unFIX-Modell Titel

unFIX-Modell: Organisationsdesign zur Simplifizierung der Komplexität multidimensionaler Strukturen

Organisationsdesign wird zunehmend anspruchsvoll. Jede Umorganisation stellt dabei das Unternehmen und die darin arbeitenden Menschen vor neue Herausforderungen. Das sog. unFIX-Modell will mit Einfachheit dafür sorgen, dass Organisationen nie mehr umstrukturieren müssen, weil die Flexibilität bereits im System selbst liegt, wie Carolin Adler, Ministry Group, in diesem Gastartikel beschreibt.

Herausforderung ständiger Wandel

In einer Welt des ständigen Wandels und der flexiblen Arbeitsweisen ist die Anpassung der Organisationsstruktur eine herausfordernde Aufgabe. Insbesondere bei agilen Arbeitsweisen und sich öfter verändernden, mehr selbst organisierten Teams. Eine Lösung ist das unFIX-Modell von Jurgen Appelo. Dieses bietet im Vergleich zum “Spotify-Modell”, SAFe, LeSS oder Holacracy einen freieren Handlungsspielraum, um komplexe, organisatorische Strukturen individuell abzubilden.

In diesem Gastbeitrag werde ich das unFIX-Modell genauer betrachten und auf die Vorteile für die Organisationsentwicklung eingehen.

Die Sehnsucht nach flexiblen Strukturen

Herkömmliche Modelle oder Frameworks für Organisationsdesign wie die eingangs Genannten erfordern, dass ein Unternehmen sich an ein von außen vorgegebenes System anpasst. Dies zieht meist zeitaufwändige Schulungen und Implementierungsphasen nach sich, inklusive Veränderungsbegleitung, bevor Menschen das Neue verstehen und gut zusammenarbeiten können.

Kleinste Veränderungen bedeuten für viele Menschen wieder hohen Energieaufwand für Anpassungen an neue Gegebenheiten.

Insbesondere in schnelllebigen Zeiten kommt daher oft der Wunsch nach flexiblen Organisationsstrukturen auf, in denen die Menschen leicht und gerne Veränderungen mitgehen. Bei starren Modellen leben viele Organisationen länger oder vielleicht zu lange mit ineffizienten Strukturen und passen diese erst dann an, wenn es nicht mehr anders geht. Häufig gehen mit Veränderungen dann Frust, Unzufriedenheit am Arbeitsplatz oder gar schwindende Identifizierung mit dem Unternehmen einher. Häufig werden die psychologischen Grundbedürfnisse der Mitarbeitenden verletzt, etwa der Wunsch nach Zugehörigkeit, Anerkennung oder psychologischer Sicherheit.

Die unFIX-Idee

unFIX verbindet viele gute bestehende Ideen aus Organisationsdesign, Zusammenarbeit und agilen Methoden auf eine neue Art und Weise. Es ist inspiriert von “Design Patterns” von Erich Gamma, aus “Team Topologies” von Matthew Skelton sowie aus “Scaled, and Agile: A Design Strategy for Complex Organizations” von Amy Kates – und nicht zuletzt vom Lego-Baukastenprinzip.

Wie bereits Albert Einstein sagte: “Genialität ist begründet in der Einfachheit.” Übertragen auf das Organisationsdesign heißt das: Es braucht keine komplizierten Universalsysteme, die von außen kommen und in die alle Unternehmen irgendwie hineinpassen müssen. Naheliegender und einfacher ist eine passgenaue Abbildung der eigenen Organisation, die von innen herauskommt, die alle Mitarbeitenden verstehen und in der sie sich wiederfinden.

Die Leitfrage dabei: Was ist für uns nützlich? Im Mittelpunkt steht die Wertschöpfung in crossfunktionalen Teams, in denen Menschen gerne arbeiten. Da unFIX aus flexibel zusammensetzbaren Bausteinen besteht, können Organisationen ihre Strukturen damit leichter und schneller verändern als mit manch anderen Modellen der Organisationsentwicklung.

