Der Lebenslauf (CV) als Herzstück der Bewerbung
Auch wenn es zwischenzeitlich eine Reihe alternativer Bewerbungsformen gibt, zum Beispiel Bewerbung via Social Media Profil, so steht bei der Mehrzahl aller Bewerbungen im europäischen Kulturraum noch immer der klassische Lebenslauf im Mittelpunkt der Bewerbung. Dort werden alle wesentlichen Informationen zum schulischen und beruflichen Werdegang sowie den Qualifikationen dargestellt. Die hier aufgeführten Daten bilden die Basis für eine Auswahlentscheidung durch die Personaler. Ob das noch zeitgemäß oder sinnvoll ist, sei an dieser Stelle mal dahingestellt. Fakt ist: In der gängigen Praxis entscheidet vor allem der Lebenslauf über den Erfolg der Bewerber. Kein Wunder, dass sich um die Erstellung dieses Dokuments herum eine ganze Ökonomie entwickelt hat. Von Lebenslaufgeneratoren über Lebenslaufoptimierungsberatungen bis hin zu Diensten, die eine Bewerbung sogar komplett als Service für den Bewerber übernehmen wollen.Unternehmen ist nicht gleich Unternehmen
Der Umgang mit einem eingereichten Lebenslauf unterscheidet sich, auch in Abhängigkeit des Mediums (Papier/E-Mail/Onlinesystem), von Unternehmen zu Unternehmen. Während gerade kleinere Unternehmen häufig über zu wenige Bewerbungen (Stichwort: Fachkräftemangel) klagen, werden bekannte Großkonzerne umgekehrt mit Bewerbungen geradezu überschüttet. Kürzlich habe ich gelesen, dass Google (US) angeblich rund 100.000 Bewerbungen pro Woche erhält. Unabhängig davon, ob diese Anzahl (immerhin über 5 Millionen pro Jahr) tatsächlich stimmt, lässt sich erahnen, dass auch die ewigen Gewinner der Arbeitgeberrankings, wie BMW, Audi und Co, eher das Problem haben, aus einer Vielzahl von Bewerbungen die passenden herauszufinden.Effizienz als wichtiges Recruitingziel
Unternehmerisch betrachtet, bedeutet das Lesen von derart vielen Bewerbungsunterlagen vor allem einen erheblichen Invest in Zeit – und damit in Geld. Ab einem gewissen Punkt lohnt es sich für diese Unternehmen nicht mehr, die Unterlagen alleine durch menschliche Recruiter zu bearbeiten. Diese für die Bewerber(vor)auswahl verantwortlichen Personaler lassen sich schon heute von Software beim sogenannten Matching unterstützen. Abgeglichen wird dabei das Stellenanforderungsprofil mit dem Profil, das aus den Bewerbungsunterlagen, insbesondere dem Lebenslauf, hervorgeht.Keyword-basiertes oder semantisches Matching
Diese Software-Algorithmen suchen in erster Linie nach passenden Schlüsselbegriffen, sogenannten Keywords, innerhalb der Bewerbungsunterlagen. Das können fachliche Fähigkeiten wie Software-Kenntnisse sein, Sprachkenntnisse oder Tätigkeitsbereiche, in denen die Bewerber bereits tätig waren. Modernere Systeme erweitern diese Auswahl um Begriffe mit ähnlichen Bedeutungen und bieten eine semantische Suche. Zum Keyword „Softwareentwickler“ im Anforderungsprofil würden dann beispielsweise auch die Begriffe „Developer“ oder „Programmer“ im Lebenslauf der Bewerber als passend identifiziert. Darüber hinaus lernen sie hinzu und optimieren sich im Zeitverlauf. Umgekehrt wird das Fehlen von Übereinstimmungen durch den Algorithmus als Mismatch gewertet, die Bewerbungen aussortiert und den Bewerbern gegebenenfalls automatisiert abgesagt.Was bedeutet das für den Inhalt und die Gestaltung des Lebenslaufs?
