Väter-Elternzeit Titelbild des Artikels von Andreas Seltmann

Väter-Elternzeit: Vereinbarkeit von Vater-sein und Karriere

Wie lange wollen wir uns diese halbherzige Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch leisten? Wie viele Potentiale durch Väter-Elternzeit in unseren Unternehmen mit Blick auf unserer Employer Branding wollen wir noch verschenken? Wieso sind es immer noch nur 36% der Väter die Elternzeit in Anspruch nehmen? Wie schaffen wir es endlich zu einer väterfreundlichen Unternehmenskultur zu kommen und welche 5 Top-Themen müssen Sie zwingend anpacken, wenn Sie ein Top-Arbeitgeber (nicht nur) für Väter sein wollen?

Eines ist auf jeden Fall klar, wenn Sie langfristig erfolgreich sein wollen, kommen Sie um ein Väternetzwerk in Ihrem Unternehmen und um eine väterfreundliche Unternehmenskultur nicht herum! Das sagt Autor Andreas Seltmann.

Väter-Elternzeit – Spannungsfeld oder gelebte Praxis?

Wenn ich heute so zurückschaue, wieso ich mich für die „Vereinbarkeit von Vater-Sein und Beruf“ einsetze, Väternetzwerke in Unternehmen aufbaue und KMUs berate, wie sie ein Top-Arbeitgeber werden, dann deshalb, weil ich selbst sehr viel Energie und Führungsstärke aus der gemeinsamen Zeit mit meinen Kindern gezogen habe.

Oft war ich aber auch in meiner Situation als Vater unzufrieden, unsicher und überfordert. Das Vertrauen meiner Frau und ihr Rückhalt war für mich wichtig. Beide haben mich sehr in meiner Vaterrolle gestärkt. Geholfen haben mir aber auch Führungswerkzeuge aus der betrieblichen Praxis, Bücher zu Erziehungsthemen, Vorträge wie beispielsweise „Söhne in der Pubertät“ und der Austausch mit anderen Vätern.

Damals in den frühen 2000ern, gab es das Elterngeld oder auch Väter-Elternzeit wie wir sie heute kennen noch nicht. Und ich selbst habe bei keinem meiner beiden Kinder Elternzeit in Anspruch genommen. Allerdings habe ich bewusst immer für Unternehmen gearbeitet, die eine sehr familien- und menschenorientierte Unternehmenskultur besitzen. Dementsprechend haben meine Frau und ich uns für eine traditionelle Aufteilung der Erwerbs- und Carearbeit entschieden.

Vater-Sohn-Auszeit

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Bei mir hat das immer wieder zu Unzufriedenheit geführt und ich habe mich oft gefragt, ob ich ein „guter Vater“ bin. Als mein Sohn mir an seinem 18. Geburtstag sagte, den wir übrigens auf einer Vater-Sohn-Auszeit in Neuseeland feierten, dass es Ihm gutgetan hat, wie ich als Vater, Berater, Mentor und als Mann immer für Ihn da war, war ich mit mir und der Welt wieder versöhnt.

Meine intensiven Erlebnisse sowie die Auseinandersetzung mit dem Vater-Sein habe ich in Form von Briefen als Reisetagebuch herausgegeben. Damit will ich andere Väter inspirieren und motivieren, mehr Zeit mit (in diesem Fall) ihren Söhnen zu verbringen.

Heute warten zum Glück viele Väter nicht auf die späte „Absolution“ Ihres Sohns. Stattdessen nehmen laut Spiegel online vom 14.03.2019 immerhin 35,9% der deutschen Väter Elterngeld in Anspruch. Das klingt wenig, zeigt aber einen deutlichen Aufwärtstrend. Denn 2008 waren es gerade mal 20,8%.

Die Anforderungen an Väter sind vielfältig und komplex

In einem Dossier zur partnerschaftlichen Gleichstellungspolitik gibt Dr. Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, folgendes Statement ab, das ich voll und ganz teile:

Die Anforderungen an Männer sind heute vielfältig und komplex. Sie sollen emotional offen und verständnisvoll, gleichzeitig aber auch stark und „männlich“ sein. Sie sollen beruflich erfolgreich sein, aber auch aktiv am Familienleben teilnehmen und als liebevolle fürsorgliche Väter ihren Teil an der Kindererziehung leisten. Diese unterschiedlichen Anforderungen können dazu führen, dass sich Männer überfordert fühlen und Probleme haben, ihre Sorgen offen anzusprechen, da dies ihr eigenes Lebenskonzept nicht vorsieht.

Als Gründe wird die eigene Erziehung, ein über viele Generationen gelebtes Rollenbild und väterfeindliche Unternehmenskulturen genannt. Dabei sind, wie das Bundesfamilienministerium feststellt, Firmen betriebswirtschaftlich erfolgreicher, wenn sie ihre personalpolitischen Maßnahmen auch auf die Väter ausrichten.

