Können Sie sich vorstellen, ein Bewerbungsgespräch zukünftig vorab mit einem empathischen Avatar zu trainieren? Das Forschungsprojekt EmpaT am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) zeigt auf, wie das aussehen könnte. Unter der Projektleitung von Patrick Gebhard entwickeln die Forscher eine virtuelle empathische Figur, die menschliche Interaktion verstehen und nachahmen kann. Mein Interview zum derzeitigen Stand des Projekts.
Künstliche Intelligenz im Recruiting
In zahlreichen zukunftsgerichteten Beiträgen habe ich die Digitalisierung im Recruiting bereits beleuchtet. Angefangen von Grundlagen zum Robot Recruiting, über die Frage, ob Bots tatsächlich vorurteilsfreie Entscheidungen treffen können, bis hin zu meinem Statement gegen zu stark vermenschlichte Recruitingroboter. Letztere konnten Sie bereits einige kennenlernen in meinem Blogbeitrag Wenn sich Recruitingroboter bei Unternehmen bewerben.
Heute möchte ich Ihnen das Forschungsprojekt EmpaT des DFKI vorstellen. Hier entwickeln die Forscher ein im Rahmen von Bewerbungstrainings einsetzbares Szenario mittels künstlicher Intelligenz. Das Besondere daran spiegelt sich bereits im Projektnamen wieder. Es geht um nichts weniger als einen Avatar mit empathischen Fähigkeiten in der Rolle eines Personalers oder einer Personalerin.
Im nachfolgenden Video sehen Sie eine Demonstration des EmpaT-Systems, um nonverbale Signale des Benutzers in „Echtzeit“ zu analysieren. Die (Re-)Aktionen des virtuellen Bewerbungscoachs dienen laut Projektteam der Illustration und sind zum Teil bewusst überzeichnet.
Der Leiter des EmpaT-Projekts Patrick Gebhard hat sich bereiterklärt, mir einige Fragen zu beantworten.
Interview mit dem EmpaT-Projektleiter Patrick Gebhard
Die Zielsetzung des Forschungsprojekts EmpaT
Für welche Zielgruppe soll die Lösung aus dem Forschungsprojekt EmpaT eingesetzt werden und zu welchem Zweck?
Das Projekt EmpaT entwickelt und evaluiert ein empathisches soziales Training für Jobinterviews. Ziel des Trainings ist es, in einer geschützten Umgebung und mit der Unterstützung einer einfühlsamen virtuellen Figur in der Rolles eines Personaltrainers, den Prozess eines Jobinterviews möglichst realitätsnah zu durchleben. Dies soll helfen, um in realen Jobinterviews nicht nur auf eventuelle Fragen besser vorbereitet zu sein, sondern auch gelassener in schwierige Bewertungssituationen zu gehen. Übende, in der Rolle von Bewerbern aber auch Personaler, die sich auf unterschiedliche Aufgaben in einem Jobinterview vorbereiten wollen, können mit natürlich wirkenden virtuellen Figuren in einer 3D-Welt trainieren und bekommen auf verschiedenen Ebenen Feedback.
Tracking nonverbaler Signale durch den Avatar
Werden spätere Anwender ebenfalls komplett beim Üben der Bewerbungsgespräche getrackt oder ist dies nur Mittel zum Zweck, um die soziale Interaktionskompetenz und Empathie des Avatars zu trainieren?
Eine der Hauptkomponente ist das Feedback zu verschiedenen beobachtbaren Merkmalen von Übenden, wie zum Beispiel Blickverhalten oder Körperhaltung. Deshalb werden beim Üben diese Signale aufgezeichnet. Diese Aufzeichnung allerdings bleibt bei Übenden auf dem eigenen PC. Die Analyse der sozialen Signale findet lokal statt und kann von Übenden selbst kontrolliert werden. Das Tracking nonverbaler Signale von Übenden wird auch für das nonverbale, kommunikative Verhalten der virtuellen Interaktionspartner gebraucht, das sich je nach Trainingssituation an die nonverbalen Signale von Übenden anpasst.
Aktueller Forschungsstand zur Interaktion Mensch-Avatar
Wie weit sind Sie mit Ihren Forschungen?
