Neue Begriffe signalisieren Veränderung. Sie tauchen meist dann auf, wenn sich unser Bewusstsein erweitert und wir neue Perspektiven einnehmen. Das trifft aktuell zum Beispiel auf eine Begriffsveränderung in der Personalarbeit zu: In vielen Unternehmen wird aus Human Resources nun People and Culture. Was steckt dahinter?
Einblicke von Beatrice Maisch, COPETRI.
Traditionell: Passende Mitarbeitende einstellen und verwalten
Ein Blick in die Geschichte der Personalarbeit hilft zu verstehen, wie es zu der begrifflichen Wendung kommt. Traditionell waren Unternehmen strikt linear und in klar abgegrenzten Abteilungen strukturiert. Und viele sind es ja auch heute noch, denn damit waren sie bisher erfolgreich.
Diese Organisationen verfolgen den Ansatz, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die bestehenden Prozesse und Strukturen möglichst gut einfügen sollen. In diesem Verständnis bedeutet Personalarbeit vor allem „passende“ Kolleginnen und Kollegen zu finden, einzusetzen und zu verwalten.
Umgekehrt konnten sich Mitarbeitende dieser Unternehmen recht sicher sein, dass ihre Kompetenzen und ihre Arbeitsweise langfristig gefragt sind.
People: Transformation goes Personalarbeit
Mit der Transformation der Arbeitswelt, angestoßen von neuen digitalen Systemen, sind diese Gewissheiten passé. Wir sind mitten in einer Entwicklung hin zu einem anderen Szenario: Abteilungsgrenzen lösen sich auf, Teams wechseln häufig und setzen sich aus Mitgliedern mit sehr verschiedenen Kompetenzen zusammen.
Die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden ändern sich ständig und immer schneller. Mitarbeitende lernen nie aus, sie setzen sich immer wieder mit neuen Anforderungen auseinander und entwickeln proaktiv Lösungen.
Die Vernetzung bisher getrennter Silos ist aus meiner Sicht sogar zentral für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Wir bauen daher mit COPETRI eine Community auf, die die Bereiche People, Transformation und Innovation verbindet. Denn wenn Unternehmen langfristig erfolgreich sein wollen, müssen sie agil, kreativ und innovativ agieren. Das erreichen sie nicht, indem sie Mitarbeitende primär als zu verwaltende Ressource definieren. Organisationen brauchen dafür offene, eigenverantwortlich handelnde Menschen, die wertschätzend miteinander umgehen.
Diesem Verständnis folgt der Begriff People.
Studien bekräftigen die Richtung People and Culture?
Eine neue Ausrichtung der Personalarbeit trägt also zur Zukunftsfähigkeit von Unternehmen bei. Wie nötig das ist, zeigen zahlreiche Studien. Hier einige Ergebnisse der Gallup-Studie 2021:
- Aktuell geben 40% der Befragten an, dass sie nicht beabsichtigten, in einem Jahr noch bei ihrer derzeitigen Firma beschäftigt zu sein.
- 38% fühlen sich ausgebrannt, das sind 3% mehr als im Jahr 2020 und deutlich mehr als vor Corona-Zeiten (2018 und 2019: 26%).
- Der Index engagierter Mitarbeitender liegt in Deutschland seit bald zwei Jahrzehnten bei 11% bis 17% – und damit alarmierend niedrig.
People and Culture: Begriff für eine neue Wirklichkeit
Insofern folgt die Begriffsänderung von Human Resources zu People der Erkenntnis, dass Mitarbeitenden eine viel bedeutsamere und aktivere Rolle in Unternehmen zukommen muss.
Doch die sprachliche Entwicklung hat noch einen weiteren Aspekt. Denn eine der berühmtesten Erkenntnisse der Linguistik lautet: „Sprache schafft Wirklichkeit.“
Damit ist gesagt, dass unsere Sprache nicht nur unser Verständnis der Welt abbildet, sondern unsere Wirklichkeit geradezu kreiert. Wie wir sprechen, beeinflusst unsere Wahrnehmung, unser Denken und Handeln. Insofern macht es auch Sinn, alte Begriffe zu ersetzen, um eine Entwicklung nicht nur zu benennen, sondern eine neue innere Haltung zu fördern und zu verstärken.
