High-Performance-Teams zusammenzustellen und zu nutzen, ist der Traum vieler Führungskräfte. Fachbuchautor und Berater Matthias Kolbusa hat da seine eigene Methode, um Menschengruppen an die Spitze ihrer Leistungsfähigkeit zu bringen, wie er in diesem -möglicherweise durchaus kontroversen- Artikel beschreibt.
Das Team alleine macht´s noch nicht
Wir kennen es aus der Welt der Teamsportarten ebenso wie von militärischen Eliteeinheiten: Alle gemeinsam und verbunden sind stärker als die Summe der Einzelnen. Dass elf Einzelkönner und Elitekicker:innen noch lange keinen Landesmeister oder Champions-League-Sieger ausmachen, erleben wir im Beispiel Fußball immer wieder.
Das Geheimnis von High-Performance-Teams ist demnach nicht allein durch ihre professionellen Fähigkeiten und eine auf fachliche Ergänzung ausgerichtete Zusammensetzung zu erklären. Selbst wenn über die üblichen Diagnostikinstrumente Denker und Macherinnen, Kreative und Umsetzerinnen, Gipfelstürmer, Workhorses, Koordinatoren und Mitmacherinnen zusammenfinden, werden diese vielleicht und wenn alles passt ein überdurchschnittliches Team. Zu bewundernswerter High-Performance fehlt aber immer noch ein Stück.
Der Schub, der aus gut oder besser herausragend macht, kommt nicht aus Methoden, Workshops oder Teamcoachings. Er kommt aus den Menschen selbst, die im Team einen einzigartigen Habitus teilen. Dieser spezielle Spirit setzt sich aus den beiden Aspekten „Herz“ und „Prinzipien“ zusammen.
Das Prinzip „Herz“ von High-Performance-Teams
Zum Herz gehören die vier Aspekte Mission, Vertrauen, Hilfe und Führung:
- Mission: Die Aufgabe und Ihre Ziele stehen immer und unbedingt im Vordergrund. Das Team folgt an zweiter Stelle und das Ich mit seinen Eigenbedürfnissen tritt hinter die verbindenden Elemente zurück.
- Vertrauen: Es herrscht blindes, aber keineswegs leichtfertiges Vertrauen. Dass sich jeder auf die anderen jederzeit verlassen kann, ist Gesetz und Versprechen zugleich.
- Hilfe: Gegenseitiger Support hat immer Vorrang gegenüber eigenen Interessen. Jeder achtet auf die anderen, die diese Hilfsbereitschaft erwidern. Zur Hilfe gehört dabei ebenso, sich auf nötige Unterstützung ohne falschen Stolz einzulassen.
- Führung: Hierarchische Führung ist nur ein Element im Führungsprinzip des Teams. Situativ ergreifen alle ohne Zögern das Zepter, wenn er oder sie die passenden Fähigkeiten besitzt oder in erster Reihe mit einer Herausforderung konfrontiert wird. Wer nicht führt, folgt, ohne zu murren und unterstützt vorbehaltlos. Es gibt niemanden, der sich dauerhaft versteckt und ausschließlich führen lässt.
Die Prinzipien von High-Performance-Teams
Als sogenannte Prinzipien von High-Performance-Teams gelten nach meinen Maßstäben Discomfort, Verlässlichkeit, Mut, emotionale Kontrolle, Offenheit und Geschwindigkeit
- Discomfort: Nur was unbequem ist, bringt das Team und seine Mitglieder über das Gewöhnliche hinaus voran. Discomfort ist kein Grund, zurückzuschrecken, sondern wird bewusst gesucht, um Durchschnitt hinter sich zu lassen.
- Verlässlichkeit: Getroffene Vereinbarungen sind heilig und werden gehalten oder rechtzeitig neu verhandelt, wenn die Zeit nicht reicht. Dies gilt im Kleinen, wie etwa bei der Pünktlichkeit, und im Großen bei der Abgabe von Konzepten und anderen wichtigen Jobs.
- Mut: Jeder geht mutig mit seinen Bedenken um und besiegt seine Ängste zum Wohl der Mission. Naturgemäß lässt sich Angst zwar nicht ausmerzen, aber ihre Überwindung trainieren.
- Emotionale Kontrolle: Maximale Team-Performance ist ohne schwierige Situationen nicht denkbar. Die Frage ist nur, ob eine Reflexion zwischen den emotionalen Reiz und die impulsive Reaktion treten kann. Ferner verleiten die eigenen Emotionen nicht dazu, sich unlauter zu profilieren.
