Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? In Deutschland entspricht das leider nicht den Tatsachen. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hat mehr als 2.000 Deutsche dazu befragt, ob und wie sie ihr Gehalt verhandeln.
Unbereinigter Gender Pay Gap
Laut Statistischem Bundesamt lag die allgemeine Gehaltslücke zwischen den Geschlechtern – der sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap – im Jahr 2020 bei 18%. Insgesamt verdienten Frauen also pro Stunde 4,16 Euro weniger Lohn als Männer. Mit Blick auf die anhaltende Corona-Pandemie dürften sich die Gehaltsunterschiede in den vergangenen zwei Jahren eher verschärft haben. Und Gehaltsunterschiede haben langfristige Folgen.
Oft unterscheiden sich die Erwerbsbiografien von Frauen deutlich von denen der Männer. Frauen schultern häufig neben dem Beruf Care-Arbeit. Das führt zu einer geringeren Arbeitszeit und weniger Verdienst. Sie zahlen daher weniger in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Auch für finanzielle Rücklagen bleiben bei einem niedrigeren Einkommen meist kaum Raum. Im Alter steigt dementsprechend besonders bei Frauen das Risiko für Armut. Umso wichtiger ist es, das eigene Einkommen zu erhöhen. Der erste wichtige Schritt zu mehr Lohn und finanzieller Freiheit ist für jede Frau die Gehaltsverhandlung.
Mehr Mut gefragt: Vier von zehn Frauen haben noch nie verhandelt
Das überraschendste Ergebnis: 41%, etwa vier von zehn Frauen in Deutschland, haben ihr Gehalt noch nie verhandelt – unter den Männern fällt dieser Anteil mit 35% um einiges geringer aus. Lediglich sechs Prozent der Frauen geben an, ihr Gehalt regelmäßig, also mindestens alle zwei Jahre, zu verhandeln – bei den Männern sind es mit zehn Prozent nahezu doppelt so viele. Immerhin acht Prozent verlassen sich auf das Verhandlungsgeschick ihrer Arbeitnehmervertretung oder Gewerkschaft, wenn es um Lohnerhöhungen geht.
Wie häufig verhandeln Sie Ihr Gehalt? (Mehrfachnennungen möglich) | Befragte gesamt | Frauen | Männer |
keine | 25% | 28% | 22% |
bis zu 1% | 2% | 3% | 2% |
bis zu 3% | 9% | 9% | 10% |
bis zu 5% | 11% | 8% | 14% |
bis zu 7% | 5% | 3% | 7% |
bis zu 10% | 7% | 5% | 10% |
bis zu 15% | 3% | 2% | 4% |
bis zu 20% | 2% | 1% | 3% |
über 20% | 3% | 2% | 4% |
Weiß nicht / keine Angabe | 32% | 26% | 39% |
Was spricht für mehr Gehalt? Leistung und mehr Aufgaben
Mit welchen Argumenten überzeugen Frauen ihre Arbeitgeber – oder auch nicht? Fast ein Drittel der Bundesbürgerinnen (32%) beruft sich beim Gehaltsgespräch auf ihre Leistung. 26% führen einen gewachsenen oder anspruchsvolleren Aufgabenbereich an. Jeweils 18% der befragten Frauen bekräftigen ihre Forderungen nach einem höheren Lohn mit ihrer Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber oder mit erfolgreich abgeschlossenen Projekten. 19% gehen ins Gehaltsgespräch, um eine Anpassung an branchenübliche Gehälter einzufordern.
Aber auch Gründe fernab der eigentlichen Arbeit werden genutzt: Immerhin 16% der Frauen führen die steigende Inflation als Argument für ein Lohnplus an und 13% gestiegene Ausgaben im Privatleben, zum Beispiel für Miete oder Strom.
Freizeit statt Geld? Frauen finden zusätzliche Urlaubstage attraktiv
Dabei ist Geld längst nicht alles, das beim Verhandeln attraktiv erscheint. Als Alternative zu mehr Gehalt sind bei 40% der Frauen zusätzliche Urlaubstage beliebt. Über eine Gewinnbeteiligung oder Bonus-Systeme bei sehr guter Arbeitsleistung würden sich jeweils rund 20% der Studienteilnehmerinnen freuen. Weitaus weniger attraktiv sind für die Befragten Unternehmensbeteiligungen: Nur rund jede zehnte Frau findet diese als Kompensation für mehr Gehalt interessant. Ein Firmenwagen wäre immer noch für 17% der Frauen lohnenswert, geförderte Nahverkehrstickets dagegen bloß für 13%.
Weniger beliebte Alternativen zu einem höheren Lohn sind eine geförderte Fitnessstudio-Mitgliedschaft (8%) oder ein Weiterbildungsbudget (9%). Eine Beteiligung des Arbeitgebers an Kosten für die Kinderbetreuung wünschen sich nur 7% der Bundesbürgerinnen.
In Sparlaune: Frauen legen das Lohnplus lieber zurück, als es auszugeben
Wohin mit dem höheren Verdienst, wenn die Gehaltsverhandlung erfolgreich war? Die Frauen in Deutschland sind deutlich sparfreudiger als die Männer: Trotz Null- und Negativzinsen möchte ein Drittel der Bundesbürgerinnen das Lohnplus zur Seite legen und sparen, bei den Männern sind es nur 27%. Vor dem Vermögensaufbau scheuen allerdings viele Frauen zurück, lediglich 12% möchten mehr Gehalt in Aktien oder ETFs investieren gegenüber 23% bei den Männern.
