In den letzten Jahren wurde immer wieder ein Abgesang verfasst auf Stellenanzeigen und Stellenbörsen. Dennoch gibt es sie weiterhin. Allerdings hat sich mit künstlicher Intelligenz eine Technologie verbreitet, die aus meiner Sicht dafür sorgt, dass klassische Stellenbörsen tatsächlich keine allzu lange Zukunft mehr haben.
Google for Jobs wurde nicht zur existenziellen Gefahr
Ich erinnere mich noch gut an das Jahr 2018, als die deutsche HR-Blogger-Welt mit Spannung auf die Freigabe von Google for Jobs in Deutschland gewartet hatte. Zwischen Sensationslust und Freude über einen relevanten Mitbewerber, der den Jobmarkt hierzulande „ordentlich aufmischt“ bis hin zu Horror, über das drohende Ende einer ganzen Branche, war medial alles dabei.
Am Ende blieb es bei einer gemeinsamen Beschwerde von Stellenbörsen bei der EU-Kommission und Google baute eine paar dauerhafte Verlinkungen zu den größten Stellenbörsen Deutschlands ein, um einer Monopol-Klage zuvorzukommen.
Auch wenn einige Stellenbörsen damals keine Aufbereitung der Stellen für Google for Jobs vorgenommen hatten, normalisierte sich die Lage für alle Beteiligten schnell. Ich hatte gar den Eindruck, dass der Markt der Stellenbörsen noch einmal einen großen Schub erhalten hatte mit dem weiteren großen Player.
Fachkräftemangel bescherte Jobbörsen lange gute Umsätze
Dass die Umsätze bei den Betreibern von Stellenbörsen ordentlich flossen, zeigte sich auch daran, dass stetige Preiserhöhungen mühelos durchgesetzt werden konnten und eine Vielzahl neuer Stellenbörsen entstand, wenngleich man schon 2019 von über 1.000 Stellenbörsen in Deutschland ausging. Für jede Nische und Zielgruppe entwickelten findige Startups neue Portale – Mütter, Teilzeitjob, „grüne Jobs“, Jobbörsen für Menschen mit Einschränkungen, Soldaten, regionale Portale, Branchenportale, und vieles mehr.
Der in vielen Bereichen proklamierte Fachkräftemangel öffnete die Budget-Töpfe der Unternehmen. Eine Blütezeit der Stellenanzeigen. Auch was den Beratungsmarkt rund um Recruiting und die Optimierung von Stellenanzeigen angeht, entstanden unzählige neue Angebote – von Webinaren ganz zu schweigen. Die Welt schien im Stellenanzeigen-Rausch.
Allerdings sind Stellenanzeigen auf Stellenbörsen auch heute noch rein statische Ausschreibungen. Mit KI startet jedoch die Ära von kontextbezogenen, dynamischen und vor allem persönlichen Empfehlungen.
KI verändert die Jobsuche massiv
Noch vor 2-3 Jahren begannen rund 70% aller Jobsuchen bei Google. Die Jobsuchenden gaben dort ihr Gesuch ein und wurden dann von der Suchmaschine entweder in die Tiefen von Google for Jobs geführt oder zu einer der bekannten Suchmaschinen-Größen. Das veränderte sich schlagartig mit der Verfügbarkeit von ChatGPT und Co in der breiten Masse. Vor allem jüngere Internet-Nutzer haben schnell die Vorteile des individuell aufbereiteten Weltwissens im App-Format erkannt.
Ich sehe das bei meinem Sohn: jede Frage, die unsere Generation früher wie selbstverständlich „gegoogelt“ hatte, wird jetzt als Prompt eingesprochen, personalisierte inhaltliche Ergebnisse inklusive. Wer wollte sich da noch durch Trefferlisten klicken und weiter recherchieren?
Selbstverständlich gilt das nunmehr auch für die Jobsuche.
Wer ist der passende Arbeitgeber? KI gibt die Antwort
Die früher sehr schwierig zu beantwortende Frage, wer denn für einen selbst der am besten passende Arbeitgeber sei, beantworten die KI-Apps heute souverän. Naja, zumindest bereiten sie grundlegende Informationen über Arbeitgeber systematisch ganz gut auf.
