Recruiting und Weiterbildung vernetzt denken

Warum Sie Recruiting und Weiterbildung vernetzt denken sollten

Recruiting und Weiterbildung können in Zeiten von Fachkräftemangel und Arbeiterlosigkeit nicht weiter getrennt betrachtet werden. Stattdessen trete ich für eine ganzheitliche Sichtweise auf Personalgewinnung ein – mit starkem Fokus auf die interne Veränderungs- und Lernfähigkeit der Beschäftigten. Warum Sie gar nicht umhin kommen, diesen Ansatz zumindest für sich zu prüfen, zeige ich Ihnen in meinem aktuellen Artikel.

Von Arbeitslosigkeit zur Arbeiterlosigkeit

Den Begriff des Fachkräftemangels können viele von Ihnen vermutlich bald nicht mehr hören oder lesen. Allerdings gerät Deutschland zunehmend in eine Situation, in der systematisch quer durch die Branchen die arbeitswilligen Fachkräfte Mangelware sind. Gesprochen wird längst von der Arbeiterlosigkeit – in Anlehnung und Umkehrung des Begriffs Arbeitslosigkeit.

Und diese Arbeiterlosigkeit wird immer stärker zu einem real spürbaren Problem – trotz steigender Recruiting-Bemühungen.

Krisenbranchen komplett leergefegt

Ein aktuelles Beispiel erleben wir derzeit an den deutschen Flughäfen. Statt einen wieder einigermaßen geregelten Betrieb anzubieten, herrscht dort das blanke Chaos. Denn aufgrund der Corona-Pandemie wurden in den letzten beiden Jahren deutlich Stellen gestrichen, bei Pilotinnen und Piloten, Flugbegleitung und Bodenpersonal, wie beispielsweise im Bereich Sicherheit.

Aufgrund zusätzlich katastrophaler personeller Fehlplanungen (Stichwort: fehlende strategische Personalplanung) sowie eingeschränkter mechanistischer Sichtweisen, starteten die Recruiting-Kampagnen viel zu spät. Unterschätzt wurde nämlich die deutlich gestiegene sogenannte Time-to-Hire, also die Zeitspanne, die für die Besetzung einer Stelle notwendig ist. In vielen Branchen geht da kurzfristig oder gar spontan nicht mehr viel. – Zumindest nicht mit althergebrachten Methoden.

Selbst im Urlaub konnten wir kürzlich die Auswirkungen der Arbeiterlosigkeit live miterleben. Dauerhaft geschlossene Geschäfte am Urlaubsort – von der Gastronomie bis hin zu Friseurläden. Der Grund: Es können keine Menschen gefunden werden, die arbeiten wollen! Und dabei geht es noch nicht mal um hochausgebildete Fachkräfte. Gleiches galt für ein (4-Sterne) Hotel einer großen Kette im schönen Hamburg: mehrere Tage in der Woche geschlossenes Restaurant und kein Bar-Betrieb: Arbeiterlosigkeit.

Menschen verändern ihre Branche, bilden sich weiter

Das Verhalten der ehemaligen Beschäftigten in diesen Berufen ist nur zu verständlich. Während Gastronomie, Reise- und Tourismusbranche nun mehrere Jahre lang gezeigt haben, dass sie als Reaktion auf pandemische Ereignisse vor allem Massenentlassungen in Betracht ziehen, festigten sie damit den Eindruck, keine krisenfeste Branche zu sein.

Und so heuern die ansonsten in der Gastronomie tätigen Saisonkräfte vielerorts lieber bei den ortsansässigen Discountern an. Denn der Betrieb an einer Kasse sichert auch in Krisenzeiten den Job. Zumindest so lange hier die Digitalisierung und Automatisierung noch nicht stärker durchschlägt. Aber das ist ein anderes Thema.

Auch wenn ich in Deutschland keine massiven systematischen Kündigungswellen in Sinne der US-amerikanischen Great Resignation erkennen kann. Trotzdem sind viele Menschen gerade durchaus wechselwillig. Und es gibt viele Gründe dafür. Die aufgezeigten Krisenbranchen sind nur einige wenige Beispiele.

Deutschland fehlen 250.000 Handwerker

Zu den oben genannten Fällen kommen systematische Verschiebungen im Bereich Bildung und Berufsausbildung. So titelte der SPIEGEL diese Woche „Deutschland fehlen 250.000 Handwerker“ – der Fachkräftemangel hat längst das Handwerk erreicht.

Und auch hier kann ich aus eigener Erfahrung berichten, dass es gerade keinen Spaß macht, wenn handwerkliche Arbeiten im Haus anstehen. Denn ich bin bekanntermaßen eher ein „Mundwerker“ denn ein „Handwerker“ – obwohl ich einen Großteil meiner Leistungen per Hand tippend erbringe. Sie wissen aber sicher, was ich meine.

Da werden auch schon mal Zusagen oder Terminpläne über den Haufen geworfen, da bei den Elektrikern nunmehr das lukrative Geschäft mit Solarmodulen ansteht. Da bleibt keine Zeit für „Kleinkram“. Grund sind natürlich auch fehlende Mitarbeitende. Zitat: „Ich könnte nochmal so viele Elektriker anstellen und auslasten – wenn es denn am Markt welche gäbe!“.

Wir bilden am Arbeitsmarkt vorbei aus

Verschärfend kommt hinzu, dass in unserer Gesellschaft ein politisch gewolltes Maximal-Bildung-Mantra en vogue geworden ist. Dies führt dazu, dass immer mehr junge Menschen dem Irrglauben verfallen, sie müssten über ein Abitur ein Studium anstreben. Häufig komplett an den Realitäten, Kompetenzen und letztlich dem Bedarf in der Wirtschaft vorbei.

