Trennungskultur und Bumerang Mitarbeiter: Effektiv gegen den Fachkräftemangel

Trennungskultur und Bumerang Mitarbeiter – Rückkehrer gegen den Fachkräftemangel nutzen

Der Begriff „Bumerang Mitarbeiter“ oder auch „Boomerang Mitarbeiter“ steht für Mitarbeitende, die einen Arbeitgeber verlassen und später wieder zum Unternehmen zurückkehren. Damit dies möglich ist, braucht es eine positive Trennungskultur.

Wie Sie mit Rückehrer:innen den Fachkräftemangel bekämpfen und warum Bumerang Mitarbeiter zu wertvoll sind, erfahren Sie in diesem Artikel.

Was bedeutet Trennungskultur?

Trennungskultur meint den Umgang einer Organisation mit Menschen, die diese verlassen, beispielsweise aufgrund von Kündigung oder Stellenabbau. Dabei geht es nicht nur um die Betrachtung formaler Prozesse. Vielmehr wird die Trennungskultur vor allem durch die individuellen Emotionen definiert, die Menschen im Umgang mit ihrem Weggang vom Arbeitgeber empfinden. Sie ist somit wichtiger Teil der Employee Experience.

Fokus häufig nur auf Recruiting

Schon seit einiger Zeit versuche ich ein umfassendes Bild zu zeichnen, wenn es darum geht, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Dabei stelle ich fest, dass oftmals zu stark auf das Recruiting, als Gewinnung neuer Mitarbeitender, Wert gelegt wird. Schon die Frage nach dem Thema Personalentwicklung, interner Karrieremobilität oder generell Mitarbeiterbindung hilft jedoch weiter.

Trotzdem begehen viele Arbeitgeber einen gravierenden Fehler: Sobald klar ist, dass Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, das Thema Mitarbeiterbindung also nicht mehr „funktioniert“, fallen diese oftmals durch das Raster. Sie werden schon während ihrer verbleibenden Zeit wie Externe behandelt oder gar als „Abtrünnige“ – vor allem bei eigenmotivierten Kündigungen.

Trennungskultur wird selten systematisch betrachtet

Erstaunlicherweise wird das Thema Trennungskultur selten systematisch betrachtet. Vielmehr sind Kündigungen eher eine Art „Störfall“ in der Produktivität. Und sorgen zusätzlich für einen vermehrten Arbeitsanfall im Recruiting. So die gängige Wahrnehmung. Das gilt um so mehr, wenn die den Arbeitgeber verlassenden Mitarbeitenden vergleichsweise gut ersetzbare Skills haben.

Allerdings sorgt die generelle Verknappung von Arbeitskräften im hoch- oder spezialqualifizierten Bereich langsam für ein Umdenken. Gerade bei Schlüsselpositionen tut ein Weggang erst einmal „richtig weh“. Besser ist es, Arbeitgeber arbeiten frühzeitig systematisch an Rahmenbedingungen für eine positive Trennungskultur – auch mit Blick auf Bumerang Mitarbeiter.

Welche Maßnahmen wirken positiv auf die Trennungskultur?

Welche Möglichkeiten gibt es nun, um die Trennungskultur positiv zu beeinflussen und Bumerangmitarbeitern die Tür zurück ins Unternehmen offen zu halten.

Prävention – Mitarbeiterzufriedenheit im Blick haben

Generell ist Prävention die beste Maßnahme von allen. Zufriedene Mitarbeitende wechseln nur unter außergewöhnlichen Umständen. Daher sollten Führungskräfte und Management stets ein Ohr an der Belegschaft haben, ins Gespräch gehen, den sogenannten „Flurfunk“ wahrnehmen, um über die generelle Mitarbeiterzufriedenheit jederzeit informiert zu sein. Das geht einher mit dem Ernstnehmen von Bewertungen auf Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu und glassdoor. Hier erfahren vor allem größere Unternehmen eine Menge über die Schwachpunkte der Organisation und Unternehmenskultur, die sonst nicht so einfach aufzudecken sind.

Regelmäßige Mitarbeiterbefragungen, z.B. im Sinne von Puls-Checks, dabei können hilfreich sein.