Immer wieder werde ich gefragt, ob Bewerber aufgrund dieser Entwicklung ihren Lebenslauf nicht besser gleich für die automatischen Lebenslauf-Scanner optimieren sollten und nicht wie bisher für einen menschlichen Recruiter. So pauschal würde ich das jedoch nicht beantworten wollen. Allerdings erscheint es mir sinnvoll, vor dem Einreichen einer Bewerbung einzuschätzen, ob das entsprechende Unternehmen mit einer softwaregestützten (Vor)Auswahl von Bewerbungsunterlagen arbeitet. In diesem Fall kann eine darauf ausgelegte Gestaltung sowie clevere Verwendung von Keywords durchaus einen Vorteil für die Erstbewertung bringen.Tipps zur Optimierung des Lebenslaufs auf einen Auswahl-Algorithmus
Verwenden Sie einfache Layouts mit übersichtlicher Struktur
Algorithmen lieben einfache und klare Strukturen. Wenn möglich verzichten Sie auf Experimente mit ausgefallenen Designs, Tabellen und Grafiken, es sei denn Sie bewerben sich explizit auf eine Kreativstelle, zum Beispiel bei einer großen Marketingagentur. Allerdings könnten Sie dafür eigens Anlagen mit Arbeitsproben beilegen.Verwenden Sie die in der Stellenausschreibung explizit genannten Keywords im Lebenslauf bzw. dem Anschreiben
Dieser Tipp bezieht sich insbesondere auf spezielle fachliche Fähigkeiten und Skills, nicht auf in Stellenausschreibungen leider viel zu häufig verwendete Allgemeinplätze wie „Teamfähigkeit“, „Flexibilität“ oder „Kreativität“. Diese sind nicht wirklich unterscheidungskräftig und finden sich zudem in nahezu jeder Bewerbung.Betiteln Sie die Abschnitte mit eindeutigen Überschriften
Um dem Algorithmus die Arbeit zu erleichtern, benennen Sie die einzelnen Abschnitte der Bewerbung mit eindeutigen Überschriften, wie „Ausbildung“, „Berufserfahrung“ und „Qualifikationen“. Dies hilft dabei, Begriffe wie „SAP“ eindeutig einzuordnen als Programmkenntnis oder vorherigen Arbeitgeber und „Java“ als Programmiersprache oder Ort des Auslandssemesters.Ergänzen Sie beim beruflichen Werdegang Verantwortlichkeiten und Tätigkeiten
Die häufig anzutreffende reine Nennung der vorherigen Arbeitgeber greift deutlich zu kurz. Ergänzen Sie unbedingt Verantwortlichkeiten, (gängige) Berufsbezeichnungen sowie Tätigkeiten. Dieser allgemein gültige Tipp verbessert insbesondere bei der Algorithmen-gestützten Bewerberauswahl Ihre Erfolgsaussichten.Vermeiden Sie zeitliche Lücken im Lebenslauf
Das Thema „Lücke im Lebenslauf“ ist ein Klassiker. Auch wenn die Anforderung der Lückenlosigkeit zwischenzeitlich vermehrt in Frage gestellt wird, empfehle ich eine zeitliche Vollständigkeit. Dem Algorithmus fallen solche Lücken sogar noch leichter auf als einem menschlichen Personaler. Im schlimmsten Fall setzen Sie sich unnötigen Spekulationen aus, ob Sie bewusst eine Karrierestation verheimlichen. Und mal ehrlich: Wenn ein Unternehmen Ihre kreative Auszeit mit Weltreise negativ auslegt, dann ist es eh nicht das richtige Unternehmen für Sie, oder?
Geben Sie bei Skills das Kenntnis-Niveau mit an
Es macht einen Unterschied, ob nur Grundkenntnisse, erweiterte Kenntnisse oder gar Expertenkenntnisse einer Fremdsprache vorliegen. Je deutlicher Sie hier sind, um so klarer kann der Algorithmus Sie einstufen. Stapeln Sie dabei zu hoch, kann Ihnen das später schnell auf die Füße fallen.
Vermeiden Sie Rechtschreibfehler
Dieser Tipp gilt selbstverständlich für jegliche Art der Bewerbung. Denn eine Vielzahl derartige Fehler wird fast immer negativ ausgelegt werden hinsichtlich Sprachkenntnis, schriftlicher Kommunikationsfähigkeit oder Sorgfalt. Bei rein Keyword-basierter Auswahlsoftware kann es passieren, dass durch Buchstaben- oder Zahlendreher ein Begriff nicht korrekt erkannt wird. Damit würde ein Matching verhindert.
Insbesondere an dieser Stelle wird deutlich, welche Risiken nicht nur Bewerber, sondern auch Unternehmen beim Einsatz von nicht adäquaten Softwarelösungen eingehen. Im besten Fall kann über eine Zweit-Sichtung durch einen Personaler der Fehler ausgeglichen werden, im schlechtesten Fall verliert das Unternehmen einen passenden Bewerber.
Sollte auch das Anschreiben für einen Algorithmus optimiert werden?
Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob ein Anschreiben überhaupt noch sinnvoll ist und wie es optimal eingesetzt wird. Verfassen Sie ein Anschreiben, empfiehlt es sich, dieses für einen menschlichen Leser zu entwerfen und erst anschließend Keywords sinnvoll unterzubringen. Das Anschreiben sollte in jedem Fall gut lesbar sein und den Lesefluss störende Element wie Klammertexte oder Inversionen vermeiden. Denn auch wenn Sie mit dem Einsatz eines Softwarealgorithmus bei der Sichtung Ihrer Bewerbung rechnen. Stand heute entscheidet über die Einstellung noch immer ein Mensch.
Fazit
Gerade bei bekannten Großkonzernen müssen Sie vermehrt mit dem Einsatz von Systemen zur softwaregestützten Personalauswahl rechnen. Durch das Einreichen einer Papierbewerbung lässt sich der softwaregestützte Auswahlprozess übrigens nicht umgehen. Denn Unternehmen mit entsprechender Prüfsoftware nutzen das sogenannte CV-Parsing, um den gedruckten Lebenslauf ebenfalls digital aufzubereiten. Bei diesem Vorgang wird das Dokument intelligent auf Keywords durchsucht und wie bereits digital eingereichte Dokumente ausgewertet.
So oder so sollten Bewerber sich aber nicht verbiegen und ihrerseits wie Roboter nur noch Keywords aneinanderreihen. Meine Tipps sollen bewirken, dass Bewerber eine mögliche erste Hürde durch eine Software einfacher überspringen können. Letztendlich müssen Bewerber vor der finalen Einstellungsentscheidung trotzdem noch Menschen von sich überzeugen. Denn auch wenn sich Technik erstaunlich schnell weiterentwickelt, so kann der Personaler noch nicht komplett von Software ersetzt werden.
Ein Ausblick, wie sich das Thema in Zukunft entwickeln könnte, wurde aber bereits in der 4. Runde des Blind HR Battles auf meinem Blog gewagt…