Führen ohne Macht im Ehrenamt

Führen ohne Macht im Ehrenamt – und was Unternehmen davon haben

Menschen zu Führen ohne formale Macht ist immer eine besondere Herausforderung. Das gilt um so mehr, wenn es sich dabei um eine Führungsposition in einem Ehrenamt handelt. Gastautorin Inge Pirner berichtet sehr persönlich aus ihren eigenen Erfahrungen in der Rolle als ehrenamtliche Vorsitzende eines Sportvereins. Und plädiert dafür, dass sich Unternehmen stärker für ehrenamtliches Engagement einsetzen sowie dieses durch zeitliche Ressourcen gar aktiv zu unterstützen. Von der besonderen Rolle im Recruiting-Prozess ganz zu schweigen. Irgendwie fast schon eine Liebeserklärung an das Ehrenamt.

Menschen motivieren ohne Geld – nur mit Anerkennung und Lob?

Ehrenamtliches Engagement lebt von gemeinsamen Ansprüchen und Werten, die sich der eine oder die andere in der Gesellschaft mit deren persönlichen Beitrag setzen. Nehmen wir als Beispiel den Fußball. Habe ich in meiner Jugend erlebt, wie ich selbst im Fußball von ehrenamtlichen Betreuern und Trainern aufgenommen und ausgebildet wurde und erkenne den Wert für meine persönliche Entwicklung (vom sportlichen ganz abgesehen), dann möchte ich vielleicht einen Teil dieser positiven Erfahrung zurückgeben und engagiere mich freiwillig, um meinen gesellschaftlichen Anteil zu leisten.

Werte und Ziele sind in diesem Engagement nicht abhängig von einem Verdienst oder einem Einkommen, sondern werden zum Teil auch in der Familie vorgelebt. Als Trainer bin ich erstmal nur für meine Mannschaft verantwortlich. Und hier ist das Ziel relativ klar: Spaß am Sport zu vermitteln. Und vielleicht den einen oder anderen Sieg einzufahren. Ach ja, und natürlich lernen mit Niederlagen umzugehen und Tränen zu trocknen.

Selbst in Sportvereinen geht nichts ohne Führung

Ronaldos werden nicht als Weltfußballer geboren, sondern müssen ihre Fähigkeiten trainieren. Und dazu braucht es „Führung“. Jetzt ist es vielleicht im G-Jugend-Bereich noch relativ einfach eine Führungsposition aufzubauen. Wenn erstmal die anfängliche „Rudelbildung“, die sich automatisch beim Kampf um den Ball ergibt, überwunden ist. Die Kids verdienen kein Geld mit Fußball. Belohnung kann hier schon eine Medaille oder ein Eis sein.

Ehrenamtliches Engagement endet aber in Vereinen nicht in der „Gruppenebene“. Und je größer ein Verein ist, desto mehr Organisationsstruktur ist notwendig. Und jetzt kommt`s. Mit welchen Mitteln schaffen es Vereinsbosse in Ehrenamtsstrukturen alles am Laufen zu halten und ehrenamtliche Mitarbeiter in Bewegung zu setzen? Geld als Ansporn und Mittel zum Erfolg funktioniert nicht – weil es ja keines gibt.

Mein persönlicher Einblick in Vereins-Führung

Ich habe 20 Jahre Erfahrung in der Position als erste Vorsitzende. Natürlich mit allen Höhen und Tiefen, die dazu gehören. Auch wenn es manchmal schmerzt. So erlaube mir, nun von meinen ganz persönlichen Erfahrungen zu berichten.

Vor meiner Wahl hatte ich bereits einen Abteilungsleiterposten im Verein. Und zack …wurde ich schnell zur 1. Vorsitzenden. Vermutlich, weil ich nicht schnell genug „unter dem Tisch verschwunden“ bin. Das Thema „Freiwilligkeit“ lassen wir hier mal beiseite.

Mut und Selbstbewusstsein gehören natürlich auch dazu. Und dann muss ich schon die nächste Diskussion und Hürde aufgreifen. Denn Frau in Führung und Fußball – das geht gar nicht!

