Die deutsche Wirtschaft steckt in einem Spannungsfeld: Während der Fachkräftemangel ganze Branchen ausbremst und die Digitalisierung neue Anforderungen stellt, bleibt das Wachstum verhalten. Inmitten dieser Herausforderungen spielt die Staffingbranche eine zentrale Rolle. Mit Milliardenumsätzen, innovativen Lösungen und einer wachsenden Nachfrage nach spezialisierten Fachkräften erweist sie sich als unverzichtbarer Partner für Unternehmen. Doch welche Trends und Strategien prägen die Branche? Und wie schafft sie es, die Transformation des Arbeitsmarkts aktiv zu gestalten? Aktuelle Entwicklungen und Zukunftsperspektiven einer Branche, die mehr ist als nur Vermittler.
Chancen und Herausforderungen einer Branche, die Wirtschaft und Arbeitsmarkt in unsicheren Zeiten stabilisiert
Die wirtschaftlichen Herausforderungen in Deutschland sind gravierend: Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) prognostiziert für 2024 einen leichten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,1% – ein alarmierendes Signal für die strukturellen Schwächen der deutschen Wirtschaft. Die Situation wird durch steigende Arbeitslosenzahlen verschärft, die von 5,7% 2023 auf voraussichtlich 6,0% 2024 zunehmen werden.
Gleichzeitig bleibt der Fachkräftemangel trotz der konjunkturellen Abkühlung auf besorgniserregendem Niveau: Der aktuelle MINT-Herbstreport 2024 beziffert die Arbeitskräftelücke allein in den MINT-Berufen – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – auf 209.200 fehlende Fachkräfte. Experten warnen, dass diese Lücke in den kommenden Jahren sogar noch weiter wachsen könnte.
Rolle der Staffingbranche
Diese Herausforderungen erfordern neue Ansätze am Arbeitsmarkt. Die Staffingbranche übernimmt dabei eine zentrale Rolle. Das Marktforschungsunternehmen Lünendonk hat in einer von APSCo Deutschland & dem HRM Institut in Auftrag gegebenen Meta-Studie für die Staffingbranche für 2022 ein Umsatzvolumen von 70 bis 75 Milliarden Euro und eine Wertschöpfung von 30 bis 35 Milliarden Euro jährlich festgestellt.
Dieser Wert unterstreicht die volkswirtschaftliche Bedeutung der Branche, die mit über 12.000 Unternehmen und über 75.000 internen Mitarbeitenden ihren Kunden Personalvermittlung, Personalberatung und Personaldienstleistung in den Geschäftsmodellen Freiberufliches Projektgeschäft, Festanstellungsvermittlung und Arbeitnehmerüberlassung anbietet.
Während Staffingfirmen in der Arbeitnehmerüberlassung ihre Mitarbeiter anstellen und an Kundenunternehmen verleihen, agieren Staffingunternehmen im freiberuflichen Projektgeschäft als Mittler zwischen Kunde und Freiberufler, sind somit als Projektbeschaffer und Projektverwalter tätig.
In der Festanstellungsvermittlung wird erfolgsbasierte Personalvermittlung oder mandatsbasierte Personalberatung angeboten. Diese strategische Positionierung ermöglicht es der Branche, sich als Premium-Dienstleister zu etablieren und Unternehmen bei der langfristigen Personalentwicklung zu unterstützen.
Veränderte Marktdynamiken zwischen Mangel und Wandel
In den nächsten Jahren steht die Staffingbranche vor einem komplexen Spannungsfeld: Während der Fachkräftemangel in klassischen Festanstellungen anhält, verändern sich gleichzeitig die Anforderungen und Zielgruppen. Unternehmen öffnen sich verstärkt für bisher weniger beachtete Talentpools wie Berufsrückkehrer, erfahrene Fachkräfte über 50 als auch RentnerInnen und internationale Spezialisten. Diese Entwicklung erfordert von Staffingfirmen neue Vermittlungsansätze und eine intensivere Betreuung sowohl der Kandidaten als auch der Kundenunternehmen.
Dem Mangel an qualifizierten Personal steht der Wandel durch die digitalen Revolution beim Endkunden gegenüber. Beispielsweise ist die Nachfrage nach Skills wie „IT-Programmierer“, welches in den letzten 20 Jahren der Kernskill jeder White-Collar-Staffing-Firma war, in den letzten zwölf Monaten um mehr als 60% eingebrochen – einerseits durch die angespannte Marktlage, aber schwerpunktmäßig wurde dieser Skill durch die KI, wie z.B. Chat-GPT, ersetzt.
