Alle reden darüber und doch ist kaum ein Unternehmen darin Experte. Die Rede ist vom sogenannten Talentrelationship-Management (TRM), also dem gezielten Aufbau und Halten von Kommunikationsbeziehungen zu potenziellen Arbeitnehmern eines Unternehmens. In diesem Beitrag möchte ich einige Gedanken zum TRM thematisieren und ausgewählte kritische Erfolgsfaktoren beleuchten.
Warum überhaupt Talentrelationship-Management?
Dass der Arbeitgebermarkt sich längst zu einem Bewerbermarkt gewandelt hat, lässt sich überall nachlesen unter den Stichworten Fachkräftemangel, Demografischer Effekt und War for Talents. Auch dass die sogenannte Generation Y erhöhte Ansprüche an die Auswahl ihres zukünftigen Arbeitgebers stellt. Spätestens wenn die klassischen Personalauswahlmethoden dann noch zunehmend in Frage gestellt werden, steht Talentrelationship-Management vor der Tür.
Tipp: Lesen Sie diesen Beitrag zu Ende, es lohnt sich.
Talent, Top-Talent, Krone der Schöpfung
Bei unterschiedlichen HR-Verantwortlichen nachgefragt, wer denn eigentlich diese ominösen „Talente“ sind, die es zu beziehungsmanagen gilt, erhalte ich bereits bezeichnende Erkenntnisse: Während ein Teil der Befragten davon ausgeht, dass „Talent erst einmal jeder ist bzw. sein soll“ (Blickwinkel Personalentwicklung), schränkt der andere Teil die Menge der als „Talent“ bezeichneten Personen wesentlich stärker ein und reduziert diese auf die Frage, wie interessant diese potenziellen Mitarbeiter für eine spätere Einstellung sind (Blickwinkel Recruiting). Die einheitliche (!) Beantwortung der Frage nach den Talenten stellt somit die erste kommunikative Zerreißprobe im Talentrelationship-Management dar.
Tipp: Klären Sie genau, welche Talente Sie meinen, ansonsten multipliziert sich der unternehmensinterne Diskussionsbedarf schnell, wenn zusätzlich plötzlich der Begriff „Top-Talente“ auftaucht.
Die Fachabteilung macht Talentrelationship-Management – HR auch?
Diese Frage mag auf den ersten Blick trivial klingen. Natürlich ist das TRM als Teil des Recruitings auch Sache der Recruiter, oder? Ob das in Ihrer Organisation tatsächlich so ist, kann ich nicht beantworten.
Fakt ist, dass professionell betriebenes TRM die Talente, die für eine Mitarbeit im Unternehmen gewonnen werden sollen, dazu bewegt, mit diesem in Kontakt zu bleiben. Dazu müssen die TRM-Verantwortlichen es verstehen professionell zu kommunizieren. Auf Augenhöhe und wertschätzend sowie zielgruppenspezifisch. Klingt das noch nach HR oder eher nach der Marketing- oder PR-Abteilung?
Zudem bietet ein ausgefeiltes TRM den Talenten hochwertige Angebote. Das beginnt bei Jobnewslettern, geht weiter über berufliche Trainings zur Verbesserung der Qualifikationen der Talente oder dem Optimieren der kulturellen Passung zum Unternehmen, bis hin zu Einladungen zu speziellen Eventhighlights. Alles mit dem Ziel, die Talente für eine Mitarbeit im Unternehmen zu begeistern. Das wiederum klingt jetzt fast nach Eventmanager oder gar Entertainer.
Jedenfalls klingt es nach Arbeit. Nach viel Arbeit. Und so, als ob es hierfür einen Experten benötigt. Das kann, muss aber nicht ein Recruiter sein.
Tipp: Klären Sie frühzeitig, wer der sogenannte Process Owner für das TRM ist. TRM benötigt neben speziellem Know How auch eine weitere kostbare Ressource: Zeit.
Bei „Prozessen“ nicht nur ans Arbeitsgericht denken!
Es klingt so einfach: HR übernimmt die Einführung eines professionellen Talentrelationship-Managements. Allerdings bedarf Talentrelationship-Management auch einer starken Beteiligung der Fachbereiche, da eine wesentliche Zielgruppe des TRM in den Fachbereichen arbeitet: Die Auszubildenden, Praktikanten, Werkstudenten und Schreiber von Abschlussarbeiten.
Und wahrscheinlich kennen die Ansprechpartner dort diese Zielgruppe wesentlich besser als die Recruiter.
Tipp: Definieren Sie die Prozesse zwischen Fachabteilungen (Stichwort: Empfehlung eines Talents) und HR genau. Wer darf Talente vorschlagen und wer entscheidet über die Aufnahme in den Talentpool?
Talentpool – ich glaub ich sauf ab
Wie bereits geschrieben, ist TRM zum großen Teil Kommunikationsarbeit. Und die Kommunikation mit den Talenten treibt bisweilen wilde Stilblüten.
