Wussten Sie, dass die Bundesagentur für Arbeit Produkte und Dienstleistungen zur digitalen Weiterbildung
konzipiert und Agenturen für Arbeit und gemeinsamen Einrichtungen in Zusammenarbeit mit Dienstleistern anbietet? Wie eine Behörde die digitale Transformation mit Lern-Produkten und Plattformen unterstützt, erfahren Sie in meinem Interview mit Martina Rauch, Fachbereichsleiterin Entwicklung Arbeitsmarktprodukte.
Wenn die Bundesagentur Produkte zur digitalen Weiterbildung konzipiert
Guten Tag Frau Rauch, würden Sie sich bitte kurz vorstellen?
Mein Name ist Martina Rauch, ich arbeite seit über 30 Jahren in unterschiedlichen Funktionen und Dienststellen bei der Bundesagentur für Arbeit. Seit 2008 arbeite ich in der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit.
Welche Aufgaben verantworten Sie innerhalb der Bundesagentur für Arbeit konkret?
Unter Produkten für Eingliederungsleistungen sind Leistungen zu verstehen, die an Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder auch Bildungsanbieter gewährt werden, zum Beispiel bei beruflicher Weiterbildung, Eingliederungszuschüsse, aber auch Leistungen zur Eingliederung von langzeitarbeitslosen Menschen, wie beim Teilhabechancengesetz.
Wir unterstützten die Jobcenter, damit die Vorschriften gut und rechtssicher umgesetzt und auch mit den IT-Verfahren möglichst effizient abgewickelt werden und statistisch abbildbar sind.
Angebote zur Reintegration in den Arbeitsmarkt
Wie ist es generell um die Personengruppe in der Grundsicherung bestellt? Gibt es hier Trends mit Blick auf eine (Re)Integration in den Arbeitsmarkt?
Die Personengruppe der Langzeitarbeitslosen in der Grundsicherung ist sehr heterogen. Viele dieser Menschen verfügen aber über keinen Berufsabschluss. Menschen ohne Berufsabschluss sind bereits jetzt sechsmal so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen wie Fachkräfte. Diese Menschen haben sowohl ein deutlich höheres Risiko arbeitslos zu werden, als auch arbeitslos zu bleiben.
Dennoch ist es gelungen, die Zahl der Langzeitarbeitslosen in den letzten 3 Jahren auf unter 700.000 zu reduzieren, nachdem die Langzeitarbeitslosigkeit über viele Jahre bei ca. 1 Million Menschen stagniert ist. Dazu haben vielfältige Aktivitäten und Initiativen der Jobcenter und Agenturen vor Ort beigetragen.
Auswirkungen der Corona-Krise deutlich spürbar
Gibt es schon Prognosen, wie sich die Corona-Krise auf diese Zielgruppen auswirkt?
Etwa 750.000 Firmen und 10,1 Millionen Beschäftigte sind in Deutschland derzeit potenziell von Kurzarbeit betroffen. Dass so viele Unternehmen Kurzarbeit angemeldet haben zeigt, dass die Unternehmen ihre Arbeitskräfte halten wollen.
Die Zahl der Arbeitslosen ist im April 2020 dennoch bundesweit um 381.000 angestiegen. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Arbeitskräften regelrecht eingebrochen. Hier sehe ich das Risiko, dass die Menschen entlassen werden, die über keine oder eine nicht so gute Qualifikation verfügen.
Für Menschen, die derzeit arbeitslos sind oder arbeitslos werden, ist es jedoch schwierig, eine neue Beschäftigung zu finden.
Herausforderungen auch für die Bundesagentur für Arbeit
Was waren für Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den letzten Wochen die größten Herausforderungen?
Die größten Herausforderungen waren, das Geschäft in den Dienststellen, das auf persönlichen Kontakten basiert, innerhalb weniger Tage auf null zu fahren und im erforderlichen Umfang andere Kanäle im Kundenkontakt zu nutzen. Gleichzeitig mussten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen befähigt werden, Anträge auf Kurzarbeitergeld zu bearbeiten, da hier das Arbeitsvolumen um das 15-fache gestiegen ist.
Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die bei Bildungsanbietern in der Regel auch in Form von Präsenzschulungen stattfinden, durften ab Mitte März in dieser Form nicht mehr durchgeführt werden. Die Konzepte mussten auf alternative Durchführungsformen umgestellt oder die Maßnahme unterbrochen werden.
Mit den Lockerungen besteht nun die Herausforderung, diese Maßnahmen Schritt für Schritt wieder in eine neue Normalität zu überführen. Dabei gelten die Regelungen der jeweiligen Länder und Kommunen und wir haben damit zum Teil unterschiedliche Rahmenbedingungen und auch ein unterschiedliches Tempo, was den Wiedereinstieg anbelangt.
Portfolio digitale Weiterbildung vor der Krise
Wie sah Ihr neu gestaltetes Portfolio vor der Krise mit Blick auf die Qualifizierung für einen zunehmend digitalen Arbeitsmarkt aus? Gibt es signifikante Anpassungen?
Wir haben auch vor der Krise schon intensiv daran gearbeitet, die Arbeitsmarktprodukte zunehmend mit digitalen Inhalten auszugestalten. Ziel ist, dass die Nutzung digitaler Methoden und die Vermittlung digitaler Grundkompetenzen Bestandteil der Maßnahmen ist.
Die Krise hat diesem Thema durch die „alternative Durchführungsformen“ also beispielsweise e-Learning, Learning Nuggets und mehr, einen deutlichen Schub gegeben. Das gilt sowohl für die digitale Interaktion wie beispielsweise per Skype, als auch das digitale Lernen.
Diesen durch die Krise verursachten digitalen Schub wollen wir aufgreifen und in das Regelgeschäft überführen. Dabei gilt es aber auch bestimmte Grenzen zu berücksichtigen und zu differenzieren, welche Inhalte für alternative Lernmethoden geeignet sind. Aber auch welche Personengruppen wir damit erreichen können.
Gerade in der Grundsicherung, wo es zum Teil auch darum geht, Menschen eine Tagesstruktur zu geben und sie wieder an soziale Kontakte zu gewöhnen, werden Präsenzmaßnahmen immer ein Bestandteil bleiben.
Appell an Personaler: Digitale Weiterbildung vorantreiben!
Welche Botschaft möchten Sie meinen Lesern in den Personalabteilungen gerne noch mit auf den Weg geben?
Der Strukturwandel wird zusammen mit der Digitalisierung zu einer tiefgreifenden Transformation der Arbeitswelt führen, die uns alle betreffen wird. Daran wird auch die Corona-Krise nichts ändern.
Wichtig ist jetzt, dass auch in Betrieben, in denen Aufträge und Einnahmen wegbrechen und Beschäftigte in Kurzarbeit sind, Weiterbildungsaktivitäten nicht aus dem Blick geraten:
- Der Aus- und Weiterbildung von Beschäftigten kommt bei dieser Umgestaltung der Arbeitswelt eine zentrale Rolle zu. Bereiten Sie Ihr Unternehmen durch Weiterbildung auf diesen Wandel vor. Dabei können auch die arbeitsmarktpolitischen Instrumente unterstützen.
- Durch die jetzige Auftragslage entstehen teilweise zeitliche Freiräume. Diese ermöglichen es, Beschäftigte zu qualifizieren. Kurzarbeit ist auch mit Weiterbildung kombinierbar.
- Etablieren Sie eine Weiterbildungskultur im Unternehmen. Machen Sie Arbeitsplätze zu Lernorten und erlauben sie neue Lernformate LINK für eine praxisnahe, flexible und individualisierbare Qualifizierung und informelles Lernen am Arbeitsplatz und nutzen Sie auch digitale Lernmethoden.
- Zielgerichtete Weiterbildung ist nicht nur ein Kostenblock, sondern eine Investition in die Zukunft.
Vielen herzlichen Dank für das Interview Frau Rauch und weiterhin viel Erfolg bei Ihrer wichtigen Aufgabe!
Über meine Interview-Partnerin:
Martina Rauch ist seit über 30 Jahren in verschiedenen Agenturen für Arbeit, einer Regionaldirektion sowie der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in unterschiedlichen fachlichen Aufgabenbereichen und Führungsfunktionen tätig.
Seit 2011 ist sie in der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit verantwortlich für die Produktentwicklung von Eingliederungsleistungen in der Grundsicherung.