Neben dem Wirtschaftswachstum wird diese Balance zwischen Mangel und Wandel die zweite Variable für die Weiterentwicklung der Branche sein.
Technologische Transformation prägt Zukunftsperspektiven
Aber die digitale Revolution beeinflusst nicht nur die Nachfrage der Endkunden, sondern wirkt sich auch auf die internen Besetzungsprozesse in den Staffingfirmen aus. Viele Staffingfirmen benutzen KI-Tools zum „augmented recruitment“, wie z. B. effiziente Matching-Tools. Die meisten Staffingfirmen stehen gerade vor der Einführung von „assisted recruitment“, wo Chatbots erste Interviews führen, Verfügbarkeiten prüfen und Termine koordinieren. Einige wenige Staffingfirmen beschäftigen sich bereits mit „autonomous recruitment“ Funktionen, bei denen der Prozess schon weitestgehend automatisiert durchgeführt wird und nur noch zu 5-10% in den Prozess eingegriffen werden muss.
Vor allem die Plattform-Firmen, vornehmlich im Blue-Collar-Bereich, sind hier führend. Bspw. vermittelt Zen-Jobs über 15.000 Jobs im Monat mit einer Automatisierungsrate von 93%, d.h. nur in 7% ist der Eingriff eines Recruiters/Account Managers erforderlich. Diese Ansätze sind im komplexeren White-Collar Recruitment nicht anwendbar.
Der Schlüssel zum Erfolg im White-Collar-Staffing liegt in hybriden Modellen, die digitale Effizienz mit persönlicher Beratung verbinden. Diese Transformation erfordert nicht nur erhebliche Investitionen in Infrastruktur und Mitarbeiterqualifikation, sondern muss auch strengere Compliance-Vorgaben erfüllen.
Neue EU-Transparenzrichtlinie verändert Branchenstandards
Die Branche steht aber auch vor neuen regulatorischen Herausforderungen: Mit der ab 2026 verpflichtenden EU-Richtlinie zur Gehaltstransparenz kommen auf die Unternehmen erweiterte Dokumentations- und Berichtspflichten zu. Dies betrifft nicht nur die internen Gehaltsstrukturen der Staffingunternehmen selbst, sondern wirkt sich auch auf die Beratung ihrer Kunden aus. Denn in Zukunft müssen bereits Stellenausschreibungen Angaben zur Vergütung enthalten, und Bewerber haben ein Recht auf Informationen über Gehaltsstrukturen. Führende Unternehmen der Branche nutzen die Übergangszeit bereits aktiv, um ihre Vergütungssysteme zu analysieren und transparente Gehaltsstrukturen zu entwickeln.
Der von APSCo Deutschland veröffentlichte Gehaltscheck 2024 greift diesen Impuls auf, damit die Staffingfirmen anfangen, proaktiv die Gehaltstransparenz umzusetzen bzw. sich darauf vorzubereiten, um dann im zweiten Schritt die Kunden beraten zu können.
Stabile Gehaltsentwicklung mit deutlichen Unterschieden nach Tätigkeitsfeld
Der Gehaltscheck zeigt – die Staffingbranche beweist ihre Stärke mit stabilen Gehaltszahlen: Die durchschnittlichen Grundgehälter stiegen moderat von 71.484 Euro 2023 auf 71.934 Euro 2024. Besonders bemerkenswert sind dabei die Gehaltsunterschiede nach Tätigkeitsbereich: Während Mitarbeitende auf der Kandidatenseite im Durchschnitt 47.100 Euro verdienen, liegt das Gehalt in der Kundenbetreuung bei 58.700 Euro und in 360-Grad-Rollen bei 58.800 Euro. Management-Positionen mit Vertriebsverantwortung erreichen durchschnittlich 87.100 Euro, ohne Vertriebsanteil sogar 105.700 Euro.