Zuletzt für meine 2025er Vorträge als Keynote Speaker testete ich ausführlich, wie generative künstliche Intelligenz die Jobsuche verändert. Mit einem simplen und daher massentauglichen Prompt startete ich in den Test „Welche Arbeitgeber soll ich in Betracht ziehen, wenn ich Softwareentwickler in Nürnberg bin und warum?“
ChatGPT sprudelte bereits in der kostenfreien Variante mit Infos und listete in der ersten Stufe eine Reihe möglicher Arbeitgeber auf, inklusive einer stichpunktartigen Zusammenfassung auf meine „warum“-Frage.
Arbeitgeberrecherche komplett per KI abwickelbar
Für den nächsten Step spitzte ich den Prompt weiter zu: „Stelle mir für die gelistete DATEV eG bitte alle wissenswerten Infos zum Arbeitgeber zur Verfügung und warum ich mich dort bewerben sollte.“ – Das Beispiel war bewusst gewählt, weil ich die ausgegebenen Informationen über meinen Arbeitgeber natürlich leicht auf Stimmigkeit prüfen konnte.
Das Ergebnis war höchst erstaunlich: Nicht nur, dass ChatGPT mir bunte Bildwelten zu DATEV anbot, die Zusammenstellung der Arbeitsbedingungen, Benefits sowie eine zusammenfassende Tabelle zur Entscheidung waren beeindruckend.
Kleiner Einschub: Bei genauer Betrachtung waren v.a. die angebotenen Fotos nicht ganz stimmig, da u.a. ein KI-generiertes Bild angezeigt wurde, das die Realität nicht trifft. Zudem interpretierte ChatGPT den Eingangsbereich unseres IT-Campus als „lichtdurchfluteten Arbeitsbereich“ – eher eine Text-Bild-Schere, auch wenn die Aussage in Summe korrekt war.
Schritt hin zur kompletten Bewerbung – nur ein Katzensprung
Der nächste Schritt war das Finden einer passenden Stellenanzeige für eine spezielle Rolle. Auch hier wurde ChatGPT im Netz fündig und bot sogar an, Bewerbungsunterlagen zusammenzustellen und mit mir ein Fragen-Training zu absolvieren zur Vorbereitung auf ein mögliches Vorstellungsgespräch.
Ich könnte die fertige Bewerbung dann per E-Mail versenden. Das ist zwar bei meinem Arbeitgeber aufgrund der Nutzung eines Bewerbermanagementsystems inkl. Bewerber-Account nicht 100% zielführend, aber bei vielen Unternehmen ist die PDF-Bewerbung per E-Mail möglich.
Bemerkenswert: Ich habe im gesamten Prozess keine einzige Stellenbörse genutzt, konnte mich aber zum Thema Arbeitgeberwahl beraten lassen, habe passende Stellen-Infos erhalten und konnte eine entsprechende Bewerbung erstellen. Der Prozess unter Umgehung jedweder Stellenbörse ist schon durchgängig möglich.
Braucht es noch eine Karriereseite?
Die Erkenntnisse führen gleich zu einer weiteren spannenden Frage: Braucht es überhaupt noch eine Karriereseite, wenn diese zukünftig im Bewerbungsprozess mittels KI-Tools gar nicht mehr besucht wird? Spannenderweise: ja! Allerdings nur dazu, um die KI entsprechend zu trainieren und mit Infos über den Arbeitgeber zu versorgen. Aber auch Informationen auf kununu wurden als höchst relevante Quelle für Infos über uns als Arbeitgeber angesehen. Ebenso unsere Wikipedia-Seite.
Diese Tatsache dürfte dafür sorgen, dass wir uns im HR in fünf Jahren nicht mehr so viele Gedanken über die optische Gestaltung einer Karriereseite machen müssen wie heute. Ob das Logo drei Pixel weiter links oder rechts sitzt, wird gar komplett unwichtig, solange die KI die Karriereseite perfekt durchdringen und verstehen kann.
