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Negativer Deutschlandtrend: über 7,3 Millionen Beschäftigte haben innerlich gekündigt

Die Zahl derjenigen, die emotional nicht an ihren Arbeitgeber gebunden sind, ist weiter gestiegen und erreicht mit 19% den höchsten Stand seit 2012 (2022: 18%). Gleichzeitig wächst auch die Gruppe der wechselbereiten Beschäftigten: Mit 45% (2022: 42%) sind mehr Arbeitnehmende denn je aktiv auf Jobsuche oder schauen sich um. Diese Erkenntnisse gehen aus dem Gallup Engagement Index Deutschland 2023 hervor, der seit 2001 jährlich erhoben wird. Die Langzeitstudie misst unter anderem die emotionale Bindung von Beschäftigten an ihren Arbeitgeber und gehört zu den wichtigsten Indikatoren für die Führungskultur und das Arbeitsumfeld in Deutschland.

Nur 14% der Arbeitnehmenden sind emotional hoch gebunden

Auf dem deutschen Arbeitsmarkt herrscht zunehmende Dynamik. Während sich wie schon im Vorjahr die emotionale Bindung an den Arbeitgeber nach einem „Pandemie-Hoch“ auf einem sehr niedrigen Niveau einpendelt, erreicht die Wechselbereitschaft einen Rekordstand. Nur 14% der Befragten (2022: 13%) erleben ein durch gute Führung geprägtes Arbeitsumfeld, das in einer hohen emotionalen Bindung resultiert. Der diesjährige Wert liegt zwar leicht über dem des Vorjahres, ist aber im Zeitverlauf der zweitniedrigste seit 2011.

Der überwiegende Teil der Arbeitnehmenden (67%, 2022: 69%) ist nur gering gebunden und macht Dienst nach Vorschrift. Die Zahl der Arbeitnehmenden, die bereits innerlich gekündigt haben, nimmt weiter zu und liegt mit 19% so hoch wie seit 2012 nicht mehr (2021: 14%, 2022: 18%).

Innere Kündigung ist aber nicht nur ein Problem für Unternehmen, deren Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit darunter leidet, sondern auch ein volkswirtschaftliches: Denn die dadurch entstehenden Kosten aufgrund von Produktivitätseinbußen belaufen sich für 2023 auf eine Summe zwischen 132,6 und 167,2 Milliarden Euro.*

Mut zum Risiko: Fast die Hälfte will innerhalb eines Jahres den Arbeitgeber wechseln

Die Folge: Nur noch etwas mehr als die Hälfte (53%, 2022: 55%) der Beschäftigten will in einem Jahr mit Sicherheit noch bei ihrem jetzigen Arbeitgeber sein. Damit setzt sich der konsequente Abwärtstrend der letzten fünf Jahre weiter fort: 2018 hatten noch 78% diese Aussage ohne Einschränkung bejaht. Bei der mittelfristigen Wechselbereitschaft hat sich die Tendenz ähnlich besorgniserregend entwickelt. Der Anteil derjenigen, die fest davon überzeugt sind, in drei Jahren noch in ihrem Unternehmen sein zu wollen, ist im Laufe der Jahre auf jetzt 40% (2022: 39%) kontinuierlich geschrumpft. 2018 lag der Wert noch bei 65%.

Dabei scheinen sich die Wechselwilligen mehr am Arbeitsmarkt zu orientieren als an der angespannten wirtschaftlichen Lage. Denn sieben von zehn Befragten (71%) schätzen den Arbeitsmarkt positiv ein, auch wenn die Wahrnehmung nach dem Rekordhoch 2022 (81%) etwas abgekühlt ist. Ablesen lässt sich das auch daran, dass etwas weniger nach Arbeitskräften „gejagt“ wird. Ein Viertel der Befragten (25%) gab an, dass sie in den zurückliegenden zwölf Monaten von einem Headhunter oder einer Headhunterin eine Stelle angeboten bekommen haben (2021: 31%, 2022: 27%).