Attraktive Vergütungsmodelle: Bis zu 42% Bonus und umfassende Benefits
Die Vergütungsstrukturen in der Staffingbranche erweisen sich als hochgradig leistungsorientiert und wettbewerbsfähig. Zum Grundgehalt kommen attraktive Erfolgsboni hinzu, die sich je nach Geschäftsfeld deutlich unterscheiden: Während im Arbeitnehmerüberlassungsbereich (Temp) durchschnittlich 16.284 Euro gezahlt werden, liegt der Bonus in der freiberuflichen Projektvermittlung (Contract) bei 27.640 Euro.
In der Festanstellungsvermittlung (Perm) unterscheiden sich die Boni zwischen erfolgsbasierter Vermittlung (Perm-Contingent) (28.404 Euro) und mandatsbasierter Personalberatung (Perm-Retained Search) (29.308 Euro). Bemerkenswert ist auch das umfangreiche Benefit-Paket: 53% der Unternehmen bieten eine betriebliche Altersvorsorge und einen Firmenwagen, 50% stellen einen Parkplatz zur Verfügung. Moderne Arbeitsmodelle wie Workation (42%) und Sabbaticals (21%) gewinnen an Bedeutung, während die 4-Tage-Woche mit 5% weiterhin die Ausnahme ist.
Geschlechtergerechte Vergütung als Herausforderung
Die Entwicklung der Gehaltsstrukturen unter Gender-Aspekten zeigt in der Staffingbranche Handlungsbedarf: Wie die aktuelle Erhebung belegt, verdienen Männer im Durchschnitt 5% mehr als ihre weiblichen Kolleginnen. Dieser Gehaltsunterschied liegt damit zwar deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt von 18%, macht aber dennoch deutlich, dass die Branche weiterhin an der Verwirklichung der Entgeltgleichheit arbeiten muss. Die allgemein positive Gehaltsentwicklung sollte dabei genutzt werden, um gezielt Maßnahmen zur Reduktion der geschlechtsspezifischen Gehaltsdifferenzen zu implementieren.
APSCo Deutschland hat das Thema ED&I (Equality, Diversity, Inclusion) hoch priorisiert und verleiht z.B. jährlich einen ED&I Award, um die Wichtigkeit des Themas zu unterstreichen. Denn Staffingfirmen sitzen als Vermittler und Berater an der Schnittstelle zum Wandel, indem sie ihre Endkunden beraten. Daher ist eine stringente Umsetzung des ED&I Gedankens für Staffingfirmen höchstes Gebot.
Zufriedene Mitarbeiter als Stabilitätsanker: Staffingbranche mit hoher Mitarbeiterbindung
Die Staffingbranche zeichnet sich durch eine bemerkenswert hohe Mitarbeiterzufriedenheit aus: 69,9% der Beschäftigten im Bereich Festanstellungsvermittlung berichten von einer positiven Arbeitszufriedenheit, in der freiberuflichen Projektvermittlung sind es 56,5% und selbst in der von der Marktlage stärker betroffenen Arbeitnehmerüberlassung noch 49,2%. Diese hohe Zufriedenheit spiegelt sich auch in der Mitarbeiterbindung wider: Nur 11,9% der Beschäftigten suchen aktiv nach einer neuen Position, während 47,5% zwar grundsätzlich offen für Veränderungen sind, aber nicht aktiv suchen. 40,6% haben keinerlei Wechselwünsche – ein im Branchenvergleich ausgezeichneter Wert.
Lediglich in Großunternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden zeigt sich eine erhöhte Wechselbereitschaft. Diese stabilen Beschäftigungsverhältnisse bilden eine solide Basis für die Bewältigung aktueller Marktherausforderungen und die weitere Professionalisierung der Branche.
Gehaltscheck als Wegweiser der Staffingbranche
Mit dem Gehaltscheck 2024 setzt die Staffingbranche neue Maßstäbe im Bereich Gehaltstransparenz und untermauert ihre Rolle als Vorreiter bei der Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie. Die Analyse liefert wertvolle Orientierung, zeigt Unterschiede nach Tätigkeitsfeldern auf und gibt Impulse für wettbewerbsfähige und gerechte Vergütungsmodelle.
Dieses Instrument stärkt das Vertrauen von Unternehmen und Talenten gleichermaßen und legt die Grundlage für faire, langfristige Partnerschaften. Der Gehaltscheck ist mehr als ein Analysewerkzeug – er ist ein strategischer Leitfaden, der die Branche auf die Herausforderungen der Arbeitswelt von morgen vorbereitet.
Quelle: Pressemitteilung von APSCo
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