kununu Anonymität aufgehoben?

kununu: Kippt die Anonymität der Arbeitgeberbewertungsplattform?

Eine aktuelle Entscheidung des OLG Hamburg zwingt die Arbeitgeberbewertungsplattform dazu, im Streitfall mit Arbeitgebern Klarnamen der Bewertenden herauszugeben. Was steckt hinter der Entscheidung – und kippt dadurch gar das Anonymitätsversprechen der Arbeitgeberbewertungsplattform? Meine Stellungnahme.

kununu und seine Relevanz für den Arbeitsmarkt

Seit rund 12 Jahren nutzen wir bei meinem Arbeitgeber die Bewertungsplattform kununu. Der Marktführer bei Arbeitgeberbewertungen im deutschsprachigen Raum (neben dem internationalen Pendant glassdoor) sorgt seit über einem Jahrzehnt dafür, dass Transparenz in den Arbeitsmarkt kommt. So das Nutzenversprechen des Anbieters, der zur New Work SE (XING, onlyfy by XING) gehört.

Die Mehrzahl aller Jobsuchenden recherchiert dort einen potenziellen neuen Arbeitgeber – das Google-Ranking der Plattform ist außerordentlich gut, so dass im Grunde kein Arbeitgeber um die Plattform herumkommen kann.

Zusätzlich adelte Google for Jobs 2019 (die wichtigsten) Arbeitgeberbewertungsplattformen und zeigt die Sternebewertung der Organisation ungefragt an jeder Stellenanzeige. Genauso verfährt XING bei seinem Stellenmarkt.

Kurzum: Arbeitgeber müssen sich mit der Plattform früher oder später beschäftigen. Ich tue das als „Mr. Kununu“ im Unternehmen sowie in meiner Rolle als Persoblogger sehr intensiv und berate auch zum Umgang mit der Plattform.

Anonymität auf kununu ein Kernelement

Kernelement der Plattform sind Arbeitgeberbewertungen, die in der Rolle als Mitarbeitende, Ex-Mitarbeitende sowie Bewerbende abgegeben werden können. Die Besonderheit, die seit jeher für Aufregung sorgt: die komplette Anonymität der Bewertenden.

Negativ gesprochen kann jede:r „Hinz und Kunz“ beliebig Arbeitgeber bewerten, unabhängig davon, ob tatsächlich Erfahrungen mit dem Unternehmen in einer der beschriebenen Rollen gemacht wurden.

Die komplette Aufhebung der Anonymität wurde oft medial diskutiert und war auch immer wieder Gesprächsthema bei meinen Besuchen beim Anbieter in Wien, wo ich in meinen Anfangsjahren als Blogger sehr häufig kununu hinterfragt hatte.

Positiv gesprochen sichert die Plattform durch die Anonymität der hinter einer abgegebenen Bewertung steckenden Person einen Teil der gewollten Transparenz. Denn ähnlich wie bei Whistleblower-Plattformen führt das nicht-persönliche Bekanntwerden der Auskünfte gebenden Person zu einem hohen Grad an Ehrlichkeit.

Im besten Fall.

Ärger mit der Anonymität auf kununu bei Arbeitgebern

Im schlechtesten Fall ermöglicht eben jene geschützte Anonymität, dass auch unwahre und komplett überzogene Bewertungsinhalte im Internet verfügbar sind – im schnellen Zugriff durch Jobsuchende und auch Mitarbeitende im Unternehmen, die häufig dem Profil des eigenen Arbeitgebers folgen.

Ein eigener Markt hat sich daher bereits um das Thema „Löschen von Bewertungen auf kununu“ entwickelt. Spezialisierte Anwaltskanzleien bieten entsprechende Leistungspakete an und versprechen Unternehmen schnelle Hilfe.

Und dennoch blieb die Anonymität der Bewertenden bislang unangetastet. Bis zum 08.02.24 mit dem Urteil des OLG Hamburg (Beschl. v. 09.02.2024, Az. 7 W 11/24).

Verfahren bei zweifelhaften kununu-Bewertungen

Das Verfahren im Streitfall mit dem Arbeitgeber sah vor, dass das Unternehmen Zweifel an einer Tatsachenbehauptung (nicht einer Meinung!) vorbringen oder in Zweifel ziehen musste, dass die bewertende Person tatsächlich in einer vertraglichen Beziehung zum Arbeitgeber steht bzw. stand, um eine Überprüfung durch den Anbieter vornehmen zu lassen.

kununu reagierte dann damit, dass die bewertende Person gebeten wurde, nachzuweisen, dass sie tatsächlich beim entsprechenden Arbeitgeber beschäftigt war. Konnte sie dies nicht tun, wurde die Bewertung vorerst offline gestellt – und war damit nicht weiter sichtbar.