Schlechte Führung wird zum Risikofaktor für den Unternehmenserfolg. Trotz Dauerkrisenmodus sehen Deutschlands Beschäftigte für sich persönlich gute Chancen in einer für sie weiterhin vorteilhaften Lage. Auch wenn der zurzeit stattfindende wirtschafts- und transformationsbedingte Stellenabbau einiger Unternehmen zunehmend Schlagzeilen macht, ändert das grundsätzlich nichts daran, dass es schon jetzt zu wenig Arbeitskräfte gibt und sie durch den Eintritt der Babyboomer ins Rentenalter von Tag zu Tag weniger werden. Bei Unternehmen allerdings drückt die wirtschaftliche Entwicklung auf Geschäftsergebnisse und Stimmung. Über dem Kosten- und Krisenmanagement vergessen Führungskräfte oft das People Management. Dabei kann das eine nicht ohne das andere funktionieren.

Denn hohe emotionale Bindung macht sich bezahlt: Von den hoch Gebundenen wollen 79% in einem Jahr noch bei ihrer derzeitigen Firma sein (ohne Bindung: 31%), und lediglich 5% von ihnen sind derzeit aktiv auf Jobsuche (ohne Bindung: 24%). 63% würden ihren Arbeitgeber Freunden oder Familienangehörigen uneingeschränkt empfehlen (ohne Bindung: 4%). Das ist vor allem für das Recruiting von Bedeutung.

Unternehmensführungen verbreiten wenig Zuversicht

Neben der Bindung sinkt auch das Vertrauen der Beschäftigten in die Perspektiven ihres Unternehmens. Nur 40% (2022: 41%) haben uneingeschränktes Vertrauen in dessen finanzielle Zukunft. Im Corona-Jahr 2020 erreichte die Zustimmung den höchsten jemals gemessenen Wert von 55%, ist aber seitdem erst rapide und dann konstant unter das Vor-Corona-Niveau gesunken (2019: 48%, 2018: 46%). Analog zum Vertrauen in die Perspektiven bröckelt auch die Zuversicht in die Krisenfestigkeit der Geschäftsleitung: Nur noch ein Viertel (25%) ist ohne Einschränkungen davon überzeugt, dass sie das Zeug dazu hat, zukünftige Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Seit 2019 hat die Zuversicht der Arbeitnehmenden in ihre Unternehmensführung damit um 16 Prozentpunkte abgenommen – und liegt jetzt unter dem Wert vor der Pandemie.

Das Management muss hier eine klare Richtung vorgeben, Aufbruchstimmung vermitteln und in Möglichkeiten statt im Krisenmodus denken, um so die Zuversicht zu stärken und Beschäftigte für den Kurs des Unternehmens zu begeistern. Denn schwierige Zeiten kann man nur erfolgreich überstehen, wenn man alle mitnimmt und für eventuell notwendige Veränderungen Rückendeckung hat.

Recruiting wird zunehmend zur Herausforderung

In Zeiten des Arbeitskräftemangels wird auch Recruiting immer aufwändiger und teurer. Vier von zehn Beschäftigten (38%) stimmen uneingeschränkt der Aussage „Mein Unternehmen hat große Schwierigkeiten, den Bedarf an geeigneten Fachkräften zu decken“ zu – zehn Jahre zuvor waren es noch zwei von zehn Befragten. Und nur 16% der Beschäftigten sind davon überzeugt, dass ihr Unternehmen in der Lage ist, die besten Talente anzuziehen.

Es scheint Unternehmen auch nur bedingt zu gelingen, die so mühsam gewonnenen neuen Mitarbeitenden an sich zu binden. Denn die Ergebnisse zeigen, dass 40% der Befragten mit weniger als zwölf Monaten Betriebszugehörigkeit schon wieder offen für Neues sind: 15% sind aktiv auf der Suche nach einem neuen Job, weitere 25% schauen sich um. Von den Neuen beabsichtigt auch weniger als die Hälfte (48%) uneingeschränkt, in einem Jahr noch bei ihrem aktuellen Arbeitgeber zu sein, und nur 29% würden ihn Freunden oder Familienmitgliedern ohne Wenn und Aber empfehlen. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kann auch ein unzureichendes Onboarding beitragen: Nur 22% geben an, dass der Einarbeitungsprozess in ihrem Unternehmen ausgezeichnet war.