Für weitere 13% der Frauen hat Schuldenfreiheit die höchste Priorität. Sie würden mit einem höheren Lohn zuerst ihre Schulden begleichen oder Kredite abbezahlen (Männer: 15%). In Bezug auf ihren Lebensstil sind die Frauen offenbar bescheidener: Ihren Lebensstandard erhöhen möchten 16% und mehr konsumieren 11% (Männer: je 22%). Ebenfalls 11% würden mit mehr Gehalt Kultur oder Reisen finanzieren.
Überraschenderweise landet der höhere Verdienst nur bei 9% der Bundesbürgerinnen in der Familienkasse. Einen noch geringeren Stellenwert nimmt die eigene Bildung ein. Gerade einmal 5% der Studienteilnehmerinnen würden die Gehaltssteigerung in ihre eigene Weiterbildung investieren.
Beim Thema Gehalt sind Frauen oft noch zu zaghaft und haben hier großes Potenzial, ihr Einkommen zu steigern. Das fängt schon beim Einstieg ins Berufsleben an und zieht sich durch das gesamte Erwerbsleben. Laut der Studie haben 41% der Frauen noch nie ihr Gehalt verhandelt. Einkommenssteigerungen ermöglichen Freiheit – finanzielle Unabhängigkeit, Vorsorge und die Verwirklichung kleiner und großer Wünsche. Wer das beherzigt, weiß um die Kraft einer Gehaltsverhandlung
Mit diesen 5 Tipps können Frauen die Gender Pay Gap umgehen
Augen auf bei der Jobwahl!
Es ist kein Geheimnis, dass bestimmte Jobs höhere Gehälter erzielen. Das sollten Frauen bei der Berufswahl bedenken. Ist die Traumbranche eher im Niedriglohnbereich verankert, lohnt es sich dennoch zu überlegen, welche Position oder zusätzliche Qualifikationen auf Dauer zum finanziellen Erfolg führen.
Nicht zu niedrig mit dem Einstiegsgehalt ansetzen!
Frauen fordern meist weniger Gehalt als Männer. Schon beim Berufseinstieg nach dem Studium klafft eine Lücke von fast 20%: So erwarten männliche Studienabsolventen laut der Most-Wanted-Studie von McKinsey aus 2019 schon zum Start 12.000 Euro mehr Gehalt – nämlich 62.000 Euro anstatt 50.000 Euro bei den Absolventinnen.* Wer mit einem zu geringen Einkommen in Arbeitsleben startet, büßt aufs Leben gerechnet massiv ein und hat oft Probleme höhere Gehälter zu erzielen!
Karriereplanung strategisch angehen!
Ein klares Ziel und ein Fahrplan helfen auch im Berufsleben. Oft sprechen wir vom Mangel an weiblichen Führungskräften, Einführung von Quoten & Co. Doch hier sind neben Arbeitgebern auch Frauen gefragt, sich selbst mehr ins Spiel zu bringen, den Aufstieg oder die Spezialisierung zu erarbeiten und Beförderungen einzufordern, damit sie bewusst das nächste (Gehalts)Level erklimmen.
Gehaltsvergleiche und eigenes Netzwerk nutzen und “Ask Gap” vermeiden
Wer nicht fragt, hat längst verloren. Das gilt erst recht beim Thema Gehaltsverhandlung in allen Phasen des Lebens, denn die Auswirkungen sind massiv und lebenslang. Die Wissenschaft hat bei Frauen eine “Ask Gap” identifiziert.
Ursachen sind häufig Angst und Verunsicherung, aber auch fehlender Austausch zum Thema im eigenen Netzwerk. Dagegen helfen der Glaube an sich selbst und gute Recherche: Was wird auf der Position bei Unternehmen der gleichen Größe / Branche / Region gezahlt? Hier helfen beispielsweise der Lohnspiegel, der Gehaltsvergleich vom Statistischen Bundesamt oder auch der Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit. Es hilft aber auch, mit Freunden und dem eigenen Netzwerk offen über das Thema Gehalt zu sprechen.
Mind the Gap! Erwerbsbiografien von Frauen sind anders
Gemäß dem Statistischen Bundesamt sind 71% der Gehaltsunterschiede strukturbedingt. Gründe für die Lohnlücke sind demnach nicht nur Branchen und Berufe, sondern auch ein größerer Anteil an Teilzeit sowie Minijobs, die sich auf den durchschnittlichen Stundenlohn niederschlagen.
Eine große Rolle bei Frauen spielen Mutterschutz und Elternzeit sowie die Pflege Angehöriger. Dadurch wird die Lebensarbeitszeit reduziert und beim Wiedereinstieg ins Arbeitsleben oft weniger Einkommen erzielt, was sich lebenslang auswirken kann. Allein die Gehaltseinbußen bis zum 10. Geburtstag des ersten Kindes gegenüber kinderlosen Frauen beziffern Forscher mit 61% als sogenannte “Child Penalty Gap” in Deutschland. Dieses Bewusstsein sollte individuell, familiär und gesellschaftlich geschärft werden, um für Ausgleich zu sorgen oder gegebenenfalls schneller wieder zu arbeiten.
Zur Studie
Die verwendeten Daten beruhen auf einer von WeltSparen (Raisin DS GmbH) konzipierten sowie in Auftrag gegebenen und von YouGov durchgeführten Online-Umfrage an der 2.079 Befragte – 1.068 Frauen und 1.011 Männer – zwischen dem 19. bis 21. November 2021 teilgenommen haben. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.
Quelle: Raisin DS (WeltSparen)