Das unFIX-Modell als „pattern library“ und gemeinsame Sprache

Das unFIX-Modell versteht sich als „pattern library“. In der deutschen Übersetzung wirkt der Begriff Musterbibliothek etwas schwerfällig. Gemeint ist eine Sammlung von diversen Mustern der Zusammenarbeit und der Themen, die in allen Unternehmen vorkommen können. Es gibt beispielsweise ein Muster bzw. Pattern für die Zusammenstellung von Teams, hier Crews genannt. Es gibt ein Pattern für die Business-Strategie, eins für Arbeitsgruppen, usw.

In jedem Pattern stehen wiederum diverse Komponenten und Konstellationen zur Verfügung, aus denen sich jede Organisation die Elemente herausnehmen kann, die sie braucht. Ähnlich wie bei Lego können verschiedene Bausteine bzw. Mustereinheiten ausgewählt und individuell zusammengebracht werden. Alles kann, nichts muss. Jedes Unternehmen wählt nur die Bausteine bzw. Patterns aus, die nützlich und sinnvoll sind, denn alle Patterns funktionieren miteinander aber auch unabhängig voneinander.

Die Anwendung ist kinderleicht und die wenigen Regeln, die es gibt, sind zwar starke Empfehlungen, aber kein Muss. Jedes Unternehmen findet auf diese Weise uneingeschränkte Möglichkeiten zur individuellen Abbildung. Dieser spielerische Umgang mit den eigenen Strukturen und die Visualisierung, die jede Organisation von sich selbst erstellt, sorgt insbesondere intern für Klarheit und auch für gegenseitiges Verständnis innerhalb der Teams.

Mitunter werden beim „Bauen“ der Strukturen Abhängigkeiten oder sogar Schmerzpunkte im Unternehmen erkannt, die sich visuell lösen lassen.

Die unFIX-Systematik nutzt eine eigene präzise und intuitive Sprache, die für alle in und außerhalb der Organisation einfach zu verstehen ist. Gemeinsamkeiten, Unterschiedlichkeiten und Zusammenarbeitsmuster können neben der Struktur schnell erfasst werden – visuell wie auch sprachlich.

Das kleine 1×1 von unFIX – eine kleine Einführung in drei von 40 Patterns

Wir wählen als erstes Pattern die Base aus, womit das Unternehmen, ein Unternehmensteil oder ein in sich geschlossener Bereich innerhalb eines Unternehmens gemeint ist. unFIX hat innerhalb des Patterns vier Typen identifiziert: fully integrated, strongly aligned, loosely aligned und fully segragated.

Jedes Unternehmen bestimmt für sich, welches Muster am besten passt. Im Zentrum einer jeden Base stehen die verschiedenen Wertschöpfungsketten eines Unternehmens. Sie bilden sogenannte Value Streams, die hier als zweites Pattern vorgestellt werden. Alle, die in einem Value Stream mitarbeiten, werden als Crew bezeichnet.

Die Crews

Bis zu sieben Arten von Crews in unterschiedlicher Anzahl können mit unFIX abgebildet werden:

  • Value Stream Crews: Es handelt sich um wertschöpfende, cross-funktional arbeitende Teams.
  • Platform Crew: Sie bietet allen anderen Crews einer Base gemeinsame Dienste an, etwa HR, Accounting und Co.
  • Capability Crew: Hier arbeiten Experten mit einzigartigem Fachwissen, das sie gezielt in den verschiedenen Value Streams einbringen, etwa Data Scientists oder Konzepter.
  • Facilitation Crew: Sie unterstützt andere Crews, ihre Arbeit zu erledigen, zum Beispiel Agile Coaches.
  • Experience Crew: Sie optimiert die gesamte Customer Journey und das Benutzererlebnis bei Berührungspunkten über mehrere Produkte und verschiedene Kanäle hinweg, etwa Customer Service, Marketing und Product Owner in einer Doppelrolle.
  • Partnership Crew: Sie konzentriert sich auf Anbieter, Zulieferer, Partner, Freiberufler, Angestellte und weitere Stakeholder, etwa Einkauf.
  • Governance Crew: Ihre Aufgabe ist es, zu führen, die Grenzen der Selbstorganisation festzulegen und dabei das System zu gestalten und nicht die Menschen zu managen.

