Hier bin ich Mensch, hier will ich arbeiten!

Pünktlich zur Urlaubszeit sprießen sie wieder aus dem Boden bzw. in die Online-Versionen der Zeitschriften und Magazine: Umfragen zum Thema „Erreichbarkeit im Urlaub“. – Nach einer dieser Umfragen sei knapp jeder zweite im Urlaub für den Chef und die Kollegen erreichbar. Insbesondere über die modernen Möglichkeiten der Smartphones ist es natürlich einfach, auch am Urlaubsort im meist kostenlosen WLAN-Netz erreichbar zu sein für E-Mails, SMS oder Whatsapp-Nachrichten aus dem Unternehmen. Bei der sogenannten Generation Y seien es sogar 90% der Arbeitnehmer, die davon ausgehen, dieses Jahr auch im Urlaub geschäftlichen Kontakt mit der Firma zu halten. Wo geht es hier eigentlich zum Traumjob?

Work-Life-Balance gibt es nicht!

Allerorts wird in diesem Zusammenhang sehr viel über die sogenannte Work-Life-Balance geredet und publiziert. Insbesondere den Berufsanfängern der letzten Jahre soll diese Chance auf ein ausgeglichenes Verhältnis von beruflicher Betätigung und privatem Vergnügen und Entspannung besonders am Herzen liegen. Daher taucht dieser Begriff immer öfter auch im Umfeld von Personalmarketing und Employer Branding auf.

Dabei ist unverkennbar, dass der Begriff Work-Life-Balance zwar häufig mit den Vertretern der Generation Y und deren Bedürfnissen verknüpft wird – allerdings dürfte er umgekehrt nicht von diesen erfunden worden sein. Denn darin spiegelt sich geradezu beispielhaft das Verständnis von Arbeit, wie es durch die Generation der Babyboomer vorgelebt wurde: „Lebe, um zu arbeiten“ oder der Generation X „Arbeite, um zu leben“.

In beiden Denkweisen gibt es eine strikte Trennung zwischen den beiden Lebensbereichen. – Insofern ist es verständlich, dass diese in einer positiv empfundenen Balance stehen sollen.

Aber gilt das auch noch für das moderne Arbeiten im 21. Jahrhundert? Wie die eingangs genannten Studien zeigen, verschmelzen die beiden Bereiche Arbeit und Freizeit zunehmend. Wobei konsequenterweise sogar der Begriff „Frei“zeit überholt ist. Denn Freizeit meint ursprünglich „frei von Arbeit“.

Es gibt kein Privatleben mehr

Auch der Begriff „Privatleben“ als Abgrenzung zum Berufsleben taugt hier nicht länger. Denn heute schon sind wir mit unseren Arbeitskollegen längst über Facebook „befreundet“ bzw. gehen wir zusammen abends in den Biergarten oder fliegen sogar gemeinsam in den Urlaub. – Unter dem Einfluss der Diskussionen um die Abhöraktionen der NSA durch PRISM und Co, fällt es einem eh schwer überhaupt noch etwas als wirklich „privat“ zu bezeichnen.

Bedeutet aber die Annäherung der beiden großen Lebensbereiche Beruf und Privatleben zwangsläufig und in jedem Fall eine Entwicklung hin zum Negativen?

Wenn man Berichte über Burnout-Studien liest, mag man das sofort glauben. Danach sei die Betroffenenquote, also der Anteil der Beschäftigten, die wegen einer psychischen Diagnose krankgeschrieben waren, zwischen 1997 bis 2012 um 131 Prozent gewachsen und psychische Krankheiten sind unter der arbeitenden Bevölkerung weiter stark auf dem Vormarsch.

Die wahren Krankmacher: wir selbst

Ich persönlich glaube allerdings, dass man noch etwas genauer hinsehen muss, um zum wahren Kern der Problematik vorzudringen. Psychische Erkrankungen und chronische Erschöpfungszustände im Berufsleben werden zwar häufig in Verbindung gebracht mit der rasanten Zunahme von Überstunden bzw. Mehrarbeit am Wochenende. Allerdings ist nicht jede Art von Stress gleichermaßen schädlich und krankmachend.

In den Studien werden als Krankmacher häufig folgende Kriterien genannt:
– Hohe Arbeitsbelastung
– Intransparenz im Unternehmen
– Machtspiele
– Orientierungslosigkeit
und immer wieder der Mangel an Lob vom Chef.

Das führt sogar soweit, dass laut Gallup-Studie jeder vierte Arbeitnehmer innerlich bereits gekündigt hat. Wenn das mal nicht erschreckend ist! – Quasi das Krebsgeschwür am Employer Branding und eine große Gefahr für das Personalmarketing.

Was mich allerdings daran am allermeisten erschreckt bzw. schockiert, ist die zunehmende Opferrolle, in die wir uns alle begeben. Offensichtlich wird das bei den Befragungen durch Aussagen wie „Angestellte sehen sich Systemen ausgeliefert, die sie unlogisch finden, aber kaum beeinflussen können.“„Im mittleren Management geraten Menschen in Positionen, in denen sie Dinge durchsetzen müssen, an die sie nicht glauben. Die Motivierten suchen dennoch Lösungen und verzweifeln darüber an sich.“

Wie viel Mut haben wir wirklich?