So richtig klar geworden ist mir der Zusammenhang noch einmal, als ich kürzlich mit TRIGEMA-Chef und Vorzeige-Unternehmer Wolfgang Grupp die Podcast-Folge Klartext HR #54 aufnehmen durfte. Er wies darauf hin, dass der Trend hin zum Abitur den für ihn erfolgskritischen Arbeitsmarkt der Näherinnen und Näher in Deutschland deutlich schmälere.

Arbeitsmarkt und Weiterbildung sinnvoll verknüpfen

Wir nähern uns nunmehr schon den Kern-Erkenntnissen dieses Artikels, angedeutet in der Überschrift. Warum Sie Recruiting und Weiterbildung vernetzt denken sollten.

Dem zugrunde liegt meine generelle Auffassung, dass wir die Prozesse der Personalgewinnung und „Bindung“ noch immer als zu getrennt betrachten. In meinem Fachbuch „Praxisleitfaden erfolgreiche Personalgewinnung für KMU“ (Anzeige) plädiere ich daher gleich zu Beginn für ein ganzheitliches Verständnis aus Recruiting, Weiterbildung, interner Karrieremobilität und Mitarbeitendenbindung.

Ganzheitliches Verständnis Mitarbeitergewinnung
Quelle: Praxisleitfaden erfolgreiche Personalgewinnung für KMU von Stefan Scheller (Anzeige)

Recruiting und Mitarbeiterbindung sind zwei Seiten der Medaille

Die Aussage mag Ihnen lapidar vorkommen. Aber es ist doch um ein Vielfaches leichter, Mitarbeitende im Unternehmen zu halten als auf dem Arbeitsmarkt Menschen neu für die eigene Organisation zu gewinnen. Trotzdem legen Personalverantwortliche in Unternehmen gerade den Fokus maximal auf Employer Branding und Recruiting. Also auf die Personalgewinnung. Das kann ich natürlich erst einmal verstehen, da es eine effektive Maßnahme ist: Sie suchen Personal, also stellen Sie welches ein. Aber wo ist die Effizienz dabei?

Sie pumpen also gefühlt Monat für Monat mehr Budget in Recruiting-Maßnahmen und wundern sich, warum Sie noch immer massive Vakanzen haben. Im schlimmsten Fall schimpfen Sie über die vermeintliche Unfähigkeit Ihrer im Recruiting tätigen Mitarbeitenden. Die wiederum zeigen sich eher komplett überlastet und völlig überfragt, was sie denn tun könnten, um noch schneller, noch mehr Fachkräfte auf einem Markt der Arbeiterlosigkeit zu finden und zu gewinnen.

Also nochmal zurück auf Anfang:

Eine durchdachte Personalstrategie – wichtiger denn je

Das Haupt-Problem ist in den meisten Fällen eine nicht oder zumindest wenig durchdachte Personalstrategie. Ausgerichtet an strategisch notwendigen Skills und Kompetenzen, gerne verdichtet zu Jobrollen, müssen Unternehmen heute ihre Bedarfe stärker konkretisieren. Dabei spielt die Unternehmensstrategie eine entscheidende Rolle. Denn hier wird definiert, was zukünftig die Leistungen der Organisation für die Kundinnen und Kunden sein sollen.

HR muss nunmehr darauf Bedarfe an Skills und Kompetenzen ableiten. Und – jetzt kommt die wichtige Wiederholung: Bitte nicht nur in Richtung Recruiting denken! Auch intern dürften eine Vielzahl an Menschen darauf warten, sich weiterzuentwickeln und zu verändern. Sogar der eine oder andere Mensch, dem die Personalverantwortlichen eine „Minderleistung“ attestieren, arbeitet möglicherweise einfach nur (zu lange schon) am falschen Platz im Unternehmen.

Menschen wollen sich weiterbilden und besser werden. Geben Sie Ihnen doch systematisch die Chance dazu!

Interne neue Karrierewege und Weiterbildungen

Das bedeutet konkret, dass Sie einerseits die interne Karrieremobilität deutlich erhöhen sollten. Also Menschen im Unternehmen systematisch für den internen Wechsel vorbereiten und aktivieren. Und es heißt auch, notwendige Skillbedarfe über Weiterbildungen, Curricula, Lernzirkel oder ähnlich zumindest teilweise unternehmensintern stillen zu können. Kleinere Unternehmen können hierzu auf spezialisierte Dienstleister zugreifen – dazu in Kürze mehr an dieser Stelle.

Natürlich wird das nicht all Ihre Recruiting-Probleme lösen. Aber es ist der aus meiner Sicht notwendige radikale Umbau, dem sich Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels beziehungsweise der zunehmenden Arbeiterlosigkeit trotzdem stellen müssen. Ansonsten droht ein Hamsterrad aus übertaktetem Recruiting einerseits und steigender Fluktuation andererseits.

Den Fokus stattdessen auch nach innen richten, die Veränderungsfähigkeit und Veränderungswilligkeit der gesamten Organisation steigern, dessen organisationale Lernfähigkeit maximieren. Und Recruiting und Weiterbildung sowie Personalentwicklung gemeinsam denken – sowie entsprechend handeln.

Das sind Kernaussagen meines ganzheitlichen Verständnisses von Personalgewinnung.

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Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer (Personalmagazin 05/22) betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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