Nach dem großen Erfolg des 2. Teils meiner Serie mit dem Titel „Der Recruiter – in Kürze ein Auslaufmodell?“, mit über 2.000 Aufrufen in nur einer Woche, hier nun Teil 3. Im Blickpunkt stehen diesmal die Personalberater. Dabei möchte ich mich auf nur einen Teilbereich des Portfolios einer Personalberatung fokussieren, nämlich die Unterstützung bei der Suche und Auswahl von Fach- und Führungskräften. Im Zentrum die Frage, ob der Personalberater der richtige Partner im Recruiting ist.
Der Markt ist zersplittert
Beim Googlen nach dem Begriff „Personalberater“ erhält man knapp 300.000, bei Eingabe von „Personalberatung“ gibt es sogar 1,1 Mio. Treffer. Dahinter stecken laut Spiegel online bundesweit über 2.000 professionelle Firmen mit rund 5.000 Consultants.
Dies offenbart schon eines der wesentlichen Merkmale des Personalberatermarkts: Die Zersplitterung. Daher dient es dem Überblick, zumindest drei verschiedene Segmente zu unterscheiden, je nach vermittelter Zielgruppe:
- Segment: Fachkräfte und Führungskräfte unterer Ebenen
- Segment: Mittleres Management
- Segment: Topmanagement.
Die Social Recruiter sind auf dem Vormarsch
Im ersten Segment des Markts hat sich eine vollkommen neue Konkurrenz der klassischen Personalberater breit gemacht, die es noch vor 5 Jahren so nicht gab. Die selbsternannten Social Recruiter. Über Portale wie Jobleads oder Jobcrowd kann heute im Grunde jeder damit Geld verdienen, Jobempfehlungen an sein Netzwerk auszugeben.
Diese zumeist unprofessionell oder gar nicht organisierte Variante des Recruitings ist eigentlich nur eine Verlängerung der Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Systeme in Richtung Social Web. Und dort enden auch die Stärken dieser Recruiting-Variante: Beim Gedanken des „Ich empfehle den Arbeitgeber meines Vertrauens“.
Klassische Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Systeme
Bei klassischen Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Systemen hat der Empfehlende als Mitarbeiter des suchenden Unternehmens zumindest Einblicke in die Unternehmenskultur und weiß, wer zum Unternehmen passt. Beim oben beschriebenen Social Recruiting werden jedoch um der Prämienzahlung willen Jobs von unterschiedlichen Unternehmen an das eigene Netzwerk vermittelt. Dabei kennt der Werbende meist weder das Unternehmen noch die Stelle.
In erster Linie erhalten die Recruiter in den Unternehmen hierüber weitere (verhältnismäßig unqualifizierte) Empfehlungen. Tendenziell mehr Masse als Klasse.
Die Kompetenz der Personalberater
Die Personalberater spielen hingegen in einer anderen Liga. Sie sind wesentlich näher am Markt, immerhin ist es deren Profession. Bestenfalls kennen sie auch die Arbeit der Recruiter aus ihrer eigenen Historie, was ich übrigens für ein besonders wichtiges Qualitätsmerkmal halte.
Und trotzdem haben Personalberater heute einen schwereren Stand als früher. Denn Bewerberdaten sind mittlerweile schnell und unkompliziert verfügbar. Zahlreiche Anbieter bieten Zugänge zu den unterschiedlichen Zielgruppen, sei es über spezielle Recruiting-Plattformen im Internet, Lebenslaufdatenbanken oder Angebote wie den XING-Talentmanager, mit dem Recruiter im sozialen Netzwerk eigenständig Active Sourcen können.
Es ist weniger die fehlende Möglichkeit der Recruiter, dies zu tun, vielmehr sind gerade Personaler kleinerer Unternehmen oft überfordert von der schieren Masse an Angeboten. Der Ansatzpunkt (fast hätte ich gesagt: „das Einfallstor“) für Personalberater.
Der Ruf der Branche hat gelitten
Trotzdem klagt die Branche der Personalberater über Probleme und führt das selbst oft auf den angeschlagenen Ruf zurück, den sogenannte „Schwarze Schafe“ verursacht haben sollen. Damit gemeint sind Berater, die ohne große Marktkenntnis und Qualifizierung ihre Beratungsleistungen anbieten. Und solche, die auf der Suche nach Adressen und Profilen in größerer Anzahl Stellen ausschreiben, die es so nicht gibt. Sie tun dies, um an entsprechende Profile für ihre Datenbank zu kommen, damit sie für den nächsten entsprechenden Auftrag vorbereitet sind.