Trennungsgespräche führen und dokumentieren

Sollten sich Mitarbeitende dennoch für das Verlassen des Unternehmens entscheiden, beispielsweise um einen besser bezahlten Job bei einem anderen Arbeitgeber anzunehmen, lohnt sich das persönliche Gespräch. Insbesondere die Führungskraft darf jetzt nicht negativ emotional oder gar enttäuscht reagieren und der kündigen Person die Wertschätzung entziehen. Vielmehr wäre ein Versuch angebracht, die wahren Gründe für diese Entscheidung herauszufinden und aufrichtig Interesse an der Person und ihrem Anliegen zu zeigen. Oftmals wirken besser bezahlte Angebote anderer Arbeitgeber nur dann, wenn es generell eine Reihe anderer Ansatzpunkte für Unzufriedenheit mit dem aktuellen Job gibt. Nutzen Sie als Führungskraft -gerne mit Unterstützung von HR- die generelle Trägheit bei Jobwechseln als Gesprächsgrundlage. Vielleicht hilft sogar schon eine Lockerung der Homeoffice-Policy, um der Person einen stichhaltigen Grund zu geben, um doch in Ihrem Unternehmen zu bleiben. In jedem Fall sollten Sie die Ergebnisse des Gesprächs datenschutzkonform dokumentieren. Das bedeutet, dass Sie spätestens mit zeitlichem Versatz nach dem Austritt des Mitarbeitenden eine Anonymisierung vornehmen, die Kündigungsgründe aber im Blick behalten – und sofern möglich – daran arbeiten, um weitere Weggänge deshalb zu vermeiden.

Wertschätzung und Einbindung aufrechterhalten

Jetzt kommt der wesentliche Knackpunkt: Denn selbst wenn im Rahmen des Trennungsgesprächs Themen genannt werden, die mit dem Thema Führung oder gar mangelnder Wertschätzung zu tun haben – in keinem Fall sollten Führungskräfte oder HR der kündigenden Person nunmehr quasi erstrecht die Wertschätzung entziehen. Im Gegenteil wäre spätestens jetzt der Zeitpunkt, diese Situation zu heilen. Das gilt nicht nur für Fälle, in denen zum Beispiel die ausscheidende Mitarbeiterin möglicherweise als Bumerang Mitarbeiter in Betracht kommt. Selbst wenn Sie sich sicher sind -oder glauben sicher zu sein- dass beide auch in Zukunft keine Arbeitsbeziehung mehr eingehen werden, sollten Sie die Zeit bis zum tatsächlichen Ausscheiden mit einer offenen und wertschätzenden Haltung bestreiten. Der Grund liegt darin begründet, dass Ihr Verhalten in der Zeit zwischen dem Bekanntwerden der Kündigung und dem tatsächlichen Ausscheiden von den verbleibenden Mitarbeitenden genau beobachtet wird. Diesen zeigen Sie, wie Sie Trennungskultur in ihrem Unternehmen gestalten. Es geht also letztlich nicht nur um die eine weggehende Person. Sie wirken stets auch in die bestehende Mitarbeiterschaft hinein.

Themenübergabe professionell gestalten

Möglicherweise mag die im vorhergehenden Punkt beschriebene weiterhin wertschätzende Haltung für Sie ein wenig nach Gutmenschentum klingen. Allerdings gibt es auch handfeste Business-Argumente für diese Haltung: Denn mit dem Weggang einer Person aus dem Team müssen deren Aufgaben und Verantwortungen anderweitig verteilt werden. Vor allem eine professionelle Übergabe dürfte ganz in Ihrem Sinne sein. Auch wollen Sie vermeiden, dass es seitens der kündigenden Person im Rahmen der Einarbeitung von Nachfolgern zu toxischem Verhalten kommt und damit die gesamten Abläufe längerfristig gestört werden. Das gilt umso mehr mit Blick auf ein mögliches Schadenspotential bei weiterhin vorhandenem Zugriff auf Unternehmensdaten, Kundenkontakt oder ähnlich.

Professionelles Offboarding inklusive Arbeitszeugnis

In Summe sollte Ihr Offboarding genauso durchdacht und auf positive Employee Experience ausgerichtet sein, wie Ihr Onboarding. Dazu gehören auch optimierte Prozesse, beispielsweise im Bereich der Erstellung eines Arbeitszeugnisses. Dieses sollte selbstverständlich wohlwollend formuliert sein und insbesondere zeitnah ausgehändigt werden. Hier können Sie noch einmal wertvolle Punkte sammeln bei potentiellen Bumerang Mitarbeitern. Denken Sie insbesondere an die rechtzeitige Rückforderung von unternehmenseigenen Arbeitsmitteln, Schlüsseln oder Software-Lizenzen, um nicht am Ende in wenig hilfreiche operative Hektik zu verfallen, so dass die Stimmung doch noch kippt. Seien Sie am letzten Arbeitstag der das Unternehmen verlassenden Person persönlich anwesend oder nehmen Sie rechtzeitig vorab Kontakt auf, um sich zu verabschieden. Vielleicht ist das Verhältnis sogar so gut, dass ein gemeinsames Verabschiedungs-Event möglich ist. Eventuell auch beim Feierabendbier mit dem Team.

