Ursprünglich stammt das Phänomen, welches dem Career cushioning zugrunde liegt, aus der Partnersuche: „Cushioners” suchen nach alternativen Liebesinteressen und halten sich mehrere Optionen offen, während sie in festen Händen sind, nur für den Fall, dass ihre aktuelle Beziehung in die Brüche geht. Ende 2022, als die Sorge vor Massenentlassungen und einer weltweiten Rezession immer größer wurde, wanderte der Begriff „Cushioning” von der Dating-Welt in die Geschäftswelt, schreibt Tuba Vogel, Chief People Office beim HR-Tech-Unternehmen expertlead.
Was ist Career cushioning?
Career cushioning wurde innerhalb kurzer Zeit zu einem Schlagwort in Geschäfts- und Nachrichtenkreisen. Vereinfacht ausgedrückt, geht es beim Career cushioning darum, eine berufliche Absicherung zu schaffen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um sich Optionen offenzuhalten oder auf unerwartete Ereignisse vorbereitet zu sein.
Der Grund dafür: Große Unternehmen wie Amazon, Microsoft, Meta und Twitter kündigten im letzten Jahr massive Entlastungen an. Dies deutet darauf hin, dass die Hochzeit der Great Resignation, in der Arbeitnehmer:innen freiwillig ihren Job kündigten, zu Ende geht. Stattdessen spüren viele Arbeitnehmer:innen aktuell den Druck und die Spannungen einer schwankenden Wirtschaft und sorgen sich um ihren Arbeitsplatz.
Kurzum: Die derzeitigen Krisen machen es zum Teil erforderlich, ihre Karriere abzufedern.
Was bedeutet Career cushioning für Unternehmen?
Beim Career cushioning geht es darum, sich Optionen offenzuhalten, beispielsweise dann, wenn Arbeitnehmer:innen um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes fürchten. Betroffene bereiten sich darauf vor, eine mögliche Entlassung abzufedern, indem sie selbst präventiv Maßnahmen ergreifen. Diese können beispielsweise beinhalten, dass die Mitarbeitenden selbst in ihre Weiterbildung investieren, nach freien Stellen in finanziell stabilen Unternehmen suchen oder einen Nebenerwerb aufnehmen, um das Gehalt aufzustocken.
Kurz gesagt: Arbeitnehmer:innen legen sich ein Plan B zurecht für den Fall, dass sie ihren aktuellen Job verlieren – und verlieren dabei vielleicht ihren aktuellen Job aus den Augen.
Risiko und Chance gleichermaßen
Was zunächst nach einer Bedrohung für viele Unternehmen klingt, kann auch als Chance genutzt werden: Unternehmen profitieren, wenn die eigenen Mitarbeitenden sich ein Netzwerk aufbauen und in ihre Entwicklung investieren. Es ist an den Führungskräften, die Mitarbeitenden aktiv dabei zu unterstützen und nicht alleine zu lassen.
Dazu kommt, dass Arbeitnehmer:innen, die ein Potenzial für Wachstum und Flexibilität sehen, geneigt sind, im Unternehmen zu bleiben und sich zu engagieren. Natürlich können Unternehmen nicht alle Mitarbeitende halten. Auch sie tun daher gut daran, sich konstant im Recruiting zu engagieren oder vielfältige Beschäftigungsoptionen in Betracht zu ziehen, falls es einzelne Mitarbeitende doch woanders hinzieht. Wie können Unternehmen mit Career cushioning umgehen?
Studieneinblicke
Studien zeigen, dass die derzeitige ökonomische Lage Unternehmen dazu zwingt, Fortschritte in wichtigen Bereichen des Arbeitslebens wie flexible Arbeit (68%), Kompetenzentwicklung (74%) und Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen (75%) zurückzunehmen. Unternehmen sollten genau hier ansetzen und das Problem an der Wurzel packen, um den Mitarbeitenden Sicherheit zu geben:
- Flexibilität: Viele Arbeitnehmer:innen haben flexible Arbeitszeiten die letzten Jahre kennen und schätzen gelernt. Unternehmen sollten ihren Mitarbeitenden daher gerade in unsicheren Zeiten weiterhin die Möglichkeit geben, ihr Berufs- und Privatleben miteinander zu verbinden.
- Weiterbildungsmöglichkeiten: Es besteht die Befürchtung, dass die derzeitige wirtschaftliche Unsicherheit die Fortschritte in diesem Bereich beeinträchtigt und die Unternehmen Ausgaben für Weiterbildungsmöglichkeiten kürzen. Firmen, die Mitarbeitende halten wollen, sollten daher proaktiv in Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten für ihre Mitarbeiter:innen investieren und antizyklisch agieren – so kommen sie auch gestärkt aus der wirtschaftlichen Krise und können beim auf diesen folgenden Aufschwung voll durchstarten.
- Transparente Kommunikation: Die wirtschaftlichen Spannungen sind kein Geheimnis und Massenentlassungen haben es längst in die allgemeinen Nachrichten geschafft. Arbeitgeber*innen sollten ihre Mitarbeitenden daher über den aktuellen Stand der Dinge im Unternehmen informieren – und nicht im Unklaren lassen. Denn Unwissenheit oder Spekulationen können schnell dazu führen, dass die Mitarbeitenden eine instabile Geschäftslage vermuten und mit der beruflichen Abfederung beginnen.
- Stabile Unternehmenskultur: Eine stabile Unternehmenskultur stärkt die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen und kann dazu beitragen, dass sich Arbeitnehmer*innen nicht bei der erstbesten Gelegenheit nach einem neuen Job umhören. Führungskräfte sollten daher die Werte des Unternehmens aufzeigen und Wertschätzung offen kommunizieren.
- Möglichkeiten: Die Suche nach einem Plan B muss nicht zwangsweise bedeuten, dass sich Arbeitnehmer:innen außerhalb des Unternehmens umschauen. Denn auch innerhalb des Unternehmens gibt es Möglichkeiten, auf- oder umzusteigen. Arbeitgeber sollten ihren Mitarbeitenden daher aktiv Perspektiven aufzeigen. Dazu können sie zum Beispiel in das Sozialleistungssystem oder Beförderungen investieren. Unternehmen können ihren Mitarbeitenden zudem die Möglichkeit geben, Stunden aufzustocken, um mehr Geld zu verdienen, oder sie dazu ermutigen, Erfolge in Netzwerken zu teilen.
Fazit
Career cushioning ist per se keine Bedrohung für Unternehmen, denn es ist nichts Schlechtes, wenn Mitarbeitende in ihre Weiterbildung investieren oder ihr Netzwerk ausbauen. Führungskräfte sollten ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen und ihnen Perspektiven innerhalb des Unternehmens aufzeigen oder die Möglichkeit bieten, ihren Arbeitsalltag flexibel zu gestalten.
Zudem sollten sie transparent und offen kommunizieren und durch eine präsente Unternehmenskultur die Bindung an das Unternehmen stärken. Damit geben sie nicht nur den Mitarbeitenden mehr Sicherheit, sondern profitieren selbst: denn Fähigkeiten, nach denen Unternehmen bei der Einstellung suchen, befinden sich oft direkt neben ihnen.
Zum LinkedIn-Profil von Tuba Vogel, Chief People Office beim HR-Tech-Unternehmen Expertlead
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