Aufgabenstellungen zu getaggten Fachthemen, wie z.B. #Marketing oder #HighTech, die das Unternehmen vorgibt. Ich nehme die Challenge zum Thema #Jobwelten an. Diese scheint etwas mit der HR-Messe Zukunft Personal zu tun zu haben, denn die klickbare Überschrift trägt diese Bezeichnung.

whyapply Übersicht challenges

Aufgabenstellung versus Job-Preview

Es geht in dieser Challenge um die Zukunft des Recruitings. Genau mein Thema! Zwei weitere Mitdenker scheinen schon Ideen eingereicht zu haben, was zur Bewältigung der Herausforderungen im Recruiting zu tun ist. Ich denke sofort an Henrik Zaborowski, finde aber keine Bestätigung, weil die Einreichungen anonym sind. Die Ideen stammen allerdings schon vom September 2017 nach den Tagen der #ZP17.

Ok, ich erinnere mich: Beta Version. Trotzdem finde ich das Input eines Mitdenkers passend und klicke auf den „gefällt mir“-Daumen.

whyapply Mitdenker-Ideen

Um meine persönlichen Gedanken zum Thema „Recruiting … quo vadis?“ ebenfalls bekannt zu machen, kopiere ich meinen kompletten Blog-Beitrag „Recruiting 4.0 – Was Recruiter lernen müssen“ in das Eingabefeld und speichere. Immerhin habe ich mir dazu schon mal intensiv Gedanken gemacht. Warum also nochmal neu formulieren? – Gleich entdecke ich den Fehler in meiner Schlussfolgerung …

Allerdings frage ich mich bereits an dieser Stelle, was die Fragestellung in der Challenge mit dem konkreten Job (welcher ist das überhaupt?) zu tun hat? Es scheint demnach in dem Job um die Gestaltung der Zukunft des Recruitings zu gehen. Ein hoher Anspruch, dem ich mich aber selbstverständlich gerne stellen werde.

Punktesystem führt zu Scoring

Jetzt fällt mir auf, dass sich die Zahlenwerte rechts oben auf dem Bildschirm verändert haben. Der Klick darauf zeigt mir, dass ich meinen Score durch die verschiedenen Aktionen bereits deutlich erhöhen konnte.

whyapply Score-Veränderung

Auch wenn mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz klar ist, wofür dieser Score am Ende benötigt wird, entdecke ich schnell, dass auch das Abonnieren weiterer Challenges und Themen meinen Score weiter wachsen lässt.

Selbstverständlich will ich weitere Challenges bestehen und schreibe daher meine, diesmal sehr kurzen und prägnanten Gedanken, in das nächste Eingabefeld. Zusätzlich setze ich den Haken bei „Interesse am Job signalisieren“, da aus meiner Sicht ein „Interesse“ noch keine formale Bewerbung sein dürfte. Ein kleines Info-Popup klärt mich aber auf:

whyapply Infotext Jobinteresse

OK, es werden also bereits Daten an das Unternehmen (welches eigentlich?) gesendet. Aber anscheinend anonym und mit meinem Footprint. Letzterer dürfte doch eigentlich ganz gut aussehen, so fleißig wie ich bereits war, oder?

Abonnierbare Unternehmensliste

Nun sehe ich mir den Menüpunkt mit den teilnehmenden Firmen an, um herauszubekommen, an wen meine Gedanken und Ideen eigentlich gehen. Da ich schon ahne, dass das Abonnieren von Firmen meinen Score wieder vorantreibt, klicke ich auf mehrere spannend klingende Unternehmen.

Es zeigt sich bereits an dieser Stelle, dass das Belohnen oder zumindest vermeintliche Belohnen von User-Engagement via Klick sehr schnell dazu verführt, Dinge zu tun, die im Rahmen einer normalen Jobsuche nutzlos und eher vom Ziel ablenkend wären. Aber wenn es doch Punkte gibt?! Das alte Payback-Syndrom kehrt zurück…

Profilangaben ausfüllen oder weitgehend anonym bleiben?

Nun sehe ich mir den Menüpunkt „Profil“ genauer an. Immerhin will ich wissen, wie die Plattform mich profiliert und was sie jetzt schon über mich weiß oder glaubt zu wissen. Bei den erscheinenden Eingabefeldern herrscht noch gähnende Leere.

whyapply Mein Profil

Nachdem die Plattform damit wirbt, auch anonym Jobinteresse bekunden zu können, springe ich ohne weitere persönliche Angaben gleich weiter zum Punkt „Skill-Formular ausfüllen“.

whyapply Einstellungen Navigation

Skill-Angaben für ein besseres Matching

Jetzt macht sich erstmals Enttäuschung breit. Ich hatte whyapply dem Namen nach so verstanden, dass ich die im Titel steckende Frage „Warum soll ich mich eigentlich noch umständlich mit Unterlagen bewerben müssen?“ mit einem Schulterzucken beantworten und auf die Eingabe von Informationen über mich verzichten kann.