Ein Beispiel für die Abbildung eines Organisationsdesign nach unFIX in folgender Grafik:

unFIX Modell
Quelle: unfix.com

Die Abbildung der verschiedenen Crews folgt einer gewissen Intuition, so dass auf einen Blick zu erkennen ist, welche Teams (Crews) an welchen Produkten und für welche Kunden arbeiten. Ebenso ist es leicht ersichtlich, welche Mitarbeitenden (hier mit Smileys dargestellt) dediziert in einem festen Team oder übergreifend in mehreren Teams und Projekten arbeiten und wer sich um Customer Experience, Partnerschaften und Einkauf kümmert.

Kollaborationsformate: Foren

Gleichzeitig gibt es innerhalb der unFIX-Systematik weitere Patterns für beispielsweise Austausch- und Zusammenarbeitsformate, die hier Foren heißen. Auch fachliche und disziplinarische Führung haben eigene visuelle Anker – wobei es in den einzelnen Teams nach den Empfehlungen meist keine disziplinarische, dafür fachliche Führung gibt, um das Bilden von Territorien zu verhindern.

Die Ausführung vieler weiterer nützlicher Details wie Investment Horizons, Lifecycle Stages, Dynamic Reteaming und Co. sprengt an dieser Stelle den Rahmen.

Nie wieder umstrukturieren

Das Hauptargument, das für unFIX spricht, ist, dass das Organisationsdesign flexibel ist und leicht verändert werden kann. Genauer gesagt: Es ist durchlässig und befindet sich in Bewegung. Alle Mitarbeitenden bleiben dadurch ebenfalls beweglich und sind kontinuierlich Teil der Veränderung. Sie finden ihre Orientierung und Zugehörigkeit in der Base.

In diesen größeren Einheiten sind bis zu 150 Menschen (organisiert in Teams bzw. Crews) sinnvoll zusammengefasst. Durch die erweiterte Zugehörigkeit und das von vornherein flexible Organisationsdesign, ist es erstaunlich zu sehen, wie viel leichter Menschen mit Veränderungen im System, wie beispielsweise bei Re-Teaming, klarkommen. Anpassungen der Unternehmen an Veränderungen in der Außenwelt sind auf diese Weise viel schneller und leichter möglich, zumal Ambidextrie und die unterschiedlich funktionierenden Teams visuell dargestellt werden.

Das unFIX-Modell lässt sich leicht mit anderen Methoden und Prozessen kombinieren, sei es OKRs, rollenbasiertes Arbeiten, Entscheidungsfindung oder Kanban- und Scrum-Logik.

Die Kraft der Einfachheit

unFIX nutzt die Kraft der Einfachheit nicht nur für die Abbildung des Organisationsdesigns, sondern auch für die Verbreitung der Idee. unFIX ist für alle Organisationen aus allen Branchen geeignet und mit wenig Aufwand leicht zu verstehen. Ein wachsendes Netzwerk von Partnern und unfixed Unternehmen befindet sich zudem im engen Austausch, um globale Phänomene zu erkennen und zu lösen.

Der Gedanke des lernenden Netzwerks wurde von Beginn an mitgedacht. Regelmäßige, lokale und internationale Veranstaltungen wie die Konferenz unFIXcon bieten Raum für den Austausch von Erfahrungen und neuen Erkenntnissen.

Fazit

Das unFIX-Modell ist einfach, visuell und intuitiv konzipiert. Dass Jurgen Appelo seine Kindheitserfahrungen vom Spiel mit den bunten Lego-Steinen in die Berufswelt überträgt, ist denkbar genial. unFIX regt den Spieltrieb an und ermutigt Unternehmen, sich von starren Strukturen zu befreien. Das Anliegen: Strukturen zu schaffen, die für die Veränderung geschaffen sind, so dass Organisationen sich flexibel und anpassungsfähig aufstellen können.

Durch die Verwendung des unFIX-Modells können Unternehmen effizienter werden und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv in andauernde Veränderungsprozesse einbeziehen. Das Modell schafft eine gemeinsame Sprache und eine klare Sichtbarkeit der Arbeitsstruktur, was zu mehr Klarheit, Verständnis und Engagement in den Teams führt.

Carolin Adler

Carolin Adler, Ministry Group

 

Carolin Adler ist Transformationsexpertin im Team der Ministry Group und Teil der unFIX-Community. Sie setzt auf Strukturen, die die Wertschöpfung in den Mittelpunkt stellen, so dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo sie anfallen – sprich, weniger Management, dafür schnellere und bessere Entscheidungen.

>> LinkedIn Profil von Carolin Adler

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