Das Frühjahr eines jeden Jahres ist stets die Zeit der Arbeitgeberrankings und Arbeitgebersiegel-Verleihungen. Jahr für Jahr steigen erfreute Personalverantwortliche auf die Bühnen und lassen sich für ihren Erfolg im Wettkampf um die Top-Platzierungen feiern. Im Anschluss erhalten die Unternehmen meist ein Arbeitgebersiegel für die weitere Vermarktung dieses Erfolges. Eine Ausnahme bildet der Focus-XING-Award Top nationaler Arbeitgeber, bei dem Unternehmen trotz Auszeichnung für die Nutzung des Arbeitgebersiegels tief in die Taschen greifen müssen.
Dabei stellt sich die Frage, welchen Einfluss Arbeitgebersiegel auf die Studenten und Absolventen haben und ob sich ein Investment überhaupt lohnt.
Arbeitgebersiegel und Arbeitgeberrankings – stets eine Geldfrage
Es geht sowohl bei Arbeitgeberrankings als auch bei Arbeitgebersiegeln immer (!) um Geld. Die Anbieter lassen sich entweder vorher dafür bezahlen, dass Unternehmen mit in die Betrachtung einfließen oder hinterher, wenn sie ihre Arbeitgebersiegel oder die zum Arbeitgeberranking gehörigen Studienergebnisse verkaufen (möchten).
Es gibt daher mehrere Aspekte zu beantworten bei der Frage, ob sich ein solches Investment in ein Arbeitgebersiegel mit Blick auf die zu rekrutierenden Zielgruppen, allen voran Studenten und Absolventen, lohnt:
- Kennen Studenten und Absolventen die Arbeitgebersiegel?
- Verbinden die Studenten und Absolventen die richtigen Assoziationen mit den Arbeitgebersiegeln?
- Welchen Einfluss haben Arbeitgebersiegel auf die Wahl des Arbeitgebers bei Studenten und Absolventen?
Studie über den Einfluss von Arbeitgebersiegeln und Zertifizierungen auf Studenten
Eine aktuelle Studie liefert spannende Erkenntnisse zu dieser Frage: Im Zeitraum vom 19.11.-20.12.2015 wurden mehr als 500 Studierende befragt, von denen 327 fundierte Antworten auf die gestellten Fragen lieferten. Untersucht wurden dabei vier Arbeitgebersiegel:
- Audit berufundfamilie
- Top Arbeitgeber
- Great Place to Work
- TÜV ausgezeichneter Arbeitgeber
Bekanntheit der Arbeitgebersiegel
Am bekanntesten ist das Arbeitgebersiegel Top Arbeitgeber
Dabei zeigte sich, dass insbesondere das Arbeitgebersiegel des CRF Institute „Top Arbeitgeber“ überdurchschnittlich bekannt ist. Allerdings stellt sich mir die Frage, ob alleine der Siegelname „Top Arbeitgeber“ sowie die zahlreichen ähnlich klingenden Siegel, z.B. „Top nationaler Arbeitgeber“ (FOCUS/kununu) den Bekanntheitswert nicht in die Höhe getrieben haben.
Wenig bekannt ist das Arbeitgebersiegel audit berufundfamilie
Umgekehrt ist das Arbeitgebersiegel des audits berufundfamilie nur knapp 10% der Befragten bekannt. An dieser Stelle lässt sich schon festhalten, dass die Betreiber des Siegels, die berufundfamilie Service GmbH, dringend an der Bekanntheit ihres Siegels arbeiten sollten!
Ein Viertel der Befragten kennt keines der Arbeitgebersiegel
Aber auch grundsätzlich sind die Bekanntheitswerte aller Arbeitgebersiegel-Anbieter durchaus steigerungsfähig. Immerhin kennen 25% der Befragten keines der vier genannten Siegel. Dabei muss natürlich berücksichtigt werden, dass Arbeitgebersiegel erst zu einem bestimmten Zeitpunkt an Relevanz für die Zielgruppe Studenten gewinnen, nämlich bei der Wahl eines Unternehmens für ein Praktikum, eine Werkstudententätigkeit oder im Zusammenhang mit dem Schreiben einer Abschlussarbeit.
Welche Werte assoziieren Studierende mit den Arbeitgebersiegeln?
Neben der reinen Kenntnis der Arbeitgebersiegel, ist die weitaus spannendere Frage, welche Werte die Studierenden mit den Arbeitgebersiegeln verknüpfen. Zur Auswahl standen dabei (bereits nach der von den Befragten angegebenen Wichtigkeit gerankt):
- Ausgewogene Vergütung
- Freundliche Arbeitsatmosphäre
- Arbeitszeitmodelle
- Mitarbeiterentwicklung
- Kompetente Führung
- Familienbewusste Personalpolitik
- Talentstrategie
- Familienbewusste Unternehmenskultur
- Führungskräfteentwicklung
- Werte & Leitbild prägen die Personalpolitik
- Definierter Prozess für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter
- Aktives Gesundheitsmanagement
Vergütung, Arbeitsatmosphäre, Arbeitszeit und Entwicklungsperspektiven schlagen Gesundheit und Onboarding
Die bei Befragungen zur GenY häufig favorisierten Werte Work-Life-Balance (Arbeitszeit) sowie Arbeitsatmosphäre („Feelgoodmanagement“) stehen auch hier ganz oben auf der Liste der wichtigsten mit Arbeitgebersiegeln assoziierten Werte. Das Thema Vergütung auf Platz eins überrascht etwas, allerdings würde ich das so interpretieren, dass es bei „ausgewogen“ nicht um den Topverdienst geht, sondern dass die Vergütung zur investierten Arbeitszeit passt (quasi im weiteren Sinne ein Aspekt der Work-Life-Balance).