Da werden Talente angeschrieben, ob man sie denn „aus dem Bewerberpool“ in den „Talentpool verschieben“ dürfe. Dabei frage ich mich, ob es eigentlich nicht korrekt heißen müsste „in den Talentpool stoßen“, um im assoziierten Bild zu bleiben? Zumindest haben wir das früher mit den Mädels im Schwimmbad so gemacht. Allerdings hatten die auch einen Bikini oder Badeanzug an und wir wussten oft wesentlich weniger über die beteiligten Personen als heutige Personaler über die Talente.
Tipp: Auch wenn wir Personaler uns das Leben mit vermeintlichen Fachbegriffen zu vereinfachen suchen, verschonen Sie bitte die Bewerber mit derlei Vokabular. Zumal der Begriff „Pool“ auch ausdrückt, dass es noch zahlreiche andere gibt, auf die man zurückgreifen kann. Das wirkt weder sonderlich wertschätzend noch sonstwie erstrebenswert.
Software für die Soft-Ware
TRM geht auch zu Fuß (am „Pool“ natürlich nur mit Badelatschen!). Einfacher gestaltet sich Talentrelationship-Management mit professioneller Software-Unterstützung. Dabei lohnt sich eine ausgiebige Marktrecherche, da es zahlreiche Anbieter auf dem Markt gibt. Allerdings ist mir an dieser Stelle ein Statement sehr wichtig. Ja, ich würde sogar sagen, es ist das wichtigste. Obacht!
Software kann TRM-Prozesse bisweilen sehr gut unterstützen. Im Kern ist Talentrelationship-Management allerdings ein Thema, bei dem der Mensch auf der anderen Seite, gesunder Menschenverstand und die individuelle Kommunikation im Vordergrund stehen sollten.
Bei aller Liebe (Achtung: Ironie!!) zur Massenansprache, TRM sollte der schimmernde Diamant in der kommunikativen Exklusivitätskrone sein. Denn wofür betreiben Sie ein aufwändiges Talentrelationship-Management, wenn Sie die Talente am Ende mit standardisierten Massenmailings in schlimmster Viagra-Penisverlängerungs-Spammer-Manier beballern. Ich bin drastisch, ja. Aber das ist –wie gesagt- auch mein wichtigster gedanklicher Anstoß.
Tipp: Individualität und Exklusivität vor Standard und Masse. Die TRM-Talente sind Ihr wertvollstes Gut für die Besetzung zukünftiger Stellen.
Damit das RECHTliche Sie nicht LINKt
Nicht nur das Datenschutzrecht (Stichwort: Einverständniserklärung zur Datenspeicherung) kann schnell zum Stolperstein mutieren. Auch die Frage wo und wie Sie die Talente im TRM überhaupt gewinnen dürfen, ist kein rechtsfreier Raum.
Das IT-Talent – kaum mehr in freier Wildbahn verfügbar
Eine Berufsgruppe steht derzeit auf den (nicht nur vorweihnachtlichen) Wunschzetteln vieler Unternehmen ganz oben: IT-Talente.
Insofern boomt der Markt im Bereich Vermittlung von IT-Talenten wie kaum ein anderer Recruitingmarkt. Gleichzeitig ist der Markt aus Sicht der Unternehmen allerdings leergefegt wie die Natur von roten Pandabären. Diese findet man fast nur noch beim Blick auf das Logo des nach der englischen Bezeichnung des Tiers benannten Browsers „Firefox“ (daher auch meine IT-Assoziation).
Deswegen richten Unternehmen oftmals im Rahmen des Talentrelationship-Managements eine Schutzzone für IT-Talente ein und versuchen sich an eigenen Züchtungen. Letzteres, also den systematischen Aufbau eigener IT-Talente auf Basis von Aus- und Weiterbildungen im Unternehmen, halte ich für sehr zielführend. Das Befüllen von Talentpools mit IT-Talenten wirft die Frage auf, ob die Knappheit am Markt und das Verfrachten in irgendeinen Talentpool gut zusammen passen.
Die Welt such nach IT-Talenten
Aktuell steht den IT-Talenten (insbesondere den richtig guten) die Arbeitswelt offen. Eine Bewerbung schreibt ein solches Talent nicht. Im Gegenteil sind viele IT-Talente bereits davon genervt, ständig Anfragen von Recruitern oder Personalberatern abwehren zu müssen. Ein Grund, warum ich nicht glaube, dass Bewerberdatenbanken allgemeiner Jobbörsen zum Rekrutieren dieser Talente geeignet sind. Auch kennen ich zahlreiche Kollegen in der Softwareentwicklung, die sich von XING abgemeldet haben, weil sie mit diesem öffentlichen Netzwerk ins Kreuzfeuer der Recruiter gekommen sind, die mit dem XING Talentmanager jetzt noch leichter sourcen (könnten).
Tipp: Für IT-Talente und ähnlich stark gesuchte Zielgruppen bedarf es besonderer Strategien. Das schaffen wir „Personalheinis“ nicht alleine. Hier ist die Unterstützung von IT-Kollegen gefragt!
Natürlich könnte ich jetzt noch zahlreiche weitere Gedanken zum Thema Talentrelationship-Management posten, aber ich belasse es mal hierbei und freue mich über eine kritische Diskussion meiner Ausführungen.