#Unternehmen sind betriebswirtschaftlich erfolgreicher, wenn sie ihre personalpolitischen Maßnahmen auch auf #Väter ausrichten. Share on X

Höhere Mitarbeiterzufriedenheit und geringere Fehlzeiten sowie eine höhere Produktivität müssten die Unternehmen doch überzeugen. Außerdem kommen Väter nach der Elternzeit mit neuen Soft Skills zurück.

Wir haben aber ein massives Väter-Kulturproblem

Die tägliche Praxis in vielen Unternehmen sieht aber eher noch so aus, dass „Mann“ sich Machosprüche anhören muss, wenn er früher gehen muss, um sein Kind von der Kita abzuholen. Oder dass er auf Karriere verzichten muss, wenn er Väter-Elternzeit in Anspruch nimmt.

Laut der Familienstudie „Mehr Aufbegehren. Mehr Vereinbarkeit“ von A.T. Kearney erachten 92% der befragten Väter eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie für ihr persönliches Wohlbefinden als sehr wichtig. Doch nicht einmal die Hälfte findet, dass in ihren Unternehmen Beschäftigte mit Familienpflichten gute berufliche Möglichkeiten haben. Fast jeder vierte geht sogar davon aus, dass Familienpflichten zu schlechteren Chancen führen. Jeder dritte Vater glaubt sogar, dass seine Karriere gefährdet sei, wenn er familienfreundliche Angebote in Anspruch nimmt.

Meiner Erfahrung nach, haben zwar schon viele Unternehmen familienfreundliche Programme und Maßnahmen, aber wir haben ein echtes Kulturproblem! Unternehmen, die das nicht verstehen und an Ihrer Unternehmenskultur und damit an Ihrem Employer Branding für Väter arbeiten, laufen Gefahr neben ihren besten Mitarbeitern auch ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Denn bereits heute geben 64% der Professionals der Generation Y (1980-1993 Geborene) an, dass sie nicht bei einem Unternehmen anfangen würden, das keine wirkliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht.

Führungskräfte als Vorbilder und ein klares Statement der obersten Leitung

Als wesentlich für eine erfolgreiche Umsetzung der Wünsche nach Väter-Elternzeit, haben sich laut dem Institut für sozialwissenschaftlichen Transfer (SowiTra), auf betrieblicher Ebene die direkten Führungskräfte gezeigt. Von ihnen hängt es ab, ob und wie Väter ihren familiären Bedürfnissen bezüglich der Elterngeldmonate und auch darüber hinaus verwirklichen können.

Insbesondere bei Vätern, die sich ihrer Entscheidung für Elternzeit noch nicht sicher sind, führt ein ablehnendes Verhalten der Führungskraft zu einer deutlichen Reduzierung hin zu einem vollständigen Verzicht. Dementsprechend gelingt 79% der Väter eine gute Vereinbarkeit, wenn Vorgesetzte mit gutem Beispiel vorangehen, sonst gelingt es nur 17%. Das Ziel muss also sein, Führungskräfte zu animieren Vorbilder zu sein und eine väterfreundliche Führungs- und Unternehmenskultur zu entwickeln.

#Führungskräfte müssen glaubwürdige Vorbilder für väterfreundliche #Führungskultur und #Unternehmenskultur sein. Share on X

Väterfreundliche Maßnahmen sind (k)ein Privileg der Großen

Ein attraktiver Arbeitgeber auch für Väter zu sein, ist keine Frage von Größe und Budgets, sondern eine Frage der Überzeugung. Jedoch sind es aktuell vor allem Konzerne und große Unternehmen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und handeln. So bietet beispielsweise das IT-Unternehmen Hewlett Packard seinen Angestellten eine sechsmonatige Elternzeit bei voller Weiterbezahlung an. Selbstverständlich gilt das auch für Väter-Elternzeit.

Bei SAP dürfen Mitarbeiter, die ab Januar 2020 Vater werden, ihre Arbeitszeit in den ersten acht Wochen nach der Geburt um 20% reduzieren – ohne Gehaltseinbußen. Beim Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé können Mitarbeiter eine bezahlte Familienarbeitszeit von bis zu 18 Wochen nehmen.

Diese Vorreiter haben angesichts des Fachkräftemangels klar die Vorteile eines familienfreundlichen Employer Brandings erkannt und handeln, was den Druck auf andere Firmen deutlich und unerlässlich erhöht.