Milde belächelt mit einem süffisanten „Na, schau mer mal, wie lang die das macht. Von Fußball hat sie doch keine Ahnung.“, bis zu „Endlich finden wir mal Gehör für unseren Handballsport“. – Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start.

Ein gemeinsames Ziel schweißt zusammen

Aber hier gab es ein ganz großes gemeinsames Ziel: den Verein vor der Insolvenz zu retten. Damit war eine gemeinsame Basis jenseits der sportlichen Aktivitäten geschaffen. Dass hier alle an einem Strang ziehen müssen, war schnell klar. Aber noch war nicht von jedem erkannt, dass alle ihren Beitrag dazu leisten müssen.

Führung hat viel mit persönlicher Ansprache, Verständnis, Wertvorstellungen und Empathie zu tun. Das gilt insbesondere dann, wenn keiner der Mitarbeiter mit dem was er tut Geld verdient, sondern das freiwillig und ehrenamtlich macht. Anerkennung, Lob und vielleicht auch Spaß sind der Lohn.

Direkte und persönliche Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg

In persönlichen Gesprächen, selbst wenn sie zeitaufwändig sein können, erreicht man oft am besten ein gemeinsames Verständnis. Erwartungshaltungen zu erkennen, die unerfüllbar sind, dafür aber neue Ideen und ein Mitnehmen auf dem Weg zum Ziel, bilden die beste Basis für ein gemeinsames und zielorientiertes Arbeiten.

Es kann kein „Anordnen“ sein, denn keiner wird hier gezwungen den Job machen. Wichtig ist auch in gewissen Leitplanken Freiräume zu geben und Entwicklungen zuzulassen. Gesetze und Bestimmungen gelten allerdings auch im Ehrenamt.

Ein bewusstes Loslassen von Vorgaben und eventuell auch eigenem Anspruchsdenken, hin zu eigenverantwortlichem Einsatz der agierenden Personen. Fehler sind natürlich an der Tagesordnung. Herausfordernde Perfektion darf aber nicht vom Handeln abhalten. Ein „Ausprobieren“ muss mithin erlaubt sein. Es ist ein ständiger Lernprozess, ohne Zwang und Angst, mit der notwendigen Anpassung an unterschiedliche Gegebenheiten und Einflüsse.

Konflikte bei der Führung im Ehrenamt lösen

Leider sind natürlich gerade in gewählten und ehrenamtliche Positionen Mitarbeiter dabei, die diesen Weg und den gemeinschaftlichen Aspekt nicht mitgehen wollen. Da wird das Ganze zur Herausforderung. Eine „Entlassung“ hat beim Ehrenamt sehr hohe Hürden. Und ja, auch ich war mit einer solchen Situation einige Mal konfrontiert. Von eher „harmlos“ mit einfacher Arbeitsverweigerung bis schon „sehr kritisch“ mit absolut unberechtigten persönlichen Anschuldigungen, die auch mal weitreichende Folgen haben können.

Was also in solchen Fällen tun? Geholfen haben mir hier: Offenheit, Transparenz und natürlich eine gewisse Konfrontation mit der Gemeinschaft. Kein Tribunal, aber einen Weg zur eigenen Einsicht für die „Angreifer“ ebnen, so kann es gehen. In allen Fällen war das bisher erfolgreich – diese Menschen haben den Verein verlassen beziehungsweise sind von ihren Positionen zurückgetreten.

Wie können Unternehmen von Menschen in Ehrenämtern profitieren?

Führungsverantwortung muss auch im Ehrenamt übernommen werden – ohne „Macht“ gegenüber den Mitarbeitenden. Was kann das nun für Unternehmen bedeuten? Wie können Unternehmen von Ehrenamtlern profitieren? Und welche Voraussetzungen würden die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement befeuern?

Das ehrenamtliche Engagement schwindet in Summe. Vor allem im Bereich der „dauerhaft“ besetzten Positionen, wie Vorständin oder Abteilungsleiter in Vereinen. Hier sind verschiedenste Ursachen anzumerken. So zu Beispiel: Wer steht als Vorstand schon gerne in der persönlichen Haftung?

