Personal Recruiting von heute – Markenbotschafter machen die Musik
Eine persönliche Bindung aufbauen. Was sich so einfach anhört, ist in der Realität eine wahre Herkulesaufgabe – sowohl privat als auch im Personal Recruiting. Gerade auf der Suche nach den richtigen Fachkräften ist eine persönliche und vor allem vertrauensvolle Bindung das A und O, um erfolgreich zu sein. Digitaler Wandel hin oder her. Viele große Marken wie z. B. Apple oder Dr. Oetker können davon ein Liedchen singen. Während Apple sein Vertrauen vor allem über kundennahes Design, Stil und ein Rebellionsgefühl aufgebaut hat, ist Dr. Oetker dies durch eine kundennahe Kommunikation gelungen.
Auch Recruiter müssen sich und ihren Arbeitgeber als eigene Marke sehen und ihren Weg finden, um eine persönliche Bindung aufbauen. Denn Menschen kaufen nicht nur mit Emotionen, Menschen bewerben sich auch damit. Einige Tipps, wie dies funktionieren kann, hat Gastautorin Annemarie Zoppelt hier zusammengetragen. Und um noch ein paar Emotionen mehr in diesen Artikel zu bringen, hat sie jeden Punkt mit einem eigenen, hier leider nur textuellen, Soundtrack untermalt.
Wenn man sich den jedoch hinzudenkt, dann wird aus Recruiting schnell ganz großes Kino.
Zeigen Sie Interesse (Nothing Compares 2 U – Sinead O‘Connor)
Als Recruiter steht man jeden Tag von neuem vor der schwierigen Aufgabe, einen völlig fremden Menschen für und von etwas begeistern zu müssen. Das geht natürlich dann am besten, wenn man ein kleines Wörtchen aus dem ersten Satz versucht auszutauschen: das Wörtchen fremd. Ein Fremder ist einem nur so lange fremd, bis man etwas über ihn weiß und irgendeine Art von Beziehung aufgebaut hat.
Zeigen Sie einem Interessenten, dass Sie sich auch tatsächlich für ihn interessieren. Für sein Leben. Seine Talente. Seine Wünsche. Im Endeffekt ist der Recruiting-Prozess nicht viel anders als Online-Dating. Je mehr man bereits über den anderen weiß, desto beeindruckter ist dieser von einem.
Schicken Sie ihm vor einem Vorstellungsgespräch Tipps zum Parken und für den besten Bäcker in der Gegend. Und bedanken Sie sich nach einem Gespräch noch einmal in einer kurzen Mail für seine Zeit. Gehen Sie bei der Antwort auf eine Bewerbung oder auch bei der initiativen ersten Kontaktaufnahme auf persönliche Merkmale oder Dinge ein, die Sie bereits über die Person wissen. Sei es der bevorzugte Fußballverein (der deutlich aus seinem Social Media Profil heraussticht) oder ein ehemaliger Arbeitgeber (der im Lebenslauf gelistet ist). Wissen ist Macht. Und Wissen zeigt Interesse. Denn dieser eine Kandidat sollte sich im besten Fall so fühlen, als wäre er genau der eine, auf den die Firma schon seit Jahren gewartet hat.
Nothing Compares 2 Him. Nur bitte ohne das Weinen aus dem Musikvideo von Sinead O’Connor. Das wäre dann doch etwas over the top.
Kreieren Sie Emotionen (Emotional – Falco)
„Ohne uns sind wir die Hälfte wert“. Das ist eine Zeile aus Falcos etwas weniger berühmten Song Emotional, der zwar an eine Frau gerichtet ist, aber auch perfekt auf das Recruiting passt. Denn wie bereits in Punkt 1 beschrieben, müssen wir einem Kandidaten bewusst machen, dass wir ihn brauchen und dass er uns braucht. Und dafür eignen sich Emotionen einfach am besten.
Menschen haben ein angeborenes Bedürfnis, enge und von Gefühlen geprägte Beziehungen zu Mitmenschen aufzubauen. Deshalb funktioniert übrigens in der Werbung auch das Storytelling so gut. Wenn wir eine Marke mit einer Geschichte oder sogar mit Gefühlen aufladen können, dann laufen ihr die Menschen hinterher.
Auch hier wäre an erster Stelle wieder Apple zu nennen, die es bereits 1997 geschafft haben, ihre Marke den Andersdenkenden zu widmen. Den Rebellen, den Querdenkern, den Idealisten. Think different heißt der Spot, den sich jeder Recruiter einmal zu Gemüte führen sollte, da er es so gut wie kaum ein anderer schafft, Emotionen aufzubauen und das Gefühl einer Marke zu transportieren.
Versuchen auch Sie solche Emotionen zu kreieren. Denn Ihre zukünftigen Mitarbeiter sind keine Zahlen oder Bewerbernummern. Sie sind Menschen. Und Menschen reden am liebsten mit Menschen. Es sei denn sie sind Einzelgänger wie Falco. Aber dessen Drogeneskapaden würden Firmen eh ein nicht ganz so positives Image verpassen.