Talent-Relationship-Management (TRM) nach dem Offboarding

Den Begriff Talent-Relationship-Management, kurz TRM, kennen Sie vermutlich vor allem aus dem Recruiting. Dort gilt es als Königsdisziplin, mit abgelehnten aber generell geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten im Kontakt zu bleiben. Den gleichen „Alumni“-Gedanken können Sie auch bei ehemaligen Beschäftigten anwenden. Bleiben Sie in Kontakt! Insbesondere Social Media eignet sich wunderbar, um weiterhin mit möglichen Bumerang-Mitarbeitern im Austausch zu bleiben. Interessieren Sie sich vor allem für die Erfahrungen der Ehemaligen mit ihrem neuen Arbeitgeber.

Bumerang Mitarbeiter mit offenen Armen empfangen

Selbstredend ist die Bereitschaft zur Erneuerung der Arbeitsbeziehung mit Bumerang Mitarbeitenden essentiell. Die Gründe, warum Menschen zurück zum ursprünglichen Arbeitgeber kommen, sind vielfältig. Oftmals ist das berühmte „Gras auf der anderen Seite“ eben doch nicht grüner. Vor allem bei einer einvernehmlichen Trennung oder zumindest im Rahmen einer positiven Trennungskultur wirken die Bindungskräfte auch nach dem Ausscheiden noch intensiv. Genau könnte eine angestrebte Selbstständig des Bumerang Mitarbeiters scheitert sein. Das darf jedoch kein Grund zur Schadenfreude sein! Ebenso sollten Sie auf Maßnahmen verzichten, das Gehalt der Rückkehrenden drücken zu wollen. Freuen Sie sich stattdessen aufrichtig über eine Anfrage zur möglichen Rückkehr und handeln Sie entsprechend. Natürlich wird nicht immer sofort eine passende Stelle für die Boomerang Mitarbeitenden zur Verfügung stehen, aber mit Blick auf den Fachkräftemangel können gerade diese Personen Wunder wirken.

Von der Bedeutung der Bumerang Mitarbeiter

Sie müssen bedenken, dass gerade die Bumerang Mitarbeiter oft sehr gut eingearbeitet waren. Diese kennen die betrieblichen Abläufe, die Unternehmenskultur und haben meist ein starkes informelles Netzwerk in der Organisation. Damit sind sie in der Regel schneller einsatzfähig. Dazu kommt noch ein anderer positiver Effekt: Vor allem wenn die Bumerang Mitarbeitenden längere Zeit in einem anderen Unternehmen gearbeitet haben vor ihrer Rückkehr, bringen sie wertvolle Erfahrungen und Fachwissen mit. Noch wertvoller wird dieses Wissen, wenn die temporäre Arbeit gar bei einem Mitbewerber im Markt stattfand. Und schließlich ist die zu erwartende Loyalität und Bindung vor allem bei Boomerang Mitarbeitern besonders hoch.

Mein Fazit zu Trennungskultur und Bumerang Mitarbeitern

Nach dem Lesen meines Artikels dürfte meine Haltung zum Thema positive Trennungskultur und Bumerang Mitarbeiter klar geworden sein. Schaffen Sie eine für Sie vorteilhafte Ausgangslage im enger werdenden Arbeitsmarkt und etablieren Sie Maßnahmen, die auf eine positive Trennungskultur einzahlen. Machen Sie sich ein generell positives Menschenbild zu eigen, um damit auf andere in der Organisation auszustrahlen. Als HR-Verantwortliche:r nutzen Sie Mitarbeiterkündigungen als Chance, um die Organisation nachhaltig zu verbessern und menschenfreundlich aufzustellen. Nutzen Sie systematisch die Möglichkeiten, die Bumerang Mitarbeiter bieten. Und wie so oft: Fangen Sie bei sich selbst und Ihrer Haltung dazu an. Ich freue mich auf den Austausch dazu.

Stefan Scheller

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