Die Generation Y drängt auf den Arbeitsmarkt. Unternehmen suchen händeringend nach qualifizierten Nachwuchskräften. Dazu treten sie im sogenannten „War for talents“ an, um mit einer attraktiven Arbeitgebermarke sowie dazu passenden Maßnahmen im Personalmarketing bei den zukünftigen Mitarbeitern zu punkten.
Dabei entstehen völlig neue Jobs. Zum Beispiel hat sich über den Aufbau und die Weiterentwicklung einer Arbeitgebermarke vor 15 Jahren noch kaum ein Unternehmen wirklich Gedanken gemacht. Für einen Job wie den meinen gab es nur wenig Raum. Und auch Social Media Manager hätte keiner eingestellt. Warum auch? Wenn ein Unternehmen Mitarbeiter suchte, wurden Stellenanzeigen geschaltet, z.B. in Tageszeitungen. Interessierte Bewerber haben sich daraufhin beworben.
Schon die Bewerbersuche hat sich verändert
Die Generation Generation Y lediglich über Anzeigen in Tageszeitungen erreichen zu wollen, würde heute kein Personaler mehr als State of the Art bezeichnen. Schon im Jahr 2010 zeigte sich das typische Mediennutzungsverhalten der Ypsiloner im Rahmen der Studie „Jugend, Information, (Multi-)Media“.
Dabei steht der Balken „Internet“ heute (drei Jahre nach der Studie) wohl hauptsächlich für Social Media-Nutzung und der Balken „Handy“ zunehmend für die Nutzung von Apps auf dem Smartphone und weniger für klassisches Telefonieren.
Insofern verwundert es wenig, dass Unternehmen auf zahlreichen Onlineplattformen Unternehmenspräsentationen aufbauen, Banner oder ähnliche Werbemittel schalten und Online-Stellenbörsen mit ihren Ausschreibungen fluten. Dazu jede Menge an imagebildenden Youtube-Videos, die Mitarbeiter der Firma in voller Sympathie und Authentizität zeigen. Man muss schließlich dort sein, wo sich auch die zu erreichende Zielgruppe tummelt.
Aber wenn die Personaler ihren Job gut gemacht haben und die jungen Bewerber tatsächlich zu Mitarbeitern im Unternehmen wurden, fängt die eigentliche Herausforderung erst an.
Das Arbeitgebermarken-Versprechen und die Tücken der Praxis
Gute Arbeitgebermarken-Arbeit bedeutet, dass ein (Marken)Versprechen gegenüber den potenziellen Mitarbeitern abgegeben wurde, das nach Eintritt in die Firma auch gehalten wird. Dies ist dann nicht mehr (nur) Aufgabe der Personalabteilungen. Ich will an dieser Stelle nur einige wenige Impulse setzen:
Stellen wir uns also vor, die neue Mitarbeiterin unterschreibt ihren Arbeitsvertrag und tritt die Arbeit im Unternehmen an. Sie lernt dabei sehr schnell die gelebte Unternehmenskultur kennen. Bestenfalls entspricht diese der Arbeitgebermarke, wie sie diese vor ihrem Eintritt wahrgenommen hat. Was aber, wenn sie feststellt, dass sich das Arbeiten so ganz anders darstellt, als sie dies über die Personalmarketingaktivitäten oder die ansprechenden Recruitingvideos wahrgenommen hat?
Wenn das hippe Unternehmen zwar einen ansprechenden Social Media Auftritt nach außen pflegt, intern aber die Nutzung von Facebook, Youtube und Co verboten sind. Wenn neben Vorstand und Geschäftsleitung, die je nach Brache, zumeist mit Vertretern der Babyboomer besetzt sind, selbst das mittlere Management aus der Generation X kaum Social Media Kenntnisse besitzt und im Internet noch nicht einmal via XING sichtbar wird?
So ganz anders
Was passiert, wenn der neue Chef die „Facetime“, also die tatsächliche Anwesenheit im Büro, für das Maß zur Bewertung der Arbeit hält und ein leeres Überstundenkonto bereits Verdacht erregt? Wenn gute Laune kritisch beäugt wird, weil dann wohl keine ausreichende Auslastung gegeben sein kann? Immerhin jammern die anderen doch auch alle und sind gestresst.