Versprechen Sie nicht nur Qualität, halten Sie sie auch ein (The Best – Tina Turner)
Gut, eins vorweg: Sie sollten jetzt nicht überall rumrennen und laut „We’re simply the best“ schreien. Aber denken dürfen Sie es ruhig. Und in gewisser Weise Kandidaten auch so rüberbringen.
Überzeugen Sie Interessenten davon, dass Sie nicht nur bei der Auswahl der Mitarbeiter, sondern auch in anderen Geschäftsbereichen sehr hohe Qualitätsstandards haben. Diese sollten dann jedoch durch Zahlen oder Erfolge untermauert sein. Als HSV sollten Sie also nicht proklamieren, die Nr. 1 von Deutschland zu sein, da jeder weiß, dass dies eben nur für Liga 2 gilt – wenn überhaupt.
Zu diesen hohen Qualitätsstandards gehört auf jeden Fall auch der Service. Deshalb tun Sie gut daran, im Unternehmen für eine top Servicequalität einzustehen und diese aktiv zu fordern und zu fördern. Sie macht Ihnen nämlich die Arbeit um ein Vielfaches leichter. Ein Unternehmen, das guten Service bietet, ist bei Kunden und Mitarbeitern gleichermaßen beliebt. Dazu muss es nicht einmal das beste Unternehmen der Welt sein. Selbst für den HSV besteht also noch Hoffnung.
Vermitteln Sie Wertschätzung (Just the way you are – Bruno Mars)
Diesen Punkt halte ich etwas kürzer, obwohl er sehr wichtig ist. Nicht weil ich Bruno Mars nicht mag, sondern weil er im Endeffekt auch auf das Interesse von Punkt 1 einzahlt. Neben dem ehrlichen Interesse ist es enorm wichtig, Wertschätzung zu zeigen. Nicht nur bei direkten Bewerbern, sondern bei allen, die sich mit dem Unternehmen befassen.
Wenn User positive Kommentare auf Social Media posten, gehen Sie darauf ein. Bleiben Sie immer sichtbar und kommunizieren Sie. Wenn User Fragen an Sie haben, antworten Sie möglichst schnell und bedanken Sie sich für den Input. Das Gleiche gilt im Endeffekt bei Kritik.
Wie viele Unternehmen haben sich das Image zerstört, weil sie falsch mit Kritik umgegangen sind. Was dann folgt ist im Normalfall noch viel schlimmer: ein Shitstorm. Menschen, denen geantwortet und Wertschätzung entgegengebracht wird, fühlen sich verstanden. Dieser Punkt ist auch innerhalb Ihres Unternehmens enorm wichtig. Auch dort sollten Sie jede Kritik oder jede Unzufriedenheit ernst nehmen, intern aufgreifen und nicht beiseite wischen.
Unzufriedenheit wird sonst schnell zu Ärger. Ärger zu Zorn. Zorn zu Hass. Und aus Hass ist schließlich noch nie etwas Positives entstanden.
Setzen Sie auf Transparenz und Ehrlichkeit (Honesty – Billy Joel)
Ehrlichkeit regiert die Welt. Das stimmt leider für die reale Welt heutzutage nur noch bedingt.Aber immerhin für den Recruiting-Prozess kann ich das noch behaupten. Antworten Sie Bewerbern ehrlich, selbst wenn diese unangenehme Fragen stellen. Wenn die Unternehmenszahlen aktuell nicht ganz so rosig sind, dann sagen Sie das ruhig. Und schieben Sie dann lieber nach, dass Sie genau deshalb nach neuen Talenten Ausschau halten.
Transparenz gilt im Übrigen auch für Gehälter. Wie häufig kommt es zu internen Streitigkeiten oder Neid, weil einer der Mitarbeiter finanziell stark bevorzugt wird. Halten Sie Ausnahmen nicht geheim, irgendwann kommt es sowieso raus. Welche großen Probleme bekam der BVB 2015 als herauskam, dass Marco Reus fast doppelt so viel wie andere Stars verdient. Transparenz und Ehrlichkeit sind zwei Werte, mit denen Sie viel mehr erreichen können als nur zufriedene Mitarbeiter.
Sie können Ihr Image damit auch für neue Bewerber in ungeahnte Höhen treiben. Bestes Beispiel ist Ikea, die irgendwann mal damit angefangen haben, aktiv zu bewerben und damit einzugestehen, dass auf den Kunden nach dem Kauf noch Arbeit zukommen wird. Stört das heute noch irgendjemand? Nein, Menschen posten sogar sehr gerne und stolz, dass Sie ihr neues Regal in nur 20 Minuten aufgestellt haben. Ob das dann allerdings ehrlich war, sei einmal dahingestellt.
Vermitteln Sie Sicherheit (Irgendwas bleibt – Silbermond)
Menschen sehnen sich nach Sicherheit. Etwas weiter oben habe ich bereits über das Bindungsbedürfnis geschrieben. Und dahinter steckt häufig auch ein großes Sicherheitsbedürfnis. Am besten ist dies schon im Säuglingsalter zu erkennen, zwischen Mutter und Kind. Bei vielen Menschen zieht sich dies aber durch ihr gesamtes Leben hindurch, besonders bei uns Deutschen.
