Altersdiskriminierung ist in deutschen Unternehmen nach wie vor ein übersehenes aber kritisches Thema. Altersdiskriminierung beeinträchtigt nicht nur die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch die Innovationsfähigkeit und Produktivität der Unternehmen. In Zeiten von Fachkräftemangel, massenhafter Verrentung und stagnierender Innovationsfähigkeit müssen Unternehmen gegen „altersbedingte Mitarbeiterstille“ aktiv werden. Ein Statement von Gastautor Frank Leyhausen, AgeForce1.
Altersdiskriminierung gehört zum Arbeitsalltag
Altersdiskriminierung gehört in Deutschland fast zum Alltag, auch am Arbeitsplatz. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes stellt dazu in der Studie Altersbilder und Altersdiskriminierung fest: „Aufgrund der Internalisierung des Stereotyps wird diskriminierendes Verhalten von älteren Arbeitenden häufig nicht als solches bewertet. Ein negatives internalisiertes Altersbild kann dazu führen, dass Arbeitende den Beruf früher verlassen“.
Altersdiskriminierung bringt Babyboomer zum Schweigen
Die Studie Ageism and employee silence aus dem Jahr 2023 zeigt, dass Arbeitnehmende, die sich aufgrund ihres Alters diskriminiert fühlen, eine stärkere Entfremdung von der Arbeit erleben. Dies wirkt sich negativ auf ihr Engagement für das Unternehmen aus. Die Folge ist oft „Employee Silence“, das Schweigen der (älteren) Mitarbeitenden.
Die Auswirkungen des Schweigens der Arbeitnehmer:innen sind für das Unternehmen beträchtlich, denn es hat negative Auswirkungen auf die Zusammenarbeit wie auch auf die Innovationsfähigkeit.
OK Boomer
Im Jahr 2019 hat sich die Phrase „OK Boomer“ etabliert. Sie wird meist von der GenZ verwendet, um Meinungen und Aussagen der Babyboomer pauschal abzulehnen. Ein solches Totschlagargument erstickt jeden Dialog zwischen den Generationen. Hinzu kommt die Aufladung der Phrase in den sozialen Medien, die ihre Verwendung populär macht.
Diskussionen, die so enden, zeigen dem Gegenüber, dass er nicht ernst genommen wird. Die Betroffenen ziehen sich dann aus der Entwicklung von Lösungsansätzen und der Gestaltung von Innovationen zurück. Sie befürchten nur aufgrund ihres Alters negatives Feedback zu erhalten oder gar nicht erst zu Wort zu kommen. Dieses Schweigen kann auch dazu führen, dass Kolleg:innen oder Vorgesetzten wichtige Informationen vorenthalten werden.
Auf der zwischenmenschlichen Ebene kann zudem eine wachsende Unzufriedenheit entstehen, die langfristig auch die Teamdynamik schwächt. Alt und jung arbeite dann gegen- und nicht miteinander.
Damit altersgemischte Teams ihr volles Potenzial entfalten können und alle zu Wort kommen, ist ein Klima der Partizipation notwendig. Führungskräfte müssen deutlich machen, dass sie nicht nur das Feedback der Mitarbeitenden schätzen, sondern auch erwarten, dass sich alle aktiv zu Wort melden, unabhängig davon, ob sie jung oder alt sind.
Wird das Schweigen gebrochen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeitende ihre Ideen teilen und so auch wieder aktiv an Innovationen mitwirken. Zudem werden sie dann auch auf Probleme und Missstände am Arbeitsplatz hinweisen.
Ruhestand – Der Elefant im Raum
Führungskräfte gehen oft davon aus, dass Schweigen bedeutet, dass die Organisation gut und reibungslos funktioniert, obwohl das Gegenteil der Fall sein kann.
Schweigen kann zu einem Teufelskreis führen. Fühlen sich Führungskräfte in ihrem Altersbild bestätigt, dass „die Alten“ nicht an Innovationen interessiert und schwierig im Umgang sind, werden sie Ältere entsprechend behandeln. Ein negatives Altersbild wird zur Norm und die Potenziale sowie das Wissen der erfahrenen Kollegen bleiben ungenutzt.