Wie kommt die neue Mitarbeiterin damit zurecht, dass mobile Arbeit via Homeoffice nicht geduldet wird, selbst wenn dadurch längere Pendelzeiten vermieden werden. Dazu noch wenn es um konzeptionelle Arbeiten geht, die hoher Konzentration und damit eher einer ruhigen Umgebung bedürfen? (Wobei man jetzt einwenden mag, dass auch Marissa Mayer nach ihrem Wechsel von Google zu Yahoo erst einmal alle Mitarbeiter wieder ins Büro beordert hat. Allerdings halte ich das persönlich eher für einen Paukenschlag, den die neue Chefin bewusst platziert hat, damit alle merken, dass sich etwas radikal ändern wird.)
Was, wenn die Ypsilonerin sich über die Haltung der Abteilungskollegen wundert, die ihre Daten lokal abspeichern und gegen Einsichtnahme von anderen via Passwort zusätzlich sichern? Die sie für das Einrichten von Wikis und das Teilen von Wissen milde belächeln, weil ihnen selbst ihr Herrschaftswissen bisher die ein oder andere Beförderung eingebracht hat. Wenn plötzlich alle auf das gleiche Wissen Zugriff haben, wo kämen wir denn da auch hin?
In vielen Unternehmen gibt es zudem ausgeklügelte Systeme zur Mitarbeiterbewertung. Aber wie kann die neue Mitarbeiterin dem Wunsch nachkommen, auch ihre Führungskraft umgekehrt zu bewerten? Vor allem wenn es kein dem 360°-Feedback vergleichbares System gibt, bei dem sowohl eine Bewertung der Führungskraft durch die eigenen Mitarbeiter, als auch durch Kollegen und natürlich die Vorgesetzten erfolgt?
Karriere ist nicht gleich Karriere für die Generation Y
Und wohin entwickelt man die neue Mitarbeiterin überhaupt, wenn sie keine Führungskraft werden will? Wenn es horizontale Karrieren, bei denen auf gleicher Hierarchieebene unterschiedliche fachliche Verantwortungen oder Projekte durchlaufen werden, in der Firma noch nicht gibt? Oder diese weniger angesehen sind als der klassische Aufstieg auf der Karriereleiter. (Wobei ich zum Begriff Karriereleiter kürzlich wieder eine nachdenkenswürdige Aussage gelesen habe, die in etwa so lautete: „Von innen sieht auch ein Hamsterrad wie eine Karriereleiter aus.“).
Und stellen wir uns schließlich noch vor, die neue Mitarbeiterin hat täglich Teamkollegen um sich, die seit 25 Jahren den gleichen Job machen. Die zwar keinen Hochschulabschluss und Auslandserfahrung haben, dafür aber stets auf ihre jahrzehntelange Erfahrung verweisen. Wie viel Verständnis wird ihr entgegengebracht werden, wenn sie nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance strebt, bei der sie bestenfalls weniger arbeitet, aber im Verhältnis mehr Geld erhält? Aus Sicht der Kollegen kann die Neue schlimmstensfalls sogar den Job effizienter als sie erfüllen, weil sie sich top mit dem PC und dem Internet auskennt bzw. über eine hohe Lernbereitschaft und Flexibilität verfügt.
Fiktion oder realer Bedarf?
Wie wird es ihr ergehen, unserer Vertreterin der Generation Y in diesem Unternehmen? Ein zu fiktives Beispiel? Vielleicht. Aber wenn ich mich mit Hochschulabsolventen unterhalte, die Praktika in unterschiedlichen Unternehmen gemacht haben, dann finde ich dieses Szenario erschreckend häufig wieder.
So oder so, die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Generationen in Unternehmen bedarf einer dafür passenden Unternehmenskultur. Je stärker es den Unternehmen gelingt, das abgegebene Arbeitgebermarkenversprechen im Arbeitsalltag täglich einzuhalten, umso stärker werden sie auch die Generation Y nachhaltig für sich begeistern können.