Markteintritt Glassdoor in Deutschland

Glassdoor gefährdet die Candidate Experience deutscher Unternehmen massiv – Handlungsbedarf!

Seit heute ist es offiziell: Glassdoor, die amerikanische Variante der Arbeitgeberbewertungsplattform kununu ist auch in Deutschland an den Start gegangen. Grund für mich, Glassdoor einem ersten Praxistest als Personaler zu unterziehen, insbesondere mit dem Fokus auf die Jobbörse.

Vorweggenommen: Die Ergebnisse meines Praxistests sind schockierend und alarmierend zugleich.

Aber lesen Sie am besten selbst.

Glassdoor ist auf dem Vormarsch in Deutschland

Glassdoor will mit seinen 120 Mio. Dollar Frischkapital den deutschen Jobmarkt ordentlich aufmischen und verspricht daher zentral auf seiner Startseite bereits „Unternehmen entdecken. Traumjob finden.“. Testweise –ich bin ja als HR-Blogger von Grund auf ein sehr neugieriger Mensch- habe ich natürlich sofort nach Stellenanzeigen meiner lieben Firma gesucht. Immerhin ist das Versprechen ja „Traumjob finden“.

Erstes Überraschungsmoment: Es werden mir 5.598 Jobs für DATEV angeboten. Wow, da würden wir quasi fast jeden Mitarbeiterjob neu besetzen, was selbstverständlich nicht sein kann. Aber der Begriff taucht wohl ebenso in allen Stellenanzeigen auf, bei denen Mitarbeiter mit Erfahrungen in der Nutzung von DATEV-Software gesucht werden, z.B. für Kanzleien.

So weit so gut.

Der Bewerbungsprozess via Glassdoor

Nachdem ich mich per Klick für eine Stelle entschieden habe, stockt mir bei der im Folgenden angezeigten Webseite glatt der Atem. Es folgt Schnappatmung.

Screenshot: Von Glassdoor verstümmelte Stellenanzeige
Screenshot: Von Glassdoor verstümmelte Stellenanzeige

Unsere Stellenanzeige wurde zwar als solche aus den aktuellen Anzeigen auf datev.de/stellenangebote abgegriffen, aber mehr als verstümmelt. Zum einen, was die Überschrift angeht. Zum anderen, was den Text der Stellenanzeige angeht. Dies ist nicht einmal die Hälfte der Angaben, die sich sinnvollerweise dort finden. Im Original sieht die Anzeige für die Kooperation im Rahmen der Erstellung einer Masterarbeit nämlich so aus:

Nicht nur, dass wir viel Geld dafür ausgeben, dass unsere Anzeigen im Corporate Design (es geht um einen Markenkontaktpunkt erster Güte!) im Web sichtbar sind. Eine eigenmächtige Verkürzung des Inhalts ist höchst fragwürdig.

OK, Henner Knabenreich, zugegeben, die Anzeige ist eh nicht optimal aufbereitet (entspricht zudem nicht komplett unserem Standard), aber sei es mal drum.

Bewerber werden „entführt“ und in die Irre geführt

Ich gehe noch einen Schritt weiter, weil ich ja testen möchte, wie der Bewerbungsprozess via Glassdoor funktioniert. Beim Klick auf „Jetzt Bewerben“ wähne ich mich schon bald wieder in bekannten grün-weißen Gefilden auf unserer Karrierewebsite. Doch weit gefehlt.

Ich lande auf der Website einer Firma arca24, HR innovations & solutions.

Mein Herzschlag setzt kurz aus. Wüsste ich nicht genau, dass es sich bei der gewählten Anzeige um eine DATEV-Stellenanzeige handelt, bekäme ich jetzt den Eindruck, dass die arca24 den Job vergibt und nicht DATEV. Wer ist diese arca24 eigentlich? Deren Impressumsinhalte bekomme ich irgendwie nicht wirklich angezeigt…

Aber ich ahne schon, was hier abgeht: arca24 setzt sich als „Man in the middle“ (ich verwende bewusst diesen Ausdruck!) in den Bewerbungsprozess und will meine Daten abgreifen. Und natürlich einen riesigen Wissenspool aufbauen darüber, wer sich wo bewirbt!

Der Candidate Experience Supergau

Also importiere ich brav mein XING-Profil bei arca24 und ergänze massenhaft (!) Daten. Sogar das Hochladen eines Lebenslaufs ist Pflicht. Natürlich nehme ich nur den Word-Standardvorlagen-Text. Es soll ja nur ein Test sein.

Nachdem ich dann verlockt werde, eine Datenschutzerklärung anzuklicken, dass meine Daten an andere (nicht näher genannte) Portale weitergegeben werden – was ich selbstverständlich sofort demarkiere – ist die Registrierung abgeschlossen.

