Noch bevor ich mit Teil 2 des Dreiteilers „Weltmacht Facebook – was kommt danach?“ fortfahre, aus aktuellem Anlass ein passender Beitrag zum Online-Marketing.
Das PRISM-Programm der NSA
Kürzlich wurde das vom amerikanischen Inlandgeheimdienst NSA betriebene PRISM-Programm öffentlich, nach dem sich die US-Agenten Zugriff auf private Daten aus sozialen Netzwerken, wie z.B. Facebook, verschafft haben und diese systematisch auswerten.
Alarmiert hiervon gab Martin Sorrell, Chef der weltweit größten Werbeagentur-Holding WPP, im Rahmen einer Veranstaltung eine sehr spannende Aussage von sich: Seiner Ansicht nach könne sich PRISM zu einer Art Supergau entwickeln. Internetnutzer könnten sich durch die erstmals (zumindest in den USA) in großem Stile geführte Debatte um Datenschutz in privaten Netzwerken veranlasst fühlen, sich online weniger offen zu outen. Dies würde es erschweren, passende Werbung für die zahlreichen Zielgruppen zu erarbeiten.
Warum ich das so bemerkenswert finde und dazu sofort einen Blog verfasse? Nein, nicht nur weil ich gerade Urlaub habe und gemütlich bei Sonnenschein auf der Terrasse sitze … – Sondern weil ich komplett anderer Meinung bin!
Wie bereits in meinem Beitrag „Content kills the cat“ geschrieben habe, geht die inhaltliche Qualität vieler Postings via Facebook in meinen Augen stark zurück. Belanglosigkeit heißt die neue Freizeitbeschäftigung. Selbstverfasste Inhalte, vor allem solche mit Herzblut und aufgrund persönlicher Betroffenheit gepostet, werden immer seltener. Auch wundert mich das (zumindest bei mir) noch immer extrem grottige Targeting von Facebook, das mir die wildesten Anzeigen einblendet, die nicht nur komplette Null-Relevanz haben, sondern auch noch tierisch nerven. Beispiel: Ein Kraftdrink, der in 6 Wochen Muskeln a´la Schwarzenegger zaubern soll. Kompletter Bullshit – dazu noch total unseriös, aber irgendwie nicht wegzubekommen. Nur weil ich ab und zu das Wort Fitnessstudio verwende? Sorry, liebe Marketiers, aber da könnt ihr doch mehr! – Oder vielleicht doch nicht?
Zumindest lässt mich die Aussage von Martin Sorrell stark zweifeln am Mindset der Branche. Wenn ich mal davon ausgehe, dass sich tatsächlich aufgrund der aufkommenden Diskussionen zunehmend Nutzer von sozialen Netzwerken dazu entschließen, weniger private Peinlichkeiten oder lieblos geteilte Bildchen von Irgendwas zu teilen, sondern auf Relevanz achten würden, hätte das aus meiner Sicht positive Auswirkungen – auch auf die Online-Vermarkter.
Bewusste Streuung von Relevanz erhöht Treffsicherheit im Online-Marketing
Wenn mehr Relevantes und bewusst(er) gesteuerte Infos über Personen ins Netz gelangen, dann wird die darauf abgestellte Werbung die gleiche Relevanz aufweisen. Das ist der gleiche Effekt, wie wenn ich bei Amazon sehr bewusst meine gekauften Artikel bewerte bzw. auf die mir online gemachten weiteren Kaufvorschläge so konkret Feedback gebe, dass mir nur noch wirklich interessante Produkte im Vorschlagssystem eingeblendet werden. Seither empfinde ich diese zusätzlichen Bildergalerien bei Amazon-Einkäufen nicht mehr als Belästigung, sondern freue mich sogar darüber.
Mit dieser Denke käme auch die Onlinemarketing-Branche raus aus dem Nebel der „Belästiger“ und „Nervtöter“. Und dort steht sie mittendrin, wie die noch immer aktuelle Diskussion um den Adblocker zeigt.
Darin ging es: Aufgrund der funktionalen Möglichkeiten des Browserplugins „Adblocker“, das sich immer mehr Menschen herunterladen, stieg die Anzahl der in der Anzeige unterdrückten Werbeeinblendungen auf einen Prozentsatz von 20%-60%. Zahlreichen Vermarktern, die für diese Werbeplätze Geld verlangen, ist dieser technische Block ein Dorn im Auge. Kunden, die diese Werbung gebucht haben, meiden derartige Werbungen aus Gründen der Effektivität – damit gehen den Portalen Einnahmequellen verloren.
Eine Initiative aus Faz.net, golem.de, RP-Online, Spiegel Online, Süddeutsche.de und Zeit Online stand als Phalanx an der Spitze dieser Bewegungen gegen den Adblocker. In großangelegten Kampagnen machten sie auf die damit ausgelösten Probleme (ihre eigenen) aufmerksam. – Und gleichzeitig verschafften sie ungewollt dem Adblocker weiteren Zulauf aufgrund der kostenlosen Werbung dafür.
Was zeigt uns das? Bei allem Verständnis für die Position der Portale, heißt das doch, dass Werbung oftmals als störend und nervig erachtet wird. Und zwar vor allem dann, wenn diese überhaupt nicht passend ist.
Folglich – und jetzt schließt sich meine Argumentation – glaube ich, dass mehr Relevanz von Inhalten und mehr Köpfchen beim Posten in sozialen Netzwerken auch der Onlinemarketingbranche nutzen kann. Man muss sich nur mal davon verabschieden, Kampagnen zu fahren, die auf Masse ausgelegt sind, aber die Zielgruppen nicht im Herzen erreichen.