Dieser Teufelskreis ist auch beim Thema Ruhestand Realität. Ausgerechnet in einer Zeit, in der deutlich mehr Menschen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, als junge nachrücken.
In diesem Jahr feiert der geburtenstärkste Jahrgang der Bundesrepublik seinen 60sten. Rund 1.400.000 Menschen des Jahrgangs 1964 feiern diesen runden Geburtstag. Viele von ihnen machen sich Gedanken über ihren Arbeitsplatz und ihren Ausstieg aus dem Erwerbsleben.
Das Fatale dabei: Der Arbeitgeber ist kein Ansprechpartner.
Die lidA-Studie der Bergischen Universität Wuppertal untersucht seit 2011 den Themenkomplex Gesundheit und Altern in der Arbeitswelt. In der NANO-Dokumentation „Jahrgang 1964 – Deutschland und sein Senioren-Boom“ stellt Studienleiter Prof. Hasselhorn fest, dass das Thema Ruhestand weder mit den Vorgesetzten noch in den Betrieben thematisiert wird und rät diese Sprachlosigkeit zu überwinden.
Instrument zur Bindung von Erfahrungswissen
Regelmäßige Mitarbeitergespräche sind in deutschen Unternehmen ein etabliertes Instrument. Unternehmen sollten dieses Instrument auch für das „Tabuthema“ Ruhestand nutzen und aktiv auf ihre Mitarbeitenden zugehen.
Unternehmen müssen ein Konzept für Mitarbeitergespräche entwickeln, in denen der Ruhestand thematisiert sowie die Gestaltung des Übergangs geplant wird. Aus diesen Gesprächen können die Führungskräfte zwei wichtige Erkenntnisse gewinnen:
1. Wann Mitarbeitende planen, in den Ruhestand zu gehen.
Dieser Zeitpunkt ist in den meisten Unternehmen nicht bekannt, da aus den gespeicherten Daten (Geburtsdatum und Eintrittsdatum) nur das gesetzlich festgelegte Renteneintrittsalter ermittelt werden kann. Ob Mitarbeitende die gesetzliche Altersrente zum vorgesehenen Zeitpunkt, später oder früher in Anspruch nehmen wollen, wird in den meisten Systemen nicht erfasst.
2. Ob und unter welchen Bedingungen Mitarbeitende Wissen und Erfahrung auch im Ruhestand dem Unternehmen zur Verfügung stellen möchten.
Diese Information ist wertvoll, da eine Erwerbstätigkeit im Ruhestand dazu beitragen kann, die Folgen des Fachkräftemangels abzumildern.
Entscheidungskompetenz stärken
Nicht alle Beschäftigten haben sich diese Fragen bereits beantwortet, denn der Übergang in den Ruhestand bringt eine Vielzahl von Veränderungen mit sich. Die Studie „Ruhestand 2040 – So blicken die Rentnerinnen und Rentner der Zukunft auf das Alter“ zeigt, dass nur ein Fünftel der Teilnehmer den Ruhestand aktiv plant. Die große Mehrheit der Befragten gibt an, unvorbereitet in den Ruhestand zu gehen, obwohl ihnen bewusst ist, dass sie mehr tun müssten.
Um eine vorausschauende Planung des Ruhestands zu ermöglichen, ist es nötig, die Entscheidungskompetenz zu stärken. Dazu ist es unerlässlich, sich fundiertes Wissen anzueignen. Die Herausforderung bei der Ruhestandsplanung besteht darin, die Komplexität zu reduzieren und Anreize zu schaffen, die den Prozess des Vorausdenkens und Planens fördern.
Hierzu bieten sich vorbereitende Bildungs- und Informationsformate des Unternehmens an, die rund zwei Jahre vor Rentenbeginn angeboten werden. Diese können als Präsenzseminare, als hybride Form oder als E-Learning durchgeführt werden und beinhalten Unterstützung bei der Ruhestandsplanung sowie Optionen für eine mögliche Zusammenarbeit.