Flexibilität in der Schichtplanung

Flexible Schichtplanung – ohne kürzere Wochenarbeitszeit geht nichts

Eine flexible Schichtplanung wünschen sich sowohl Unternehmen als auch Mitarbeitende. Dennoch bieten klassische Schichtsysteme wenige Spielraum, um diese Flexibilität auch tatsächlich zu ermöglichen. Wie es besser geht, verrät Arbeitszeit-Experte Guido Zander in diesem Artikel.

Was ist Flexibilität in der Schichtplanung?

Meine Erfahrung aus über 100 Schichtplanprojekten in den letzten Jahren: Alle wollen Flexibilität. Aber niemand schafft die Voraussetzung dafür. Was meine ich damit?

Bevor ich das beantworte, erläutere ich vorab, was Flexibilität in der Schichtplanung überhaupt bedeutet. Darüber hinaus unterscheide ich zwischen der Flexibilität für die Unternehmen und der Flexibilität für die Mitarbeitenden.

Wenn Unternehmen von Flexibilität sprechen, dann meinen sie damit, dass sie auf unterschiedliche Auftragslagen reagieren können. Wenn es viel zu tun gibt, möchten Unternehmen die Kapazität erweitern. Haben sie wenig zu tun, möchten sie die Kapazität verringern.

Auf Mitarbeiterseite bedeutet Flexibilität, dass Beschäftigte z.B. Schichten oder freie Tage tauschen oder auch mal früher oder später gehen können.

Etablierte Schichtsystem bieten wenig Flexibilität

Die Voraussetzung für Flexibilität ist aber, dass es überhaupt Spielraum für Kapazitätsanpassungen oder Schichttausch gibt. Und da wird es bei etablierten Schichtsystemen im wahrsten Sinne des Wortes richtig eng.

Schauen wir uns die am häufigsten verwendeten Schichtpläne für kontinuierlichen Betrieb an.

Schichtplan für 3-Schichtbetrieb

Der erste Schichtplan betrifft ein klassisches 3-Schichtmodell, also ein Modell mit einem kontinuierlichen Betrieb rund um die Uhr von Montag bis Freitag. Je nachdem wie man die Pausen bewertet, bezahlt oder unbezahlt, deckt dieser Schichtplan eine Wochenarbeitszeit von 40 oder 37,5 Stunden ab.

Schichtplanung für 3-Schichtbetrieb
Abb. 1: Schichtplan für 3-Schichtbetrieb

Die Flexibilität für Unternehmen beschränkt sich in der Regel darauf, am Samstag zusätzliche Schichten anzusetzen oder unter der Woche Schichten abzusagen.

Angenommen man hängt am Samstagvormittag eine Frühschicht dran, dann ergibt sich in dieser Woche eine Kapazitätserweiterung um 6,6%. Für die Mitarbeitenden wiederum bedeutet dies, dass sie regelmäßig 6-Tage-Wochen mit 48 oder 45 Stunden (je nach Pausenbewertung) mit nur einem freien Tag Erholung zwischen zwei Arbeitsblöcken haben.

Aus Mitarbeitersicht ergibt sich überhaupt keine Flexibilitätsmöglichkeit. Denn unter der Woche können Schichten nicht getauscht werden, ohne dass es zu einer Verletzung der gesetzlichen Ruhezeit von 11 Stunden kommt. Die Zusatzschicht am Samstag kann man sich selten aussuchen, genauso wenig die Schichten, die arbeitgeberseitig aufgrund von Störungen oder einer geringeren Nachfrage abgesagt werden.

Schichtplan für 4-Schicht-Betrieb

Noch trauriger sieht es bei dem am weitesten verbreiteten Schichtplan für einen 4-Schichtbetrieb, also einem 24/7-Betrieb Montag bis Sonntag aus.

Schichtplanung für eine 4-Schicht-Betrieb
Abb. 2: Schichtplan für eine 4-Schicht-Betrieb

Aus Unternehmenssicht gibt es keinerlei Flexibilität nach oben. Mehr als 24/7 an allen Wochentagen ist nicht möglich. Und weniger eigentlich auch nicht, weil es keinerlei Möglichkeit für die Mitarbeitenden gibt, Minusstunden wieder auszugleichen. Demzufolge gibt es auch für die Mitarbeiter keinerlei Flexibilität.

Darüber hinaus enthält dieser Schichtplan nur wenig Erholungszeit, da nach den Nachtschichten der erste Tag ein Ausschlaf-Tag ist (man kommt erst nach 6 Uhr morgens am Folgetag zu Hause an) und hat dann nur einen wirklich freien Tag, bevor man wieder arbeiten muss. Krankenquoten von 15% und mehr sind daher nicht selten eine Folge dieses Schichtplans. Dieser Schichtplan bildet je nach Pausenregelung (bezahlt oder unbezahlt) eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 42 oder 39,5 Stunden ab.