Screenshot Datenschutzerklärung arca24
Screenshot Datenschutzerklärung arca24

Ich besitze jetzt ein Profil bei arca24.

Screenshot: Persönliches Profil bei arca24
Screenshot: Persönliches Profil bei arca24

Dann muss ich kurz schmunzeln, als ich die XING Werbeeinblendung entdecke. Warum eigentlich nur für ein XING-Profil und nicht gleich XING ProJobs? Da buchen also die Mediastrategen von XING beim größten Mitbewerber ihrer Tochter kununu Werbung. Nennt sich wohl Coopetition. Aber ok.

Erneut klicke ich auf den „Bewerben“-Button und warte auf die Weiterleitung zur DATEV-Seite . . .

Stattdessen bleibt die Zeit stehen . . .

Meine Augen starren auf den nächsten Screen:

Screenshot: Bewerbung via Glassdoor "erfolgreich"?
Screenshot: Bewerbung via Glassdoor „erfolgreich“?

„Erfolgreich beworben??“ – Das Herz fängt wieder an zu schlagen. Ein Blick ins Bewerbersystem: Natürlich ist dort keine Bewerbung. Wie sollte die dort auch ohne Schnittstelle reinkommen. Auch kein Maileingang mit einem Link oder einem angehängten PDF.

Dann sehe ich es erst: Angeblich haben sich XY weitere Personen (eine von mir aus Datenschutzgründen zensierte Zahl im unteren zweistelligen (!) Bereich) ebenfalls auf diesen Job beworben. Das ist bestenfalls einfach falsch und gelogen. Im schlimmsten Fall aber wahr. Und das wäre dann der Supergau. Denn solche Bewerbungen via Glassdoor oder arca24 sind bei unseren Recruitern nicht angekommen …

Ich muss es nicht explizit schreiben, was das für die Candidate Experience bedeutet, oder?

Zusammenfassung des Horrors

Stellenanzeigen von Unternehmen werden verstümmelt. Kandidaten werden auf die mir undurchsichtige Firmenseite einer arca24 weitergeleitet. Dies kann entweder den Eindruck erwecken, jene arca24 sei vom Unternehmen, das die Stellenanzeigen veröffentlicht, mit der Besetzung der Stelle beauftragt worden. Quasi als Personaldienstleister mit Mandat. Oder aber, dass jene arca24 in Wirklichkeit die Stelle ausgeschrieben habe. Beides ist im Grunde nicht akzeptabel.

Neben der Preisgabe meines Facebookprofils (gefühlt maximale Datenfreigabe notwendig)

Screenshot: Datenzugriff auf Facebook-Profil
Screenshot: Datenzugriff auf Facebook-Profil

musste auch das XING-Profil zugänglich gemacht bzw. weitere vertrauliche Bewerbungsdaten auf den arca24-Server geladen werden. Schnell ist mit einem falschen Haken-Setzen eine Freigabe der Daten für unbekannte Dritte erteilt.

Und am Ende läuft die Bewerbung dann doch gegen den Poller. Verschwindet im Nirwana.

Aber Glassdoor und arca24 haben alle persönlichen Daten. Insofern war die Bewerbung dann doch erfolgreich. Nur eben nicht für den Bewerber oder das Stellenanzeigen schaltende Unternehmen.

Fazit zum Markteintritt von Glassdoor

Wir erleben mit dem Eintritt von Glassdoor auf dem deutschen Markt ein BigData-Portal (zu BigData im HR siehe auch meinen verlinkten Beitrag) sondergleichen. Mit amerikanischen Methoden werden massiv Daten gesammelt bzw. Daten von Unternehmen dafür hergenommen, um selbst weitere Daten für eigene Zwecke zu sammeln. Eine zwischengeschaltete arca24 wird mit jedem Bewerber via Glassdoor mächtiger, was das extrem wertvolle Wissen um „wer bewirbt sich bei wem?“ angeht.

Vom Grundsatz her sind die Ideen für den Bewerbungsprozess (abgesehen vom unbekannten „Man in the middle“) allerdings gar nicht mal übel. Aus Bewerbersicht ergeben sich bei seriöser Abwicklung durchaus spannende Szenarien. Auch was die mobile Bewerbung angeht.

Stand heute aber ist das Vorgehen von Glassdoor eher ein Fall für die Rechtsabteilungen. Aus Arbeitgebermarken-Sicht kann sich jedenfalls schnell ein Gau anbahnen.

Zumindest sollten die HR-Verantwortlichen deutscher Unternehmen wissen, worauf sie sich mit Glassdoor (Stand heute) einlassen müssen …

UPDATE am 14.05.2018

Das beschriebene Bild hat sich nur wenig verändert. Ein neuerlicher Test zeigt noch immer Mängel in Punkto Brand Safety.

 

Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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