Mit dem neuen LinkedIn Videofeed werden Kurzvideos jetzt wie bei Instagram Reels in einen eigenen Feed beim Businessnetzwerk LinkedIn eingespielt. Das bietet einige neue Chancen, hat aber auch seine Risiken.
LinkedIn Videofeed noch als Beta Version
Zwar ist der neue Menüpunkt in der Navigationsleiste der LinkedIn App schon vollwertig integriert, siehe Screenshot.
Aber der neue Feed wird noch als Beta Version gekennzeichnet, kann sich also nochmal verändern. Schon im März wurden erste Tests im Netz gemeldet. Jetzt scheint das Ausrollen im DACH-Raum zu erfolgen.
In der Desktop-Variante scheint der Feed bislang nicht integriert zu sein. Möglicherweise wird er das auch nie, da auch so gut wie niemand Instagram oder TikTok per Desktop nutzt, sondern mobil durch den Video-Content swiped.
Feed für Videos im Hochkant-Format
Analog Instagram und TikTok ist das neue Format für klassische Handyvideos im Hochkant 9:16 Format optimiert. Videos können dabei intuitiv mit einem Finger durchgewiped werden, und laufen automatisch ab. Auch der Ton ist standardmäßig aktiviert, so dass keine weiteren Einstellungen notwendig sind, um Inhalte zu konsumieren.
Video-Content-Creator übernehmen das Feld
Dort wo bereits heute zunehmend Videos im normalen Feed zu sehen waren, die von verschiedenen Quellen stammten, ist der aktuelle Videofeed auf LinkedIn voll von klassischen Content-Creatorn. Die üblichen „Ich zeige Dir, wie Du mit ganz wenig <setze ein, was Dir schwerfällt> ganz ganz viel <setze ein, was Du gerne magst> erzielen kannst, ohne dass Du dabei …“-Business-Coaches-Klone haben bereits das Feld übernommen.
Allerdings hatte LinkedIn das bereits schon eine Weile avisiert, dass Content-Creator die neue relevante Zielgruppe sein sollen. Mit anderen Worten: Gebt denen, die schon viel haben – es leben die großen Accounts. Ein mittlerweile absolut übliches Monetarisierungsmodell.
Ich hatte damals schon in einem Artikel geschrieben, dass sich Social Media als Möglichkeit zur sozialen Interaktion unter Gleichgesinnten und möglichen Businesspartnern langsam „ausschleicht“ und ersetzt wird durch Creator Media. Also professionelle (wie geklont wirkende) Einerlei-Content-Flut für einige wenige.
Chancen für HR durch den Videofeed auf LinkedIn
Aufgrund der Tatsache, dass die TikTok-User:innen immer älter werden und damit in den Zielgruppenbereich von LinkedIn gelangen, holt die Plattform diese verständlicherweise jetzt deutlich besser ab. Dabei muss ein kompletter Umstieg gar nicht erfolgen. Immerhin können Inhalte aufgrund der gleichen technischen Anforderungen leicht mehrfach verwertet werden.
Wir werden also in Kürze erleben, wie die bisherigen Instagram und TikTok Influencer spielend leicht auch auf LinkedIn ein Millionen-Publikum erreichen und dort ihren Erfolg fortsetzen.
Aber auch experimentierfreudige HR-Verantwortliche dürften jetzt in Goldgräberstimmung verfallen, denn mit Sicherheit wird der LinkedIn Video-Feed mit einer hohen Zielgruppenerreichung und erhöhten Sichtbarkeit verbunden sein – zumindest ganz zu Beginn des neuen Features.
Risiken für HR durch den Videofeed auf LinkedIn
Auch wenn es eine Weile dauern wird, bis die LinkedIn-App-Nutzer den neuen Feed mit den Videos umfassend nutzen, wird es einen „der frühe Vogel fängt den Wurm“-Effekt geben. Das Risiko liegt also vor allem darin, dass trotz verfügbarer Instagram- und TikTok-Contents, die Gunst der Stunde durch HR-Media-Kommunikatoren nicht genutzt wird.
Vermutlich lassen sich gerade in der Anfangszeit des Videofeed noch ordentlich Follower gewinnen – ohne Zusatzaufwand.
Existentielle Risiken gibt es allerdings nicht – mal abgesehen von vielleicht nicht wirklich für die Zielgruppe interessanten Videos im LinkedIn-Feed.
Gefahr des Verlusts des Business-Charakters von LinkedIn
Der neue Videofeed im LinkedIn-Menü sorgt für eine deutliche weitere Angleichung der Social Media App Landschaft. Mit dem von mir erwarteten Überschwappen der TikTok- und Instagram-Influencer-Flut auf das Businessnetzwerk, werden einerseits spannende neue Formate möglich – andererseits besteht die reelle Gefahr, dass die Inhalte sich ebenfalls angleichen. Wodurch LinkedIn seinen Business-Fokus verlieren könnte.
Andererseits könnte gerade das Schaffen einer „All-in-one“-Social Media App für LinkedIn reizvoll sein. Denn je mehr Datenspuren User hinterlassen, um so wertvoller werden auch die klassischen Services wie Stellenanzeigen, Businesskontakte, Recruitingservices und mehr.
Übrigens auch ein Grund, warum der Rückzug aus der Social Media Welt seitens XING gefährlich ist. Denn je mehr Daten ich als Dienstleister über meine Zielgruppe aufzeichne und auswerte, um so besser kann ich die tatsächlich passenden Jobs vermitteln.
Insofern dürfte das auch für klassische Stellenbörsen immer stärker zur „Gefahr“ werden – wenn Jobsuchende und Personalverantwortliche erkennen, dass gerade reine Jobbörsen beim Thema „Bestmatch“ die Nase weit hinter den Social Media Giganten haben. Und LinkedIn geht das ungemein clever an.
Mein Fazit zum LinkedIn Video Feed
Ein erwartbares Feature ist mit dem separaten Video Feed in der LinkedIn-App jetzt verfügbar. Der konsequente Weg der Plattform ist nachvollziehbar und bringt wieder Schwung in die Branche(n). Die geschilderten „Gefahren“ sind vermutlich vernachlässigbar, da auch heute schon die normalen Feeds voll sind von -überwiegend weiblichen- „Influencern“, die mit Kalendersprüchen und Sprichwörtern die LinkedIn-Nutzenden zu Tausenden zu sich ziehen. Echter Mehrwert ist aus meiner persönlichen Sicht auch heute schon mehr als rar geworden. – Müsste ich als HR-Influencer das Portal nicht nutzen, wer weiß, ob ich es tun würde.
Über den LinkedIn Videofeed werden sich viele extrem freuen – ich selbst bin hier eher gelassen, weil ich schon heute Videos im Feed in der Regel ignoriere. Verbunden mit dem großen Risiko medial abgehängt zu werden durch die neuen Content-Creator mit TikTok, Reel- und Shorts-Erfahrung. By the way: TikTok zahlt übrigens bereits hohe Prämien für Influencer, wenn sie anderen Plattformen den Rücken kehren und zur eigenen App wechseln …
Die Entwicklung des Video-Feeds von LinkedIn wird aber in jedem Fall spannend.