Zugegeben: Bei großen und bekannten Marken, zu denen die Jobsuchenden bewusst gehen, dürfte die Karriereseite als Direkteinstieg noch länger von Bedeutung sein. Aber bei unbekannteren kleinen Unternehmen im Mittelstand, die eh nur über Google bzw. eben zukünftig via KI angesteuert werden, wird eine Karrierewebsite schneller an Bedeutung verlieren.
Trend bei Stellenbörsen schon spürbar
Dass sich der Markt der Stellenbörsen bereits spürbar verändert, zeigt sich mir an zahlreichen Stellen: Während früher Stellenanzeigen-Laufzeiten verkauft wurden oder Pay-per-Click angesagt waren, übernehmen immer mehr Pay-per-Application oder Flatrate-Angebote. Und eine ganze Reihe von Stellenbörsen bietet sogar eine Besetzungsgarantie. Das bedeutet, dass Kosten für Stellenanzeigen komplett erstattet werden, wenn keine passende Einstellung erfolgt.
Eine solche Garantie ist aus meiner Sicht für die Anbieter ein durchaus hohes finanzielles Risiko. Denn bleibt der Erfolg aus, zum Beispiel, weil sich Jobsuchende über andere Wege als die Stellenbörse über Unternehmen informieren dort bewerben, wird es wirtschaftlich weniger lukrativ.
Mein Fazit zur Auswirkung von KI auf Stellenbörsen
Neben zahlreichen anderen bereits bestehenden Recruiting-Optionen, wie Social Media, Job Advertising auf Programmatic Basis, erlebt der Recruiting-Prozess mit künstlicher Intelligenz einen weiteren massiven Impact.
Wenn zukünftig Arbeitgeberinfos über Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu oder Glassdoor sowie Karriere-Seiten zum KI-Training herhalten und Jobs im Netz ebenfalls in generativen Systemen verarbeitet und angeboten werden, entwickeln sich KI-Systeme immer mehr zur Jobberatung. Qualitativ manchmal zwar fragwürdig, können sie dennoch einen schlanken Prozess massenhaft abwickeln für eine Vielzahl von Jobsuchenden. Diese müssen nicht mehr Infos über zahlreiche Plattformen hinweg sammeln, sondern erhalten Antworten direkt.
Die Chance von Stellenbörsen wird darin liegen, ihre Systeme so vorzubereiten, dass sie als präferierte KI-Quelle wahrgenommen werden, so dass eine Schaltung dort einen Mehrwert für Unternehmen hat. Möglicherweise helfen auch Kooperationen zwischen Stellenbörsen- und KI-System-Anbietern, um bewusst deren Stellen zu Trainings- bzw. Recherchezwecken präferiert heranzuziehen. Conversational Interfaces bringen Jobs dann direkt in die KI-Umgebung.
Allerdings dürfte das zu einer deutlichen Konzentrationswirkung im Markt führen – gerade kleinere und nischigere Stellenbörsen oder Startups haben vermutlich hier wenig Chancen zu überleben.
Zusammengefasst:
Wir erleben eine Verschiebung von SEO (Search Engine Optimization) hin zu GEO (Generative Engine Optimization). Und viele Stellenbörsen werden zu den Verlierern dabei gehören.
- KI erledigt zukünftig nicht mehr nur das Jobmatching, sondern übernimmt vollständiges Career-Partnering.
- Jobsuche wandelt sich vom statischen Anzeigen-Durchsuchen zum dialogischen Prozess.
- Die Zukunft liegt nicht mehr im „Portaldenken“, sondern in datengetriebenen Schnittstellen.
- Wer Jobs künftig sichtbar machen will, muss KI-kompatible Formate und offene APIs bieten, keine immer teureren Anzeigenplätzen verkaufen.
Klassische Jobbörsen können mittelfristig allenfalls noch als Backend-Datenlieferant überleben, bleiben aber unsichtbar für die Endnutzer.
Und wenn dann OpenAI ernst macht und selbst in 2026 eine Jobplattform aufbaut, bekommt die Dynamik erst so richtig Schwung …
Mein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer betreibe ich diese Website und das gleichnamige 




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