- Offenheit: Die Teammitglieder reagieren jederzeit offen für die Sichtweisen und Alternativvorschläge der anderen. Dabei nehmen sie nicht nur hin, sondern fordern Widerspruch im Sinne von Dialektik und Erkenntnisgewinn aktiv ein. Das tun sie unabhängig davon, ob die Erkenntnisse und neuen Lösungsideen zum Discomfort führen.
- Geschwindigkeit: Dass Geschwindigkeit in der Umsetzung ebenso wichtig ist wie der Inhalt des Getanen, wird von allen als Topdirektive geteilt. Maximal schnelle Zielerreichung wird auf dem schmalen Grat zwischen Umsichtigkeit und Fahrlässigkeit realisiert.
Da Herz und Prinzipien nicht bei jedem Menschen gleich intrinsisch ausgeprägt sind, sollte man dies bereits beim Team-Set-up berücksichtigen, auch wenn die erwünschten Fähigkeiten später tiefer entwickelt werden können.
Einzeln und gemeinsam wachsen
Wie in allen Lebensbereichen verfügt jeder Mensch bei Herz und Prinzipien über ein unverwechselbares Profil. Die persönlichen Entwicklungsfelder lassen sich in einem Diagramm als Basis für die Einzel-, Team- und Führungsarbeit visualisieren.
Nicht nur der Teamführung obliegt es, die Entwicklung durch Feedbackgespräche, positive Verstärkung und andere Maßnahmen, aber auch den berühmten „Wurf ins kalte Wasser“ zu fördern. In einem Team mit herausragendem Anspruch werden diese Maßnahmen auch auf Teambasis ergriffen. Jedes Mitglied ist bereit, hart an sich selbst zu arbeiten und andere bei ihrer Vervollkommnung zu unterstützen. Alle sind nicht nur offen für Feedback, sondern suchen dieses ganz bewusst.
Auf diese Weise wirkt eine Kombination aus persönlichem Investment, Führungsarbeit und Gruppenprozessen entwickelnd auf die Teammitglieder ein. Das soziale Zusammenspiel liefert nicht nur Support, sondern verstärkt auch die Zuversicht, engagiert an sich selbst zu arbeiten. Die beiden folgenden Beispiele zeigen exemplarisch, wie das funktioniert.
Praktische Entwicklungsarbeit im High-Performance-Team
Verlässlichkeit
Verlässlichkeit ist im Team ist unverzichtbar. Fehlt sie, können simple Disziplinierungen wie ein kleiner, aber spürbarer Obolus in die Teamkasse für eine gemeinsame Unternehmung ebenso helfen wie klare, aber sachbezogene Kritik an säumigem Verhalten. Schuld- und Schamgefühle sind dabei erwünscht. Wer sich mit einem: „Hier hast du dich als wenig zuverlässig erwiesen“, konfrontiert sieht, hat allen Grund, sich künftig teamgerechter zu verhalten. Aus solcher Kritik Lehren zu ziehen, gehört zu den Basics des Teams, auf die sich alle zuvor committet haben.
Mut
Der Mut hat den mächtigen Gegenspieler der Angst, die evolutionsbiologisch tief im Menschen angelegt ist. Kann man die Angst bewusst zum Thema auf der inneren Bühne machen, verliert sie bereits einen Teil ihrer Kraft. Zwischen dem Auslöser einer Angst und der vom Reptilienhirn gesteuerten Impulshandlung – Totstellen, Weglaufen oder Angriff – führt eine Reflexion zum bewussten Entscheid, mutig zu reagieren.
Fehlt es an Mut, nehmen Anstöße seitens der Führung und der Gruppe das Teammitglied dadurch in die Pflicht, dass sie es aktiv mit angstbesetzten Situationen konfrontieren. Für eine schrittweise Entwicklung kann mit geringeren Auslösern begonnen und nach und nach zu den stärkeren übergegangen werden. So wird der Mut zum natürlich wachsenden Muskel, der immer stärker wird, je öfter man ihn benutzt.
Live-Erfahrungen im Vordergrund
Vergleichbar geht das Team mit den anderen Prinzipien und Herzaspekten von High-Performance-Teams vor. Die Entwicklung der Teammitglieder ist stets eine gemeinsame Aufgabe der Einzelnen, ihrer Teammitglieder und der Führung. Der Anteil der Lernerfahrungen „im Feld“ ist dabei stets größer als der bewusster Interventionen.
Am meisten gewinnt man immer noch live und in Aktion. Denn wer einen Vortrag über das Marathonlaufen hört, ist danach zwar schlauer und vielleicht motivierter, aber noch nicht schneller.