Wenn ich das lese, dann fühle ich mich ein wenig in meine eigene Historie zurückversetzt. Sich tagtäglich im Beruf mit fachlichen Themen zu beschäftigen, die (in meinem Fall) zwar logisch und wichtig waren, zu denen ich persönlich aber keinen Zugang fand, kann sehr schnell in den persönlichen Abgrund führen.

Jeder von uns hat tief im Inneren eine sehr genaue Vorstellung darüber, wie der berufliche Alltag sein sollte. Wenn wir jedoch aufgrund von vermeintlich erstrebenswerten hierarchischen Titeln verlernen, auf unser Herz zu hören und uns zum Sklaven der eigenen Karriere machen lassen, verwundert es nicht, dass wir Mitarbeiter so stark das Lob vom Chef vermissen. Denn dann kommt unsere gesamte Zufriedenheit von außen. Unsere Motivation ist extrinsisch. Aber wie weit kommen wir damit tatsächlich?

Wäre es nicht viel besser, wenn wir einer Aufgabe nachgehen könnten, die uns wirklich Spaß macht und für die wir gerne Herzblut investieren? – Ohhhh, ich höre da schon die „Jaaaa, ABER“-Schreier laut aufheulen…

Daher ganz konkret die Frage:
Wie viel Mut hast Du, um Deinen persönlichen Traum vom Arbeiten zu verwirklichen?

Warum folgen die Menschen nicht der Stimme ihres Herzens, sondern halten fest am Status Quo mit all den vermeintlichen finanziellen Annehmlichkeiten und Sicherheiten? Wieso ertragen so viele Arbeitnehmer lieber schmerzverzerrt Tag für Tag die Zeit im Büro und jammern vor sich hin, anstatt etwas zu ändern? – Ja, liebe Leser, die ehrliche Antwort lautet: Aus Angst. Neben finanziellen Ängsten/Existenzängsten plagt uns seltsamerweise eine weitere, oftmals viel größere und vor allem unterschätzte Angst. Die Angst vor dem Verlust gesellschaftlicher Anerkennung.

Die eigene Angst besiegen

Ich kenne das nur zu gut. Als ich vor knapp 2 Jahren meine Führungsposition für einen Wechsel in den Personal-Bereich aufgegeben habe, war das genau aus dieser Angst heraus keine einfache Entscheidung. Und auch zahlreiche Kollegen hatten in der Anfangszeit einen etwas mitleidigen Blick auf den vermeintlichen Karriereknick.

Aber es war die einzig richtige Entscheidung! Weil ich jetzt genau das machen kann, was mir schon immer am Herzen lag: Social Media, (Personal)marketing, Videodrehs, Fotoshootings, Interviews, Vorträge und vieles mehr. (Ob das immer so bleiben wird, kann ich nicht sagen, aber derzeit kann ich mir nichts Schöneres vorstellen).

Zwischenzeitlich werde ich oft von den gleichen Kollegen oder ehemaligen Mitarbeitern von mir angesprochen, ob ich gerade aus dem Urlaub komme, weil ich so gut gelaunt und erholt aussähe. Das muss ich die meiste Zeit des Jahres natürlich verneinen. Ich liebe nur meinen Job und das was ich tue. Und das sieht und spürt man eben. Insofern hat der vormals mitleidige Blick nunmehr einen eher beneidenden Einschlag erhalten.

Bei mir vermischt sich mittlerweile berufliches Engagement stark mit privaten Interessen – ich schreibe Beiträge für den DATEV Karriereblog am Wochenende auf der Terrasse oder lese Personalmarketing-Fachartikel via iPad auf dem Sofa. Und ich empfinde es mehr als Flow denn als Stress.

Hör auf Dein Herz! Mach Deinen Traumjob!

Oha, jetzt wird´s wieder philosophisch. Nö, gar nicht. Ich finde es nur gerade sehr spannend, dass derzeit genau jene Stimmen in den Medien lauter werden, die für mehr Emotion im Beruf plädieren. Gerade weil hier noch extrem viel Bedarf vorhanden ist, wie ein aktueller Beitrag im Human Resources Manager Magazin unter dem Bände sprechenden Titel „Auch Haifische fürchten sich mal“ zeigt. Dort geht es um die angeblich notwendigen Schauspielkünste von Managern, um die eigenen Gefühle und Ängste zu verbergen.

Im von mir sehr geschätzten Newsportal von heise.de wurde als eine von fünf wichtigen Regeln für mehr Zufriedenheit im Job sogar geraten, die Emotionen raus aus dem Job zu nehmen.

Was für ein Bullsh…, äh Blödsinn!!!
Genau das Gegenteil fehlt uns doch: Mehr Emotion! Mehr Mensch! Mehr Miteinander!

Wir Personalmarketiere und Employer Brander predigen doch immer Authentizität, Offenheit und Transparenz. Also lasst uns die Speerspitze derjenigen sein, die vorleben, wie es geht. Wie man Glück und Zufriedenheit im Job lebt, ausstrahlt und weitergibt!

Ich freue mich auf eine rege Diskussion dazu.

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Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer (Personalmagazin 05/22) betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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