Schon vor einiger Zeit hatte mich ein Artikel in der schweizerischen Handelszeitung aufgeschreckt unter dem Titel „Google will Homeoffice-Arbeitern das Salär empfindlich kürzen“. Dass ausgerechnet der Mobile-First Vorzeige-Konzern die Arbeit im Homeoffice mit weniger Gehalt „bestrafen“ und damit Druck in Richtung Rückkehr in die Unternehmensgebäude ausüben sollte, erschien mir nicht ganz plausibel. Allerdings wurden durch diese Meldung auch Beschäftigte in Deutschland verunsichert, ob Gehaltskürzungen auch hierzulande möglich sind. Eine Einschätzung der Lage.
Positioniert sich Google tatsächlich gegen Homeoffice?
Meine Mitte August sogleich eingeleiteten Recherchen zeigten, dass es sich bei dem besagten Artikel um eine eher tendenziöse Berichterstattung handelte und die Tatsachen etwas verkürzt dargestellt wurden.
Google führt de facto keinen Feldzug gegen eine dauerhafte Arbeit der Beschäftigten im Homeoffice nach dem Ende der Corona-Pandemie. Stattdessen ist es in den USA bereits üblich, Gehälter mit einer Art Standort-Zuschlag zu versehen. Im konkreten Fall gestaltet sich das Wohnen nahe des Google Headquarters als sehr kostspielig. In den vereinbarten Gehältern sind somit standortbezogene Vergütungsbausteine enthalten, um Nachteile auszugleichen.
Wechseln Beschäftigte nun aber ihren Wohnort, da sie vermehrt oder dauerhaft remote Arbeiten, ersparen sich diese dadurch spürbar Mietkosten sowie Aufwendungen für das Pendeln. Damit haben sie aber auch keinen Anspruch mehr auf die entsprechenden Vergütungsbestandteile.
Insofern wird klar, dass es nicht – zumindest nicht in erster Linie – um eine „Abstrafen wegen der Nutzung eines Homeoffice“ geht, sondern mehr um eine Frage von Gehaltsgerechtigkeit. So habe ich das bereits in meinem Vortrag auf der Zukunft Personal Reconnect Mitte September dargestellt.
Gibt es standortbezogene Vergütung auch in Deutschland?
In Deutschland sind Modelle ortsabhängiger Vergütung derzeit vor allem im Bereich der Beamtenbesoldung bekannt. Hier besteht ein Zusammenhang zwischen dem Wohnort und Dienstsitz, der zu einer Gehaltsvarianz führen kann.
Auch im Rahmen von Tarifverträgen können Regelungen mit ähnlichen Ergebnissen getroffen werden. Dies ist beispielsweise bei Beschäftigten in West- bzw. Ost-/Mitteldeutschland der Fall aufgrund der unterschiedlichen Gesamtkosten-Situation bei Wohnen und Leben.
Darüber hinaus sind ortsabhängige Vergütungen allerdings nicht flächendeckend in Unternehmen verbreitet. Im Rahmen der steigenden Recruiting-Bemühungen im Zusammenhang mit sogenannten Engpass-Zielgruppen wie Pflegekräfte oder IT-Spezialisten, kommen jedoch verstärkt Überlegungen auf, unterschiedliche Gehälter je nach Wohnort zu zahlen. Häufig werden hier aber vor allem Zulagen für besonders teure Wohnorte in Frage kommen. Eher selten dürfte es um das Kürzen von Gehalt gehen.
Müssen Homeoffice-Nutzer Gehaltskürzungen fürchten?
Besteht folglich die berechtigte Angst vor einer Kürzung der Vergütung bei Umzug in eine günstigere Wohngegend und verstärkte oder dauerhafte Nutzung von Homeoffice und mobiler Arbeit?
Wie so oft kommt es auf den Einzelfall an. Die Wahrscheinlich von Gehaltskürzungen aufgrund von Umzug und Homeoffice ist aber extrem gering. Denn dazu müsste dies explizit in den arbeitsvertraglichen Regelungen stehen. Einseitige Erklärungen durch den Arbeitgeber zur Kürzung sind rechtlich nicht zulässig. Und vermutlich hatte das Thema Homeoffice und mobile Arbeit vor der Corona-Pandemie auch keine so hohe Relevanz, als dass ein solcher Passus standardmäßig in die Arbeitsverträge aufgenommen wurde.
Drohen Gehaltsverluste durch Homeoffice beim Arbeitgeberwechsel?
Anders könnte die Situation bei einem aktuellen geplanten Jobwechsel sein. Wechseln Beschäftigte ihren Arbeitgeber und vereinbaren Regelungen zur Nutzung von Homeoffice und mobiler Arbeit, sollten diese genau geprüft werden. Grundsätzlich sind Modelle objektiv standortbezogener Vergütung mit Blick auf Homeoffice nämlich zulässig und verstoßen nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
In jedem Fall ist ein Anpassen der Vergütungssystematik aber mitbestimmungspflichtig, wenn ein Betriebsrat im Unternehmen vorhanden ist.
Sind wohnortbezogene Vergütungsregelungen mit Blick auf Homeoffice sinnvoll?
Wie oben erwähnt, gibt es eine Reihe von durchaus sinnvollen Anwendungsbereichen für Wohnort- oder Standort-bezogene Vergütungsmodelle. Allerdings sollten Arbeitgeber dabei auch die Auswirkungen auf ihre Arbeitgebermarke im Rahmen des Employer Brandings beachten. Denn es wünschen sich immer mehr Menschen Homeoffice zukünftig als mögliche Alternative zu einem Arbeitsort im Unternehmen. So ist es eher kontraproduktiv, diesem Wunsch mit Gehaltsabschlägen zu begegnen.
Der Gedanke gilt um so mehr, als dass Arbeitgeber sich bei wachsender Inanspruchnahme von Homeoffice und mobiler Arbeit möglicherweise zukünftig massiv Kosten für Gebäudemieten und Raumkosten sparen.
Fazit zum Thema Homeoffice und Vergütung kürzen
In Abhängigkeit vereinbarter arbeitsvertraglicher Regelungen wie Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder individuellen Arbeitsverträgen können Arbeitgeber mitbestimmt unterschiedliche Modelle definieren. In jedem Fall sollten dabei neben den rein finanziellen Unternehmensinteressen und Kostensenkungsbemühungen vor allem die Auswirkungen auf das Employer Branding und Recruiting genau im Auge behalten werden.
Zwar erhalten Arbeitgeber hiermit weitere Steuerungselemente, die sie bewusst auch kontra Homeoffice und mobiler Arbeit in Stellung bringen könnten. Sinnvoll erscheint dies aber nicht, da laut einer aktuellen Studie die Verweigerung mobiler und flexibler Arbeitsmethoden Beschäftigte sogar in Richtung Kündigung treibt.