Zuordnung der Werte bzw. Merkmale zu den Arbeitgebersiegeln
Noch spannender ist die Beantwortung der Frage, ob die Studierenden die o.g. Merkmale den Siegeln korrekt zuordnen können? Oder anders formuliert: Kennen die Studenten die mit den Arbeitgebersiegel verbundenen Werte und Eigenschaften von Arbeitgebern?
Am wenigsten einschätzbar für Studenten: Arbeitgebersiegel Great Place to Work
Zwar erkannten laut Studienergebnissen rund 80% der Studenten, dass das Siegel Great Place to Work den Aspekt „freundliche Arbeitsatmosphäre“ umfasst. Die Zuordnung der ebenfalls damit ausgezeichneten Unternehmenswerte „kompetente Führung“ und „ausgewogene Vergügung“ (letzteres ist immerhin der Topwert der Wichtigkeit!) fiel hier jedoch deutlich schwächer aus. Studenten ordneten beide eher dem Siegel Top Arbeitgeber zu.
Welchen Einfluss haben Arbeitgebersiegel bei der Arbeitgeberwahl?
Die Frage wurde von der Studie differenziert beantwortet hinsichtlich Geschlechterzugehörigkeit, Restdauer des Studiums, Berufserfahrung sowie zwischen Bachelor- und Masterstudium.
Der Einfluss von Arbeitgebersiegeln auf die Arbeitgeberwahl bei Bachelorstudenten
Der Einfluss auf die Arbeitgeberwahl bei Masterstudenten
Einfluss auf die Unternehmenswahl kaum vorhanden
Betrachtet man die nur rund 14% der Bachelorstudenten, die den Arbeitgebersiegeln „sehr viel“ oder „viel“ Einfluss beimessen sowie die gar nur rund 9% der Masterstudenten, die selbiges angaben, dann ist der Einfluss auf die Unternehmenswahl in meinen Augen sehr überschaubar.
Insbesondere die ca. 59% (Bachelor) und rund 57% (Master) der Befragten, auf die Arbeitgebersiegel ihren eigenen Angaben nach bisher „gar keinen Einfluss“ bei der Unternehmenswahl haben, drücken den Erfolg der Arbeitgebersiegel doch deutlich.
„Zukünftiger“ Einfluss von Arbeitgebersiegeln wächst
Nach Aussage der Befragten wachse zukünftig mit Kenntnis der Siegel der Einfluss deutlich an (graue Balken). Allerdings lässt sich dieses zukünftige Verhalten aus meiner Sicht nicht beliebig auf die Masse der Studenten hochrechnen, die nicht an der Befragung teilgenommen haben und die Siegel sowie deren Inhalte noch immer nicht umfassend kennen.
Auch lässt die deutlich höhere zukünftige Beeinflussung durch Arbeitgebersiegel bei Frauen („viel Einfluss“: ca. 30 %) im Vergleich zu Männern („viel Einfluss“: knapp 21%“) großen Interpretationsspielraum.
Einfluss der Arbeitgebersiegel sinkt mit steigender Berufserfahrung
Die Werte zum steigenden zukünftigen Einfluss der Arbeitgebersiegel sind auch deswegen mit Vorsicht zu genießen, weil gleichzeitig eine Gegentrend eintritt: Mit steigender Berufserfahrung sinkt die Bedeutung des Einflusses von Arbeitgebersiegeln. Bei Befragten mit weniger als 1 Jahr Berufserfahrung von ca. 46% auf rund 26% bei Befragten mit mehr als vier Jahren Berufserfahrung.
Das ist aus meiner Sicht nur verständlich: Wer bereits Praxiserfahrung und (verschiedene) Unternehmen kennengelernt hat, verlässt sich lieber auf eigene Erfahrungswerte als auf abstrakte Logos, deren Aussagen nicht immer genau einschätzbar sind.
Fazit
Im Markt der mittlerweile über 200 Arbeitgebersiegel kämpfen die Anbieter durch die Bank mit der Bekanntheit bei der Zielgruppe Studenten und Absolventen. Auch die mit den jeweiligen Arbeitgebersiegeln assoziierten Werte des Arbeitgebers sind ihnen bei Weitem nicht im notwendigen Maße bekannt. Aus meiner Sicht, eine wichtige Aufgabe der Siegelanbieter zur weiteren Steigerung ihrer Akzeptanz am Markt.
Auch wenn der Einfluss von Arbeitgebersiegeln ungestütz eher zu wünschen übrig lässt, tun Unternehmen gut daran, sich mit den möglichen Arbeitgebersiegeln und Zertifizierungen zumindest zu beschäftigen. Eine mögliche Unterstützung bei der Auswahlentscheidung für den passendsten Anbieter könnte das Angebot des Zert-o-Mat sein.
Arbeitgebersiegel alleine helfen der Arbeitgeberattraktivität nicht zur strahlenden Blüte. Dazu gehört dann doch etwas mehr. Wobei ich hier an einen etwas älteren Blogbeitrag von mir denken muss, der immer noch extrem aktuell ist: Warum Top-Arbeitgeber austauschbar sind.