Hatte sie allerdings einen Nachweis erbracht, z.B. eine (anonymisierte) Lohn- und Gehaltsabrechnung des Arbeitgebers vorgelegt, blieb die Bewertung online. Es sei denn es waren andere zu beanstandende Punkte in der Bewertung, die gegen die kununu-Richtlinien verstoßen (z.B. Schmähkritik oder direkte Angriffe auf identifizierbare bzw. explizit genannte Personen).

In jedem Fall aber blieb die Anonymität der bewertenden Person gegenüber dem betroffenen Arbeitgeber gewahrt. Das könnte sich mit dem Urteil des OLG Hamburg nunmehr ändern.

Die kununu-Entscheidung des OLG Hamburg

Dem Beschluss des OLG Hamburg vorausgegangen war eine Entscheidung des LG Hamburg (Beschl. v. 08.01.2024, Az. 324 O 559/23), das den Antrag des Arbeitgebers auf einstweiligen Rechtschutz und Löschung einer kritischen Bewertung ablehnte mit dem Hinweis, dass die anonymisiert vorgelegten Beschäftigungsnachweise ausreichend seien. Die Anonymität der bewertenden Person müsse auch nicht gegenüber dem Arbeitgeber aufgehoben werden.

Anders sah es das OLG Hamburg. In einer als „Roß-und-Reiter-Urteil“ kolportierten Entscheidung über die Beschwerde des Arbeitgebers entschied das Gericht, dass kununu dem Arbeitgeber gegenüber den Klarnamen der bewertenden Person zur Kenntnis bringen müsse.

Das hanseatische Oberlandesgericht sah es im konkreten Fall als nicht ausreichend an, dass kununu entsprechende Nachweise vorlägen, aber der Arbeitgeber damit selbst nicht entscheiden könne, ob nicht doch eine Rechtsverletzung vorliege. Kununu-Bewertungen lägen stets konkrete Sachverhaltsbeschreibungen zugrunde, gegen die sich Arbeitgeber wehren können müssen. Eine Berufung auf den Datenschutz durch die anonym bewertende Person sei nicht angemessen.

Auch sei es nach dem OLG Hamburg wichtig, als Arbeitgeber so viel wie möglich zu wissen, wenn die Rechtmäßigkeit einer negativen Bewertung zu überprüfen ist. Information über die kritisierende Person gehören dabei auch dazu.

Aufhebung der Anonymität bei kununu-Bewertungen?

Bedeutet die Entscheidung damit auch gleich eine komplette Aufhebung der Anonymität von kununu-Bewertungen? Nicht unbedingt.

Zwar weist das OLG Hamburg das Risiko einer Aufhebung der Anonymität nunmehr der bewertenden Person zu. Dies gilt jedoch nur für Fälle, in denen Arbeitgeber berechtigte Zweifel anmelden und an kununu herantreten.

Noch wichtiger ist jedoch die Tatsache, dass es sich nicht um ein letztinstanzliches Urteil zu dem Thema handelt, sondern um eine Entscheidung in einem Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes. Ob andere deutsche Gerichte oder gar das höchste deutsche Gericht der Entscheidung 1:1 folgen, ist damit nicht automatisch gesagt.

Im Gegenteil: Betreiber eines Bewertungsportals sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Wahrung der Anonymität ihrer Nutzer zu gewährleisten (§ 19 Abs. 2 TTDSG). Der BGH hat auch mehrfach klargestellt, dass anonyme Bewertungen rechtlich zulässig sind.

Trotzdem dürfte bis zu weiteren Entscheidungen das Risiko der Aufhebung einer Anonymität im Streitfall bei den Bewertenden liegen – Arbeitgeber gehen erst einmal gestärkt aus der Entscheidung hervor.

Was hilft: Ehrliche Bewertungen und korrekte Tatsachen-Behauptungen. Denn selbst wenn tatsächlich zukünftig aufgrund gesenkter Hürden für Arbeitgeber die Anonymität bei kununu-Bewertungen quasi aufgehoben würde, bleiben rechtmäßig getroffene, wahre Inhalte dennoch online.

Vielleicht ist das am Ende tatsächlich ein fairer Ausgleich, der sowohl der Glaubwürdigkeit von Plattformen wie kununu hilft als auch Arbeitgeber fair behandelt.

Es wird spannend zu sehen, wie sich das Thema weiter entwickelt. Wir bleiben wie immer dran.

HINWEIS:
Die in diesem Artikel zusammengetragenen Informationen beruhen auf der Auswertung öffentlich zugänglicher Quellen. Sie stellen eine reine Information dar und keine Rechtsberatung.

Stefan Scheller

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