Wer schafft es, in der flexiblen Arbeitswelt immer pünktlich auf dem Platz zu stehen, wenn die Mannschaft trainiert werden muss? Die Kinderbetreuung steht hier ebenfalls oft im Fokus. Wer kann neben seinem meist sehr ausfüllenden Job überhaupt noch weitere Aufgaben übernehmen? Gerade den engagierten und motivierten Menschen fehlt die Zeit.

Schließlich aber auch: Wer setzt sich schon gerne mit Führung ohne Macht auseinander?

Im Ehrenamt Führung lernen für den Einsatz im Unternehmen

Und an dieser Stelle kommen die Unternehmen ins Spiel. Was haben Unternehmen und HR mit Ehrenamt zu tun? Meiner Meinung nach sehr viel. Denn was Hänschen nicht lernt – lernt Hans nimmermehr! Übertragen bedeutet das hier: Im Ehrenamt zu lernen, um es in der „echten Unternehmenswelt“ anzuwenden – besser geht’s nicht, oder? Eine Win-Win Situation für beide Seiten.

Ehrenamt hilft, sich selbst auszuprobieren, ohne dass es erstmal direkten Einfluss auf Bewertung, Geld und beruflichen Erfolg hat. Das Lernen von Führung unter den ehrenamtlichen Gegebenheiten hilft immens in der dann realen Welt, die heute durch die agilen Gruppen ganz anderen Anforderungen genügen muss.

Umgekehrt können Beschäftigten in Unternehmen als Mentoren dienen, um Menschen, die ein Ehrenamt neu übernommen haben, an die Hand zu nehmen. Und ihnen somit die Angst vor diesem Neuem und Unbekannten zu nehmen.

Unternehmen sollten Ehrenämter stärker fördern

Damit ist es aber notwendig, dass Unternehmen tatsächlich „investieren“ – in Manpower oder Unterstützung, beispielsweise durch zeitliche Freistellung. Es geht dabei nicht nur im die Posten „ganz oben“. Ich spreche hier genauso von untergeordneten Bereichen, wie zum Beispiel Trainern und Betreuerinnen.

Ehrenamt zu fördern ist der Gesellschaft dienlich, denn so kann gemeinsam wieder mehr Interesse und Akzeptanz für das ehrenamtliche Engagement erzielt werden. Das stetige Lernen auf beiden Seiten wird bereichert und es entstehen Synergien.

Wichtig ist auch, dass in den Recruitingprozessen der Unternehmen das Ehrenamt einen höheren Stellenwert bekommt. Insbesondere, dass es nicht so dargestellt wird, als ob dadurch die Flexibilität der Mitarbeitenden wegen eben jenem ehrenamtlichen Engagement verloren ginge.

Mein Fazit zu Führung im Ehrenamt

Und wenn Sie mich jetzt fragen, ob das Ziel „Insolvenzvermeidung“ erreicht wurde. Ja, wir waren gemeinsam erfolgreich. Wenngleich die Pandemie uns nun wieder vor neue Herausforderungen stellt und keiner weiß, wohin dieser Weg am Ende führt. Die lange Zeit als Vorsitzende hat mich aber geprägt, niemals aufzugeben, immer wieder neue Wege zu gehen und ganz wichtig: In die Zukunft zu blicken und dabei die „Betroffenen zu Beteiligten machen“. Kein „Davonlaufen“ vor Problemen, sondern in Lösungen denken und das in knapp bemessener Freizeit.

Wichtig ist dabei, immer wieder neue, junge oder junggebliebene Mitstreiter zu finden, um eingefahrene Pfade neu zu bewerten und frische Ideen einzubringen. Gemeinsam in eine erfolgreiche Zukunft auch im Ehrenamt!

>> Wie Sie online das für Sie passende Ehrenamt finden, erfahren Sie hier!

Inge Pirner

Inge Pirner, VDR und DATEV eG als Gastautorin

 

Inge Pirner wurde 2016 ins Präsidium des Verbands Deutsches Reisemanagement (VDR e.V.) gewählt und ist dort seit 2019 Vizepräsidentin. Daneben leitet sie die Fachausschüsse Hotel und Bahn.

Im Ehrenamt ist sie Vizepräsidentin des Bayerischer Fußball-Verband e.V. (BFV)

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