Damit steht People auch für ein neues Mindset und eine neue Kultur. In vielen Unternehmen, die diesen Schritt bewusst gehen, nennt sich die Personalabteilung daher um in People and Culture.
Doch was bedeutet das für die konkreten Aufgaben?
Von administrativ zu strategisch
Wenn die Menschen mit ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen, geht es darum, sie in ihrer individuellen Entwicklung zu begleiten. So lassen sich künftige Herausforderungen besser lösen und auch Inklusion sowie Diversität voranbringen. Das spielt eine große Rolle, weil zunehmend auch innerhalb einzelner Projekte unterschiedliche Biografien, Stärken und Kompetenzen gefragt sind.
People kümmert sich zudem um Kollaboration, vernetzt die Menschen miteinander und stärkt ihre Beziehungen. Gerade wenn sich Strukturen und Prozesse immer wieder ändern, müssen die Beziehungen der Akteure im Unternehmen belastbar sein. Das gelingt nur, wenn sich Kolleginnen und Kollegen intensiv austauschen und miteinander abstimmen.
Wenn sich Organisationen von Silodenken und starren Strukturen verabschiedet haben, zeichnen sie sich durch eine offene und agile Kultur aus, die sich durchgängig in allen Bereichen zeigt. Fehler werden zu Lerngewinnen, Menschen übernehmen Verantwortung und entwickeln sich gerne weiter. Das Unternehmen wird dadurch resilienter und zukunftssicherer.
Kultur und Werte im Fokus der Transformation von HR
Diese Kultur der Offenheit, Kollaboration und des Lernens zu stärken, ist eine zentrale Aufgabe von People and Culture. Darüber hinaus hat jedes Unternehmen noch ganz eigene kulturelle Merkmale, die es von anderen unterscheiden.
Konkret stärken lässt sich die individuelle Unternehmenskultur zum Beispiel mithilfe von Führungskräftetrainings, konstruktivem Feedback, einer intensiven internen Kommunikation und gemeinsamen Erlebnissen. Vor allem den Führungskräften kommt eine Schlüsselrolle zu.
People and Culture arbeitet daher in engem Kontakt mit ihnen, um sie dabei zu unterstützen, nach den neuen Prinzipien zu führen. Denn bei dem fundamentalen Schritt von Human Resources zu People and Culture handelt es sich um eine Transformation, die zunächst im Unternehmen ankommen und wirksam werden muss.
In allen konkreten Maßnahmen spiegeln sich Werte wie Empathie, Respekt und Vertrauen wider. Wenn es gelingt, Führung auf dieser Basis zu etablieren, erhöht dies das Engagement der Mitarbeitenden. Denn das Verhalten der Führungskräfte ist laut Gallup-Report zu 70% dafür verantwortlich.
Recruiting mit neuen Akzenten
Ein Unternehmen, das nach People-and-Culture-Prinzipen arbeitet, setzt auch im Recruiting neue Schwerpunkte. Zwar ist auch für diese Organisationen eine gute Passung das Ziel, doch diese bezieht sich eher auf Kultur, Werte und Mindset als auf Skills, die sich noch aufbauen lassen.
Daher ist ein Employer Branding, das Kultur und Werte gezielt an die entsprechenden Zielgruppen kommuniziert, besonders wichtig. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen zudem ein sorgfältiges Onboarding, um die Kultur zu verstehen und gut im Unternehmen anzukommen.
Der Wandel zu People and Culture kann somit bedeutende wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Doch dabei sollten wir eines nicht vergessen: Es macht auch einfach viel mehr Spaß, in einem Unternehmen zu arbeiten, das den einzelnen Menschen wahrnimmt und wertschätzt. Dieses gute Gefühl senkt wiederum das Burn-out-Risiko und erhöht die Leistungsfähigkeit.
Somit kann ein authentischer Wandel zu People und Culture in Organisationen zahlreiche positive Wechselwirkungen in Gang setzen.