Mit dieser Ausgangssituation kommen Unternehmen nun auf uns zu und wollen flexibler und attraktiver werden.

Anpassung der wöchentlichen Arbeitszeit notwendig

Das Problem dabei ist: Solange die Rahmenbedingungen, allen voran die wöchentliche Arbeitszeit nicht angepasst werden, gibt es keine bessere Lösung! Bei 7,5h Schichtlänge pro Tag benötigt man 5 Arbeitstage, um auf 37,5 Stunden zu kommen bzw. 5,33 Arbeitstage pro Woche, um auf 40 Stunden zu kommen.

Möchte man Wochenarbeitszeiten von mindesten 37,5 oder 40 Stunden erreichen, landet man fast zwangsweise bei diesen Schichtplänen, denn aus mathematischer Sicht gibt es keine Alternative!

Das bedeutet, dass für einen attraktiven und flexiblen Schichtplan die Wochenarbeitszeit auf idealerweise 35 Stunden oder sogar weniger reduziert werden muss.

6/3-Schichtsystem für vollkontinuierlichem Betrieb

Die Lösung ist zum Beispiel ein 6/3-System, das wieder je nach Pausenbezahlung 33,6 oder 35,55 Stunden enthält.

6/3-Schichtsystem für vollkontinuierlichem Betrieb
Abb. 3: 6/3-Schichtsystem für vollkontinuierlichem Betrieb

Auch dieses System bietet für Unternehmen nicht die Möglichkeit, die Kapazität zu erweitern. Aber es entsteht sehr wohl mehr Flexibilität, um Ausfälle besser zu kompensieren. Denn in den Freiblöcken können noch weitere Schichten untergebracht werden.

Zusätzlich gibt es die Möglichkeit in einzelnen Wochen Schichten abzusagen, um diese in anderen Wochen wieder einzuplanen. Ebenso gibt es für Mitarbeitende die Flexibilität sowohl Schichten als auch Freischichten zu tauschen. Oft wird dieses System als Basis dafür genommen, um dann wieder durch Einbringschichten auf eine Wochenarbeitszeit von 38 oder mehr Stunden zu kommen.

In diesem Fall landet man am Ende wieder bei einem 7/2-System. Das heißt, nur der Einstieg sieht freundlicher aus, das Resultat ist das gleiche. Attraktiver wird der Schichtplan also nur, wenn keine zusätzlichen Schichten hinzukommen.

Produktivitätsgewinn und geringere Krankenquoten

Insgesamt ist das System dann für alle Beteiligten deutlich flexibler, wodurch die Produktivität erhöht, und die Belastung und damit auch die Krankenquoten gesenkt werden kann. Diese beiden Effekte kompensieren sehr oft schon die Mehrkosten, die aus der Wochenarbeitszeitreduktion entstehen.

Darüber hinaus gibt es noch viele andere Schichtkonzepte, wie z.B. Gruppenkombinationen und Reserveschichten, die noch mehr Flexibilität für alle Beteiligten bieten. Allerdings haben auch diese Konzepte als Voraussetzung reduzierte Wochenarbeitszeiten, zumindest, wenn man flexible und attraktive Schichtpläne haben will.

Mein Fazit zu flexibler Schichtplanung

Viele Unternehmen wollen, dass die Schichtarbeit flexibler, attraktiver und weniger belastend wird. Rein mathematisch ist das aber nur möglich, wenn die Wochenarbeitszeit reduziert wird. Die entstehenden Mehrkosten können in der Regel über eine durch mehr Flexibilität zu erreichende Produktivitätserhöhung und durch die Entlastung sinkende Krankheitsquoten gegenfinanziert werden.

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Guido Zander

Arbeitszeit-Experte Guido Zander als Autor auf PERSOBLOGGER.DE

Guido Zander ist Arbeitszeitexperte und geschäftsführender Partner bei SSZ, der Unternehmensberatung für Arbeitszeit und Personaleinsatzplanung. Seit 1995 hat er über 200 Kunden aus diversen Branchen beraten. Darüber hinaus ist der Keynote-Speaker und veröffentlich regelmäßig Beitrage zu diesen Themen in den sozialen Medien und HR-Magazinen.

Mit seinem Partner Dr. Burkhard Scherf hat er das Buch „NEW WORKforce Management – Arbeitszeit human, wirtschaftlich und kundenorientiert gestalten“ herausgebracht.

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