Eine weitere bekannte Variante dieses Spiels ist es, bereits besetzte Stellen weiter ausgeschrieben zu lassen – aus dem gleichen Grund. Diese Vorgehensweise findet man insbesondere im oben beschriebenen zweiten Marktsegment, bei der Suche nach Führungskräften des mittleren Managements, denn diese Profile sind weitaus wertvoller.
Der Ärger droht in diesem Fall zwar weniger durch die Recruiter als Auftraggeber, allerdings kann man sich auch den Ruf über verärgerte Bewerber ruinieren.
Der Zugang der Personalberater zur Zielgruppe
Erfolgsentscheidend für die Rolle im Recruitingprozess ist der Zugang der Personalberater zur vom Unternehmen avisierten Zielgruppe. Dass reine Adresssammlungen oder Bewerberdatenbanken heute kein Alleinstellungsmerkmal mehr ausmachen, dürfte klar sein. Ebenso wenig ist die Menge der Kontakte entscheidend. Vielmehr geht es (eigentlich wie fast immer) um die Qualität.
Im ersten Segment kommen für begehrte Zielgruppen, zum Beispiel IT-Spezialisten, gleich weitere Herausforderungen auf die Personalberater zu. Denn der Markt frei verfügbarer IT-Spezialisten ist nahezu leergefegt. Und tatsächlich verfügbare IT´ler sind oftmals nicht die Topkandidaten. Insofern ist bei Anpreisungen eines Pools von über 10.000 IT-Spezialisten ordentlich Skepsis geboten. Denn entweder gibt es unzählige Karteileichen, oder die Qualifikation der Kandidaten liegt tendenziell unterhalb des Durchschnitts.
Auch haben Unternehmen ihre Aktivitäten im Bereich Hochschulmarketing in den letzten Jahren stark ausgebaut, so dass sie oftmals einen wesentlich besseren Zugang zu (IT-)Absolventen haben, als Personalberater.
„If you want a job done well, hire a professional“
Dieser Satz aus dem Film Léon der Profi müsste eigentlich die Hymne der Personalberater sein. Der Zugang zur Zielgruppe der Berufstätigen (Professionals) stellt für Recruiter in Unternehmen die größte Herausforderung dar. Genau deswegen stellt sich die Frage nach dem Einsatz eines Personalberaters hier recht deutlich. Allerdings darf man sich durch den Begriff „Professional“ nicht dazu verleiten lassen, von einem „Professional“ immer eine professionelle, also qualitativ hochwertige Arbeitsleistung zu erhalten. Das gilt für den anzuwerbenden Kandidaten. Allerdings auch für die Personalberater.
Ein IT-Talent der Generation Y erfordert beispielsweise eine ganz besondere Ansprache. Da ist der ultra-seriöse Auftritt mit Anzug und Streberstrick um den Hals eher kontraproduktiv. Verstanden haben das bei Weitem noch nicht alle.
Personalberater – die geheime Macht im Hintergrund
Wenn es um das Marktsegment drei, also das Topmanagement geht, setzen Personalberater hingegen bewusst auf den klassischen Businessauftritt. Dort hat sich die Branche im Grund auch am wenigsten verändert. Internationale oder große nationale Personalberatungen teilen das Geschäft unter sich auf.
Wenn es um das Topmanagement geht, hat die Wahl der Personalberater wesentlich tiefgreifendere Bedeutung als in den beiden anderen Segmenten. Es geht nicht nur um das Besetzen eines Jobs. Es geht um den Kurs eines Unternehmens und damit um nicht weniger als dessen Zukunft. In diesem Zusammenhang sind die Personalberater nicht nur ein Dienstleister oder Teil eines Prozesses. Nein. Sie sind die Königsmacher, die geheime Macht im Hintergrund.
Auch wenn man mir jetzt vielleicht einen Hauch Goldman-Sachs-rules-the-world-Verschwörungstheorie unterstellt. Eines ist klar: Wer den Unternehmenslenker oder den Personalchef ins Unternehmen bringt, nimmt nicht unerheblich Einfluss auf den weiteren Kurs des Unternehmens. Und erzeugt gleichzeitig auch Folgegeschäft.
Insofern sind Personalberater dieses Segments vor allem Profis im Bereich Beziehungsmanagement. Positiv ausgedrückt.
Objektivität oder Vetternwirtschaft?
Aus Sicht mancher Arbeitnehmer hingegen wird viel Vetternwirtschaft betrieben. Das mag auch daran liegen, dass die Prozesse bei der Besetzung entsprechender Positionen im Topmanagement oft vollkommen intransparent sind und die Auswahl aus Sicht der Belegschaft eines Unternehmens quasi „im Verborgenen“ geschieht.