Der Begriff Formular erinnert mich zudem an die von Bewerbern häufig so ungeliebten Dateneingabe-Masken in klassischen Bewerbermanagementsystemen (ATS). Und es handelt sich tatsächlich auch um ein Formular. Ein ganz schön langes Formular über mehrere Bildschirmseiten. Der Eingangstext klärt darüber auf, dass nur vier Fragen für meinen Footprint zu markieren sind. Wobei Markieren in diesem Fall wohl auch Beantworten bedeutet, sonst macht das ja gar keinen Sinn.

whyapply Skillfragen-Formular

Leipziger Allerlei bei „Skill-Fragen“

Ich komme der Empfehlung trotzdem nicht nach, weil ich eigentlich keine Bewerbungsunterlagen einreichen möchte („whyapply“?!). Außerdem bin ich mir nicht sicher, wie die Unternehmen meine Antworten auf Fragen wie

  • „Welche Superkraft würdest Du gerne für Deinen Beruf entwickeln?“
  • „Was ist beruflich Dein Monster unter dem Bett?“ (verstehe ich schon gar nicht!) oder
  • „Ich würde gerne mal für einen Tag … sein?“

am Ende deuten. Und vor allem, wie sie daraus erkennen wollen, warum ich die Zukunft des Recruitings genau in dieser Firma perfekt vorantragen kann.

Obwohl es mich natürlich schon reizen würde, hier ein paar Knaller-Antworten zu liefern. Der spielerische Reiz ist ähnlich hoch, wie damals beim Test von GOOD&Co. Trotzdem halte ich mich zurück.

Der Footprint als Identifikationsmerkmal

Nun muss ich mir endlich mal meinen Footprint ansehen, der anscheinend im Zentrum des Matchings zwischen Jobsuchenden und Unternehmen steht. Mein angezeigtes und per E-Mail als PDF erhältliches „Anonymes Vordenker-Profil“ zeigt mir neben meinem Score vor allem eine Word-Cloud an. Auch erhalte ich eine Analyse der von mir eingetragenen Ideen bei den Challenges.

whyapply anonymes Vordenker-Profil

whyapply weitere Auswertungen

Auffällig ist für mich vor allem der Hinweis, dass sich meine Füllwort-Rate von 0% auf 47% erhöht hat.

whyapply Füllwortrate

Hm, ich klicke nochmal auf die Ideen meiner Mitdenker (waren die eigentlich auch mal Vordenker?). Diese sind in der Tat extrem knapp, prägnant und wenig umfangreich. Sie klingen eher nach einem Lexikon als nach natürlich sprachlichen Ideen. Hätte ich besser ähnlich agieren sollen?

Bewerbung unter Einbezug der Ideen anderer

Spannend und irritierend zugleich finde ich den Ansatz, dass ich die Ideen anderer nicht nur sehen, sondern auch kommentieren und bewerten kann. Damit können sich geschickte Vor-, äh Mitdenker, gezielt in die Lücken platzieren. Oder eben an die Ideen der anderen dranhängen, sie verbessern und ergänzen. Aber ist das bei einer Bewerbung tatsächlich zielführend? Und mal angenommen, es wären bereits richtig viele Kracher-Ideen dabei: Klaue ich dann die besten Rosinen aus allen Ideen und formuliere etwas um oder muss ich konstatieren „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem“ und spiele die beleidigte Leberwurst?

Mal im Ernst: Das System, wie Unternehmen diese Ideen am Ende bewerten und tatsächlich Personen zuordnen, erschließt sich mir überhaupt nicht.

Auch ist es seltsam, dass ich meine eigene Idee liken kann – und darüber hinaus sogar noch ein Lob dafür kassiere, weil jemand meine Idee toll fand, was mir einen weiteren Punkt im Score einbringt. WTF…

whyapply eigenes Like

Fazit des ersten Praxistests von whyapply

Wie bereits oben beschrieben, finde ich die Idee der Plattform im Ansatz sehr gut. Weg von klassischen Bewerbungsunterlagen wie Lebenslauf, Anschreiben und Zeugnissen. Hin zu Aufgabenstellungen, die etwas über den Job und das Unternehmen aussagen. Eine klassische Arbeitsprobe.

Weg von #Bewerbungsunterlagen im #Recruiting? Die Plattform whyapply setzt auf #Arbeitsproben und #digitalen #Footprint Klick um zu Tweeten

Bislang konnte ich davon aber noch nicht viel entdecken, weil weder die Aufgaben entsprechende Aussagekraft hatten, noch erkennbar war, worum es eigentlich im Kern geht. Die Zukunft des Recruitings kann man schließlich als Personalleiter genauso aktiv gestalten wie als verantwortlicher Experte auf Mitarbeiterebene. Vielleicht liegt das an der Beta-Version der Plattform und ist später stimmiger. Hoffentlich.

Das undurchsichtige Punktesystem sollte auf jeden Fall deutlich aufgeräumter sein, vor allem, was unsinnige Punkte angeht, die durch reines Massen-Klicken schnell angehäuft werden können.

Große Zweifel habe ich an der Systematik des gemeinsamen Ideensichtens, Entwickelns und Einreichens. Gerne bin ich offen für neue Ansätze bei der Personalauswahl. Aber ich würde den Bewerbern gerne diese Eigenschaften persönlich attestieren können und nicht diejenigen belohnen, die am geschicktesten die Lücke füllen, Abschreiben oder am besten Formulieren können, um den Algorithmus zu überzeugen.

In Summe steckt hinter whyapply eine durchaus spannende Idee, die aber noch eine Menge Rundschliff braucht, um auf dem hart umkämpften Markt für Recruiting-Software bestehen zu können.

Wie ist Ihre Erfahrung und Meinung zu whyapply?

 

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Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer (Personalmagazin 05/22) betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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