Bei einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach kam der Wunsch Risikobereitschaft unter allen Teilnehmern mit 9% auf einen abgeschlagenen letzten Platz. Führend waren hingegen die finanzielle Absicherung (76%) und ein sicherer Arbeitsplatz (68%). Darum ist es umso wichtiger, als Unternehmen Sicherheit zu vermitteln, auch oder gerade im Recruiting-Prozess. So sollte Sicherheit für die Arbeitnehmer auch ein wichtiger Punkt Ihrer Unternehmensstrategie sein.
Zwar widersprechen sich die Begriffe Sicherheit und Innovation in mancher Hinsicht. Auf der anderen Seite können Mitarbeiter jedoch viel befreiter arbeiten und auch mal in neue Richtungen denken, wenn ihnen ihre Firma den Rücken stärkt. Machen Sie das auch neuen Bewerbern bewusst. „Gib mir nur’n kleines bisschen Sicherheit – in einer Welt in der nichts sicher scheint.“. Silbermond wissen, wovon sie singen. Heute mehr denn jemals zuvor.
Bauen Sie Touchpoints auf (Human Touch – Bruce Springsteen)
Der Wert eines Unternehmens entsteht unter anderem an Ihren Customer Touchpoints. Wenn Sie das Erlebnis eines Interessenten auf dem Weg in Ihre Firma so vielseitig wie möglich gestalten, wird dieser auch mehr Lust verspüren, dem Unternehmen beizutreten. Die sogenannte Candidate Journey wird weitläufig unterschätzt, da viele Recruiter nicht so viel Zeit aufwenden wollen.
Viele begnügen sich letzten Endes mit einer Werbeanzeige und einer E-Mail – maximal vielleicht noch mit einer Visitenkarte. Dabei ist heutzutage noch so viel mehr möglich. Schreiben Sie Kandidaten direkt auf Social Media an oder auf geschäftlichen Netzwerken wie XING oder LinkedIn und kommen Sie ins Gespräch. Vor allem als Personaler sollten Sie auf den Unternehmensseiten der Business-Plattformen sichtbar sein.
Schalten sie digitale Werbung auf bereichsnahen Webseiten oder machen Sie Radiowerbung. Versuchen Sie Artikel in Fachzeitschriften zu bekommen oder werden Sie Key Note Speaker bei wichtigen Events. Seien Sie Community Manager Ihrer Bewerberdatenbank. Ermutigen Sie Ihre aktuellen Mitarbeiter neue Mitarbeiter zu werben und geben Sie ihnen Anreize dafür.
Trauen Sie sich auch mal für einen Job Guerilla-Werbung zu machen oder hängen Sie lustige Anzeigen in die U-Bahn. In Köln hing dort kürzlich eine Anzeige für Programmierer, auf der die zu wählende Rufnummer als Code angegeben war, die nur gute Programmierer entschlüsseln konnten. Eine tolle Idee, um eine ganz bestimmte Zielgruppe anzusprechen. Was der Entwickler der Anzeige nämlich wusste: Programmierer sind alles kleine Rätselfreunde und so wurde die Anzeige auch ein riesiger Erfolg.
Personal Recruiting – Fazit und End Credits
Alle reden von Fachkräftemangel und wie dieser viele Geschäftsbereiche hart trifft. Doch was wäre, wenn dieser nur ein Mythos wäre und es den meisten einfach nicht gelingt, die richtigen Mitarbeiter zu finden?
Vielleicht versuchen diejenigen, die von Fachkräftemangel reden, es einfach nur mit den falschen Waffen. Sie gehen sozusagen mit einem Messer in ein Pistolen-Duell. Manchmal sogar mit einem stumpfen. Mit den oben dargestellten Tipps sollte es Ihnen auf jeden Fall gelingen, deutlich mehr und passendere neue Kandidaten aufzutreiben und emotional zu erreichen.
Stellen Sie Ihre Marke in den Mittelpunkt und die Geschichte, die dahintersteckt – ehrlich und transparent ohne viel Marketingsprech. Heutzutage suchen viele Menschen einen Job, der sie erfüllt und bei dem sie mit tollen Menschen zusammenarbeiten können. Selbst, wenn sie dabei am Ende 2,50 Euro weniger verdienen. Seien Sie der Rettungsanker für diese Menschen. Und geben Sie ihnen am Ende trotzdem noch die 2,50 Euro obendrauf. Sie glauben gar nicht, wie schnell sich das rumspricht und wie viele tolle neue Mitarbeiter Sie damit anlocken.
Und jetzt denken wir uns noch einmal die letzten Akkorde einer Filmmusik von John Williams hinzu – aus aktuellem Anlass bietet sich die Star Wars-Melodie an. Dann gehen wir mit einem guten kämpferischen Gefühl zurück an die Arbeit.
Ende gut – alles gut. Und Cut.