Bei meinen Recherchen im Vorfeld dieses Beitrags, habe ich in vertraulichen Gesprächen mit Geschäftsführern und Vorständen aus den Branchen Dienstleistung bzw. Handel einige persönliche Einblicke erhalten. Und wundere ich mich fortan nicht mehr, wieso viele Unternehmen trotz aller vollmundigen Ankündigungen in Punkto Veränderung der Gesamtorganisation intern oft auf der Stelle treten.
Die Konformität der Kandidaten im Pool der großen Personalberatungen ist nämlich (zu) hoch. Dort wird vorwiegend auf „sichere Bänke“ gesetzt. Das macht berechenbar und sichert Folgeaufträge. Querdenker sind ein zu hohes Risiko und schwer „vermittelbar“. Auch wenn viele Unternehmen gerade diese unkonventionellen Managertypen oft gut gebrauchen könnten.
Von der Kompetenz zur Passung
Das Thema „cultural fit“, also das Passen zur Kultur des Unternehmens, ist heute wichtiger denn je. Personaler bauen eine Arbeitgebermarke auf und zeichnen darin ein genaues Bild, wie eine solche kulturelle Passung auszusehen hat. Dies sind mehr als nur Worte, doch leider verkommen sie dazu immer wieder. Spätestens im Prozess des Briefings bei der Auftragserteilung an Personalberater.
Dabei geht es um mehr als nur platte Kompetenzen, die durch Doktoren-Titel (auch die hatten imagemäßig bessere Zeiten), Zeugnisnoten oder hochrangig unterschriebene Referenzen angereichert werden. Ich zitiere mich da sinngemäß aus einem meiner Blogbeiträge: „Was nutzt mir der absolute Branchencrack als Kollege oder Vorgesetzter, wenn er menschlich der letzte Honk vor dem Herrn ist.“.
Die Passung zum Unternehmen leben
In der perfekten HR-Organisation sind in meinen Augen die für das Recruiting zuständigen Personaler die ersten Ritter der Arbeitgebermarke. Sie verkörpern, leben und kennen die kulturelle Passung des Unternehmens. Das haben sie den externen Personalberatern voraus, die ansonsten im Recruiting-Prozess noch hinter den Recruitern stehen, was sie erst einmal zum vierten Blinden im Recruitingprozess macht, wie Henrik Zaborowski den ersten Beitrag dieser Serie „Der Recruiting-Prozess – Drei Blinde spielen russisches Roulette“ so sinnreich kommentiert hat.
Aber die Recruiter in den Unternehmen müssen diese Rolle auch wirklich einnehmen. Ansonsten können Personalberater diese Recruitingprozesse möglicherweise tatsächlich professioneller übernehmen. Und werden in diesem Fall tatsächlich zum Totengräber der Recruiter.
Die Branche Personalberater formiert sich
Einer der beiden erfolgskritischen Knackpunkte für den Mehrwert von Personalberatern im Recruitingprozess ist die Auswahl der richtigen Personalberater. So entstehen derzeit Online-Plattformen, wie beispielsweise Betterheads (was im Übrigen auch ein prima Name für einen Frisörladen wäre), die bei der Auswahl der richtigen Berater unterstützen wollen. Den gesamten Markt screent man damit natürlich nicht, aber wer weiß, wohin sich diese Plattformen entwickeln.
Der zweite Knackpunkt ist die nötige Sorgfalt bei der inhaltlichen Auftragserteilung. Also der Frage, wer genau gesucht wird. Denn letztlich –das sollte nicht vergessen werden- wird immer ein Mensch eingestellt und kein Kompetenz- oder Anforderungsprofil. Aber das ist schon das Thema eines weiteren Beitrags dieser Serie mit dem Fokus auf die Business Partner im Unternehmen.
Auf den Punkt gebracht
Personalberater haben eine Existenzberechtigung im Markt. Das muss ich an dieser Stelle klar stellen. Insbesondere dort, wo Unternehmen selbst nicht in der Lage sind, die Recruitingprozesse eigenständig zu stämmen.
Im Segment der Vermittlung von Kandidaten für das Topmanagement haben Personalberater seit jeher eine recht gesicherte und komfortable Position. Nur selten suchen Recruiter der unteren Ebenen ihren obersten Chef selbst aus.
In den beiden anderen Segmenten haben unternehmenseigene Recruiter gegenüber den Personalberatern den großen Vorteil, Bewerber auch auf die kulturelle Passung prüfen zu können. Tun sie das nicht und finden sie via Active Sourcing und professionellem Talentmanagement nicht eigene Wege, um sich den Zugang zu den benötigten Zielgruppen zu sichern, dann werden die Personalberater früher oder später die Totengräber der Recruiter.