Wir haben in den letzten Jahren die Interaktion zwischen Menschen und virtuellen Figuren weiter erforscht. Diese sind teilweise sehr ähnlich zu der Mensch-Mensch-Interaktion. Zum Beispiel haben wir herausgefunden, dass eine virtuelle Figur unter bestimmten Umständen durchaus in der Lage ist, den Nutzer so stark in Verlegenheit zu bringen, wie dies auch ein Mensch könnte. Ein weiterer Fokus unserer Forschung der letzten Jahre ist die Simulation von internen Gefühlen von Dialogpartnern unter zu Hilfenahme von Theory-of-Mind-Konzepten. In diesem Gebiet haben wir die Grundlagen gelegt.
Natürlichkeit des Avatars als größte Herausforderung
Was waren bisher die größten Herausforderungen?
Eine der größten Herausforderungen ist die Natürlichkeit der virtuellen Figur zu gewährleisten. Vor allem bei der Sprachgenerierung gibt es noch einige Hürden, welche die Figur unnatürlich erscheinen lassen. Eine noch größere Herausforderung ist die Realisierung eines Theory-of-Mind-Modells, also die Generierung von Hypothesen, wie sich Übende in einer bestimmten Trainingssituation fühlen. Basierend auf diesen Hypothesen sind Trainingssysteme in der Lage, einfühlsam den weiteren Trainingsverlauf anzupassen, so wie es ein menschlicher Personaltrainer auch tun würde.
Einbindung von Personalern ins Projekt EmpaT
Das oben gezeigte Video wirft derzeit kein sehr gutes Licht auf die Berufsgruppe der Recruiter und bestätigt meiner Ansicht nach eher negative Vorurteile. In welcher Weise sind Personaler aus der Praxis in das Projekt eingebunden?
Ein EmpaT-Projektpartner ist der Lehrstuhl der Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität des Saarlandes. Zudem stützt sich das EmpaT-Team auf einen unabhängigen ELSI (Ethical, Legal and Social Implications)-Beirat. Darin sind neben erfahrenen Personalern, Personaltrainer, Juristen und Sozialwissenschaftler, die uns regelmäßig Rückmeldung zu unserer Forschung geben. In unserem Training können Übende zwischen verschiedenen Schwierigkeitsstufen wählen, was ihnen die Möglichkeit gibt, auch sehr herausfordernde Situationen zu trainieren.
Machen Avatare Bewerbungsgespräche ganz überflüssig?
Glauben Sie, dass zum Zeitpunkt der Fertigstellung oder Marktreife eines menschenähnlichen Avatars überhaupt noch Vorstellungsgespräche in der bisherigen Form durchgeführt werden?
EmpaT ist ein Forschungsprojekt. Ziele sind die Erforschung der Implikationen und Herausforderungen (auch gesellschaftlich) bei simulierten Bewerbungsgesprächen hinsichtlich individueller Trainingsmöglichkeiten. Wir konnten in unseren Akzeptanzstudien feststellen, dass unser System für ein Training sehr gut akzeptiert wird, wohingegen es zu Auswahlzwecken sehr wenig positive Rückmeldungen gibt. Ihre Frage wirft auch die Frage auf, was denn die „bisherige Form“ von Vorstellungsgesprächen ist. Es gibt bereits eine Vielzahl von Abweichungen zum Face-to-Face-Interview, wie zum Beispiel asynchrone Skype-Interviews und Telefoninterviews. Hierbei muss jedes Unternehmen selbst entscheiden, wie wichtig es ist, den Bewerbern wertschätzend gegenüberzutreten.
Führen Avatare bald die kompletten Bewerbungsgespräche?
Könnten Ihre Avatare später mal die Gespräche stellvertretend für Personaler ganz übernehmen? Warum oder warum nicht?
Vorstellbar, wenngleich moralisch schwierig, wäre es, dass Computersysteme Bewerbungsgespräche führen und auch entscheiden, ob Bewerber für eine Stelle geeignet sind. Dies wäre nicht vergleichbar mit einem von Menschen geführten Bewerbungsgespräch. Ethische und soziale Aspekte berücksichtigend, müsste ein solches System für jede zu besetzende Stelle neu angepasst werden, da eine Stelle mit unterschiedlichen sozialen und fachlichen Anforderungen einhergeht. Die Anpassung ist schwierig, da sich Arbeitgeber allen geforderten Anforderungen im Detail bewusst sein müssten beziehungsweise es müssten sehr viele zu einander passende Personaldaten vorliegen, um automatisch ein System zu trainieren. Personaler können das besser und auf eine menschliche Weise.
Herzlichen Dank Herr Gebhard für die spannenden Einblicke in das Projekt EmpaT!