Väternetzwerke & Angebote speziell für Väter sind Erfolgsfaktoren

Aber auch ohne „Super-Angebote“ wie zuvor beschrieben, können Unternehmen eine überaus erfolgreiche Vereinbarkeitsstrategie umsetzen und mit Herz, Hand und Haltung ihre Arbeitgeber-Attraktivität deutlich steigern. Empfehlenswert ist es aus meiner Erfahrung, die Väter in Ihrem Unternehmen untereinander zu vernetzen, aktiv mit einzubinden und kulturverändernde Maßnahmen zu entwickeln. Am besten ist dies durch ein Väternetzwerk im Unternehmen zu realisieren!

Erfolgreiche Strategien zur #Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzen auf #Väternetzwerke Share on X

Erfahrungen aus Väternetzwerken zum Beispiel bei Dräger, SAP, ERGO, der Berliner Sparkasse und der Stadtwerke Lübeck zeigen, dass Väternetzwerke Vorurteile gegenüber männlichen Mitarbeitern abbauen, die länger in Elternzeit gehen, Teilzeit arbeiten oder Ihre Arbeitszeit flexibilisieren möchten. Besonders den werdenden Vätern können die Unsicherheiten für ihre erste Vaterschaft genommen werden, wenn sie mit erfahren Elternzeit-Vätern vernetzt werden.

Väternetzwerke als Erweiterung der Väter-Elternzeit

Alles in Allem führten Väternetzwerke in besagten Unternehmen tatsächlich zu einer Steigerung von Zufriedenheit, Motivation und Produktivität am Arbeitsplatz. Darüber hinaus stellte sich eine stärkere Bindung und Identifikation mit dem Unternehmen ein. Vätern in diesen Unternehmen ist deutlich, dass familienfreundliche Maßnahmen genauso für Sie nutzbar sind, was nachweislich eine offenere Unternehmenskultur für Mütter und Väter förderte.

Personalabteilungen aus Unternehmen mit Väternetzwerken stärken Ihre Position als innovativer und serviceorientierter interner Partner, der seinen männlichen Mitarbeitern einen völlig neuen Mehrwert bietet und gerade auch im Recruiting neue Akzente setzen kann.

5 Top-Themen für eine bessere Vereinbarkeit (nicht nur) für Väter

So wie es förderliche Faktoren für einen bessere Vereinbarkeit von Vater-sein und Beruf gibt, so gibt es auch hemmende Faktoren. Was Sie aber auf jeden Fall im Rahmen ihres Employer Brandings angehen und mit Personalmarketing-Maßnahmen flankieren sollten, sind folgende 5 Top-Themen:

  1. Flexible Arbeitszeiten und eine positive Teilzeit-Kultur
  2. Klare Home-Office-Regelungen und verlässliche Vertretungsregeln
  3. Familienkompetenz als Karrierebaustein und Offenheit für Karrierealternativen
  4. Vorbilder im Betrieb und Verständnis von Vorgesetzten für familiäre Belange
  5. Klares Statement, Haltung und positiver Support der obersten Führung

In dem bereits erwähnten Dossier zur partnerschaftlichen Gleichstellung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend arbeiten in Familien beide Elternteile im Schnitt gleich viel. Aber nicht das Gleiche. Männer bleiben erwerbsfokussiert und nehmen sich weniger Zeit für die Kinderbetreuung und die Hausarbeit als Mütter.

Indem jedoch Unternehmen spezielle Angebote für Väter schaffen und damit ihren Beitrag zu einer besseren Vereinbarkeit leisten, wird sich auch die Vereinbarkeit für Mütter positiv verändern. Dementsprechend geht eine bessere Vereinbarkeit für Mütter nur mit Vätern.

„One More Thing“ zum Thema Väter-Elternzeit

Ach ja, noch etwas: Vergeuden Sie keine Vaterschaft in Ihrem Unternehmen! Denn jede Väter-Elternzeit sorgt für eine Aufwertung und Bekanntheit Ihres Leistungsangebotes, sowie für eine gesteigerte Sozialkompetenz der Männer, Kollegen und Väter selbst. Denn Väter lernen sich zu Themen wie Work-Life Balance, Erziehung, Gesundheit und Partnerschaft, mehr und mehr klar zu positionieren und zu priorisieren.

Ihr Unternehmen profitiert immer unmittelbar und direkt von den erworbenen Schlüsselkompetenzen der Väter. Ganz nebenbei werden Sie außerdem zu authentischen, starken und magnetisch wirkenden Arbeitgebermarken-Botschaftern (nicht nur) für Väter!

Andreas Seltmann

Andreas Seltmann wurde 1968 am Bodensee geboren, studierte Energie- und Automatisierungstechnik und besitzt weitere Abschlüsse als Betriebsökonom und Businessmoderator.

Seit 2020 widmet sich der leidenschaftliche Vater und Buchautor, als freiberuflicher Berater dem Employer Branding und Personalmarketing. Er begleitet Firmen auf ihrem Weg ein Top-Arbeitgeber zu werden, baut Väternetzwerke in Unternehmen auf und ist als Auditor bei berufundfamilie tätig.

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