Ein gutes Onboarding sorgt dafür, dass neue Mitarbeitende nicht nur möglichst schnell produktiv sind, sondern auch von Anfang an emotionale Bindung aufgebaut wird. Als Folge davon bleiben sie länger und empfehlen das Unternehmen als Arbeitgeber weiter. Leider bringen sich viele Führungskräfte in diesen wichtigen Prozess nicht genug ein.

Gute Führung als Motivationsturbo im Arbeitsalltag

Der entscheidende Faktor für Wechselwilligkeit ist die erlebte Führung. Nur 22% sind uneingeschränkt mit ihrem oder ihrer direkten Vorgesetzten zufrieden (2022: 25%). Darüber hinaus haben Beschäftigte nicht das Gefühl, dass ihre Führungskräfte ihre Stärken wahrnehmen und wertschätzen. Nur 27% geben an, dass diese in ihrem Arbeitsalltag im Mittelpunkt stehen. Von denjenigen Befragten, die von einer klaren Stärkenorientierung berichten, sind 29% emotional hoch gebunden (5% keine emotionale Bindung). Im Gegensatz dazu haben nur 3% Prozent derjenigen, deren Stärken nicht im Mittelpunkt stehen, eine hohe Bindung (40% keine emotionale Bindung).

Eine weitere spürbare Folge geringer bzw. fehlender emotionaler Mitarbeiterbindung sind Fehlzeiten. Waren Beschäftigte, die sich emotional bereits von ihrem Arbeitgeber verabschiedet haben, 2023 im Schnitt 9,1 Tage krank, reduzierte sich die Fehlzeit bei hoch gebundenen Mitarbeitenden mit 4,8 Tagen auf fast die Hälfte.

Auch bei den im Moment in vielen Unternehmen stattfindenden Umbruchprozessen ist hohe Bindung einer der Bausteine für Erfolg. So stimmen 68% der emotional hoch gebundenen Mitarbeitenden – aber nur 20% derjenigen ohne emotionale Bindung – der Aussage „Grundsätzlich unterstütze ich anstehende Veränderungen in meinem Unternehmen“ uneingeschränkt zu.

Nie ist gute Führung so wichtig wie in schwierigen Zeiten. Vorgesetzte dürfen sich hier nicht wegducken, sondern müssen Führung ganz oben auf die Prioritätenliste setzen. Emotionale Mitarbeiterbindung ist das Ergebnis guter Führung. Damit verbunden sind Themen wie Produktivität, Kundenorientierung und Treue. Kein Unternehmen kann es sich leisten, gute Arbeitskräfte durch schlechte Führung zu verlieren.

Über den Engagement Index Deutschland:

Seit dem Jahr 2001 erstellt Gallup jährlich, anhand von zwölf Fragen zum Arbeitsplatz und -umfeld, den sogenannten Q12®, den Engagement Index für Deutschland. Die Studie gibt Auskunft darüber, wie hoch der Grad der emotionalen Bindung von Mitarbeitenden und damit das Engagement und die Motivation bei der Arbeit ist. Für die jüngste Untersuchung wurden zwischen dem 20. November und 22. Dezember 2023 insgesamt 1.500 zufällig ausgewählte Arbeitnehmende ab 18 Jahren telefonisch interviewt (Dual Frame: Festnetz- und Mobilfunkstichprobe; zufällige Auswahl von Telefonnummern, zufällige Auswahl der Zielperson im Haushalt mittels Geburtstagsverfahren bei mehr als einer relevanten Zielperson pro Haushalt). Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft in Deutschland ab 18 Jahren.

Quelle: Pressemitteilung Gallup

Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer (Personalmagazin 05/22) betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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