Keine guten Nachrichten für die Verkehrswende und somit für die Nachhaltigkeitsziele von HR-Abteilungen im deutschen Mittelstand: Reisten kleine und mittlere Unternehmen (KMU) innerhalb Deutschlands noch 2019 am liebsten mit dem Zug, war 2023 das Auto das Verkehrsmittel ihrer Wahl. So stieg der Anteil dienstlicher Automobilreisen in den letzten fünf Jahren von 42,1% auf 54,2%, während umgekehrt die Anteil von Zugreisen von ehemals 48,9% auf 39,4% sank. Weitere spannende Auswertungen von Severin Beyer, HRworks.
Das Auto überholt den Zug und Flugreisen stürzen ab: Verkehrsmittel im Blick
Das ist eine der zentralen Erkenntnisse des KMU-Reisereports 2024 von HRworks. Trotz der Nachhaltigkeitsziele, die sich viele Unternehmen und HR-Abteilungen gesetzt haben, haben sich Geschäftsreisen von der Schiene auf die Straße verlagert. Severin Beyer hat beim Freiburger Anbieter für Reisekosten-Software die Reiseziele, Reisemittel sowie Reisekosten von über 1.600 deutschen Unternehmen mit bis zu 300 Mitarbeitern analysiert. Als Datenbasis dafür dienten über 3,9 Millionen Reisekostenabrechnungen von Dienstreisen in 169 Länder aus den Jahren 2019 bis 2023.
Auch wenn 2023 Zugreisen immer noch fast 40% aller geschäftlichen Inlandsreisen deutscher KMU ausmachten, verloren sie seit 2019 doch deutlich gegenüber Reisen mit dem PKW. Der Grund dafür war die Corona-Pandemie, während der Reisen mit Massenverkehrsmitteln nur unter Auflagen möglich waren. Da das Auto jedoch für Geschäftsreisende mit deutlich geringeren Einschränkungen verbunden war, erreichten PKW-Reisen auf dem Höhepunkt der Pandemie 2021 sogar den Spitzenwert von 72,5% Dienstreiseanteil.
Auch wenn sich danach der Anteil an Zugreisen an den Gesamtreisen wieder erhöhte, machten Autoreisen 2023 über die Hälfte aller Geschäftsreisen innerhalb Deutschlands aus. Damit blieb das Automobil auch nach der Corona-Krise auf Platz 1.
Bei Geschäftsreisen ins Ausland hingegen blieb der Zug sogar während der Pandemie das meistgenutzte Verkehrsmittel im deutschen Mittelstand. Da die meisten dienstlichen Auslandsreisen in europäische Nachbarländer gingen, lag 2023 der Anteil der Zugreisen mit 53,8% deutlich vor dem der Flugreisen mit 26,5%. Allerdings gewann das Automobil wie in Deutschland auch auf internationalen Reisen Anteile hinzu: Reisten 2019 noch 13,2% aller Dienstreisenden mit dem PKW ins Ausland, waren es fünf Jahre später 19,7%.
Die großen Verlierer dieser Entwicklung waren Flugreisen, denn ihr Anteil sank sowohl bei Dienstreisen in Deutschland als auch bei Geschäftsreisen ins Ausland von 9,0% auf 6,4% bzw. von 31,5% auf 26,5%. Damit zeigt sich die gemischte Rolle, die Dienstreisen in den Nachhaltigkeitsbestrebungen der KMU der Bundesrepublik spielen. Denn einerseits fanden zwar weniger Dienstreisen mit dem treibstoffintensivem Verkehrsmittel Flugzeug statt, dafür verlagerten sich zahlreiche Geschäftsreisen von der Schiene auf die Straße.
Keine Europamüdigkeit, dafür De-Risking: Was die KMU-Reiseziele zeigen
Es fällt auf, dass die zehn wichtigsten europäischen Reiseziele in den letzten fünf Jahren gleichgeblieben sind. Das gilt sogar für Großbritannien, das für KMU trotz des Brexits das viertwichtigste Reiseziel innerhalb Europas blieb. Der Anteil des Vereinigten Königreichs an den Dienstreisen, die in die europäischen Top-10-Reisezielen gingen, reduzierte sich von 2019 bis 2023 nur leicht von 10,1% auf 8,4%. 2023 gingen insgesamt 98,8% aller Dienstreisen deutscher KMU nach Deutschland und Europa – insofern verwundert es nicht, dass die ersten neun der zehn wichtigsten europäischen Reiseziele auch global betrachtet die wichtigsten Reiseziele sind. Lediglich die Vereinigten Staaten von Amerika tauchen auf Platz zehn der wichtigsten Reiseziele außerhalb Deutschlands auf.
Gerade die im Vergleich zu China schon oft abgeschriebenen USA gewannen bei den kleinen und mittleren Unternehmen sogar an Relevanz: Ihr Anteil an Dienstreisen, die in die außereuropäischen Top-10-Reiseziele gingen, erhöhte sich bis 2023 von 33,8% auf 38,2%.
Im Gegenzug rutschte China vom zweiten auf den vierten Platz ab: 2023 betrug der chinesische Anteil nur noch 10,1% und lag dabei lediglich knapp über Indien, das auf einen Anteil von 10,0% kam. Auf Indien entfielen 4,8% der Dienstreisen, die in die zehn wichtigsten Diensreiseziele außerhalb Europas gingen. Während deutsche KMU im Zuge von De-Risking ihre Dienstreise- und damit Geschäftstätigkeit aus dem Reich der Mitte wegverlagerten, erwiesen sich für sie Europa und die USA als Stabilitätsanker der letzten Jahre.
Im Ausland wird’s teuer: Das verraten die Reisekosten
Für eine Dienstreise ins Ausland rechneten deutsche KMU 2023 durchschnittlich 447,78€ ab, 2019 waren es noch 407,65€, wodurch sich die Durchschnittskosten um 9,8% erhöhten. Umgekehrt verzeichneten im selben Zeitraum die durchschnittlichen Ausgaben für eine Geschäftsreise innerhalb Deutschlands nur einen minimalen Anstieg: 2023 beliefen sie sich auf 81,80€, was einem leichten Zuwachs von 1,1% im Vergleich zu 2019 entsprach. Da 88,7% aller Dienstreisen innerhalb Deutschlands stattfanden, rechneten global betrachtet KMU daher auch nur 123,28€ für eine Dienstreise im Jahr 2023 ab.
Die geringfügige Steigerung der Kosten für Inlandsdienstreisen überrascht vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich hohen Inflationsraten. Zwar machen vergleichsweise kostengünstige Kurzstreckenreisen einen wesentlichen Anteil an den Geschäftsreisen kleiner und mittlerer Unternehmen aus, wodurch sie die Auswirkungen der allgemeinen Preissteigerungen abmilderten. Jedoch reicht dieser Umstand allein nicht aus, um die moderate Kostenerhöhung vollends zu begründen, was darauf hindeutet, dass KMU inzwischen mit einem stärkeren Kostenbewusstsein agieren.