Mit einem Reformbooster will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dem Fachkräftemangel entgegentreten und die deutsche Wirtschaft ankurbeln, das kündigte er Ende Februar bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts der Bundesregierung an. Doch deutsche Arbeitgeber verkennen dabei noch immer ein großes Potenzial: Frauen. Diese werden in Hinblick auf Karriere und Kompetenzen weniger gefördert als Männer, wie eine Randstad-Studie zeigt. Was die Gründe dafür sind und wie Unternehmen jetzt gegensteuern können, erklärt Randstad CSR-Expertin Carlotta Köster-Brons.
Teilzeitquote unter Frauen mit 47,8% weiterhin hoch
Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist Gleichstellung längst kein optionaler Punkt mehr auf der Agenda, sondern dringende wirtschaftliche Notwendigkeit. Doch obwohl die Erwerbstätigkeitsquote von Frauen in Deutschland inzwischen laut Statista bei rund 72% liegt, bleibt die Teilzeitquote hoch: Fast die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen (47,8%) hierzulande arbeitet nicht in Vollzeit.
Als Ursachen gelten unter anderem der stockende Ausbau von Betreuungsangeboten sowie die steuerliche Subventionierung von traditionellen Rollenverteilungen. Damit bleibt ein wichtiges Potenzial am Arbeitsmarkt ungenutzt. Mit Folgen nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Arbeitnehmerinnen selbst: Die Lohnlücke zwischen Mann und Frau – der sogenannte Gender Pay Gap – beträgt noch immer 18% (unbereinigt). Und das, obwohl 74% der deutschen Arbeitnehmenden das Thema gleiche Bezahlung von Mann und Frau wichtig ist, wie das Randstad Arbeitsbarometer zeigt.
Entwicklungsgespräche? Für viele Frauen Fehlanzeige
Doch nicht nur bei der Bezahlung, auch bei Karriere und Kompetenzerwerb müssen Frauen Abstriche machen. Dass der Arbeitgeber nie mit ihnen über ihre Entwicklung und Karriere spricht, ist für 40% der deutschen Arbeitnehmerinnen Realität. Zum Vergleich: Nur 29% ihrer männlichen Kollegen müssen auf Karrieregespräche verzichten – eine Geschlechterdifferenz von 11%.
Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern herrschen in Deutschland noch immer deutlich konservativere Rollenbilder vor.
Vor allem eine in Vollzeit arbeitende Mutter ist noch immer eher die Ausnahme als die Regel. Das Problem dabei ist: Teilzeitbeschäftigte werden häufig nicht für Führungsrollen in Betracht gezogen, weil für viele Arbeitgeber oftmals nicht nur die Qualifikation, sondern eine hohe Präsenzzeit ausschlaggebend ist. Auch dadurch trifft es besonders Frauen, die beim Thema Karriere nicht berücksichtigt werden. Dabei zeigen viele Beispiele, dass Führung auch in Teilzeit hervorragend funktioniert.
Arbeitgeber fördern Kompetenzerwerb bei Frauen seltener
Diese Diskriminierung zeigt sich auch beim Erwerb von Zukunftskompetenzen. Um einen Karrieresprung oder eine bessere Entlohnung zu erreichen, spielen diese eine große Rolle. Das Randstad Arbeitsbarometer zeigt: Auch hier haben Frauen oft das Nachsehen. Denn während 55,3% der Frauen angeben, von ihren Arbeitgebern nicht bei Weiterbildungen und dem Erwerb von Qualifikationen unterstützt zu werden, sind es bei den männlichen Kollegen nur 49,8%.
Dabei haben wir die bestausgebildete Frauengeneration aller Zeiten und damit ein Riesenpotenzial für die Wirtschaft. Dieses Potenzial zu ignorieren, bedeutet für Unternehmen, ihre Zukunftsfähigkeit aufs Spiel zu setzen.
Verbindliche Programme können Gleichstellung in Unternehmen stärken
Was es brauche, sei eine verbindliche Förderung von Frauen in Unternehmen, um Ungleichheiten abzubauen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Zwar könnten Unternehmen nicht die strukturellen Defizite der gesetzlichen Rahmenbedingungen ausgleichen, dennoch können Arbeitgeber im Rahmen einer Selbstverpflichtung, die sich überprüfbare Ziele setzt, vieles tun, damit Frauen ihr Potenzial für die Wirtschaft entfalten können.
Dazu gehören Angebote für den Aufbau von Netzwerken, gezielte Weiterbildungs- und Karriereangebote, aber auch die Stärkung von Männern in ihren Rollen als Väter, um verkrustete Rollenbilder aufzubrechen und echte Gleichstellung zu unterstützen.
Über das Randstad Arbeitsbarometer
Das Randstad Arbeitsbarometer wurde 2003 eingeführt und deckt inzwischen 34 Länder auf der ganzen Welt ab. Die Studie erscheint einmal jährlich und macht sowohl nationale als auch globale Trends auf dem Arbeitsmarkt sichtbar. Verschiedene Pulse Surveys in ausgewählten Ländern ergänzen im Jahresverlauf das Randstad Arbeitsbarometer mit Einblicken in aktuelle Entwicklungen. Die Befragung wird online unter Arbeitnehmer:innen im Alter von 18 bis 65 Jahren durchgeführt, die mindestens 24 Stunden pro Woche einer bezahlten, nicht selbständigen/freiberuflichen Tätigkeit nachgehen. Die Mindeststichprobengröße beträgt 800 Interviews pro Land.