Neue Prognos-Studie für das Bundesfamilienministerium im Rahmen des Unternehmensprogramms „Erfolgsfaktor Familie“: Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Instrument zur Gewinnung und Bindung von Fachkräften.
Was Mütter, Väter und pflegende Angehörige wollen und was Unternehmen tun können
Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sind Unternehmen darauf angewiesen, attraktive Arbeitgeber zu sein und Fachkräftepotenziale bestmöglich zu erschließen. Ein großes Potenzial bieten Eltern und Beschäftigte mit Pflegeaufgaben. So stellen Eltern minderjähriger Kinder mit rund 11,6 Mio. Personen ein Viertel der erwerbstätigen Bevölkerung in Deutschland. Hinzu kommen 2,5 Mio. Erwerbstätige, die zusätzlich Angehörige betreuen – ein Trend, der weiter zunimmt.
Ob und in welchem Umfang diese großen Gruppen erwerbstätig sind, hängt stark davon ab, wie gut sie Beruf und Familie vereinbaren können. Diese Tatsache können sich Unternehmen zunutze machen: Indem sie auf die Anforderungen und Wünsche von erwerbstätigen Eltern und Pflegenden eingehen, haben sie als attraktive Arbeitgeber Vorteile im Wettbewerb um Fachkräfte.
Was macht einen attraktiven Arbeitgeber für Fachkräfte mit Familienverantwortung aus?
Die aktuelle Prognos-Studie auf Basis einer Befragung von mehr als 2.500 erwerbstätigen Eltern und Pflegenden zeigt erstmals differenziert auf, was erwerbstätige Mütter und Väter sowie Beschäftigte mit Pflegeaufgaben als attraktive Arbeitgebermerkmale werten. Ein Indexwert (Relevanz-Index) verdeutlicht auf einer Skala zwischen 25 (niedrigerster Wert) und 72 (höchster Wert) die besondere Relevanz der einzelnen Vereinbarkeitsmaßnahmen für die Beschäftigtengruppen.
Untermauert werden diese Präferenzen durch die jeweilige Bereitschaft, für bessere Vereinbarkeitsbedingungen den Arbeitgeber zu wechseln oder auch Gehaltseinbußen in Kauf zu nehmen.
Zentrale Ergebnisse
Betriebliche Familienfreundlichkeit ist ein Muss
Nahezu alle Beschäftigten mit familiärer Verantwortung erwarten Rücksicht auf ihre Vereinbarkeitsbedürfnisse. Für etwa 80% der Befragten zählen Flexibilität für Arbeitszeitunterbrechungen und für Auszeiten und keine Nachteile für die Karriere aufgrund familiärer Verpflichtungen zu den Top-Attraktivitätsmerkmalen eines Arbeitgebers.
Fehlende Vereinbarkeit ist ein Unternehmensrisiko
Wenn grundlegende Vereinbarkeitserwartungen nicht ernst genommen werden und sich Beschäftigte wegen ihrer familiären Verantwortung in der Karriere behindert fühlen, ist ihre Bereitschaft hoch, zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln. Konkret würden 42% der Beschäftigten, denen es besonders wichtig ist, dass sie keine Nachteile für ihre Karriere erleiden, bei dauerhafter Benachteiligung aufgrund ihrer familiären Verantwortung den Arbeitgeber wechseln.
Kostenintensive Maßnahmen gehen häufig am Bedarf der meisten Eltern vorbei
60% der Befragten halten Flexibilität bei planbaren Auszeiten oder Arbeitsunterbrechungen für essenziell. Kostenintensive Angebote wie betriebliche Kinderbetreuung oder Ferienprogramme für Kinder sind zwar wichtig, sie betreffen aber weniger als jeden fünften Befragten.
Wenn Mütter, Väter und pflegende Angehörige wählen müssen, haben sie unterschiedliche Vereinbarkeitspräferenzen
Mütter benötigen Rücksichtnahme auf externe Zeit-Taktgeber wie Kita- und Schulöffnungszeiten und wollen keine Karrierenachteile. 60% der Mütter betrachten arbeitgeberseitige Rücksichtnahme auf Öffnungszeiten von Betreuungseinrichtungen als sehr wichtig.
Väter suchen vor allem nach flexiblen Freiräumen für familiäre Verpflichtungen. Für 45% der Väter ist es sehr wichtig, dass das Unternehmen die Elternzeit für Väter aktiv befürwortet.
Pflegende wünschen sich Anerkennung ihrer Betreuungssituation mit besonderem Bedarf an spontaner Betreuung. 45% finden für ihre Vereinbarkeitssituation die Vorhersehbarkeit und Planbarkeit der Arbeitsbelastung sehr wichtig.
Was können Unternehmen tun?
Eine Unternehmenskultur, die Rücksicht auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nimmt, ist unerlässlich, Arbeitgeberattraktivität verlangt aber mehr. Sie kann zielgerichtet gestaltet werden, denn Angebote, die an die unterschiedlichen Vereinbarkeitsbedürfnisse und Präferenzen von Müttern, Vätern und Pflegenden angepasst sind, sind effektiver und steigern die Attraktivität des Arbeitgebers.
Lebensumstände wandeln sich und damit auch die Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Vereinbarkeit sollte regelmäßig thematisiert werden und Maßnahmen angepasst werden, um frühzeitig Herausforderungen zu erkennen und die Mitarbeiterbindung zu stärken.
Die Ergebnisse der Studie zeigen: Unternehmen können mit einer proaktiven Vereinbarkeitsstrategie punkten. Sie sollten sich bei ihrer Personalpolitik nicht nur nach allgemeinen Trends richten, sondern spezifisch auf die Bedürfnisse ihrer eigenen Belegschaft eingehen. So können Vereinbarkeitsmaßnahmen gezielt eingesetzt werden, um Fachkräfte anzuwerben und zu binden. Unternehmen profitieren doppelt: Sie gewinnen an Attraktivität und können Ressourcen effizient einsetzen.
Stichprobe und Erhebungsmodus
Die Gruppe der 2.542 Befragten setzte sich aus 1.706 Eltern von Kindern unter 16 Jahren, 525 Pflegenden sowie 311 Eltern, die auch pflegen, zusammen. Durch eine Verhältnisgewichtung wurden deren Ergebnisse nachträglich gewichtet. Die Ergebnisse bilden die Zielgruppe in der Gesamtbevölkerung im Hinblick auf die Merkmale Bildung, Bundesland, Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund Partnerschaft (bei pflegenden Angehörigen) und Erwerbsumfang sowie Anzahl der Kinder repräsentativ ab. Um die Ergebnisse im Hinblick auf diese Merkmale zu gewichten, wurden Daten aus dem Mikrozensus sowie dem sozio-oekonomischen Panel (SOEP) herangezogen. Die Daten wurden im Rahmen einer Online-Befragung im August 2023 erhoben.