Der StepStone Job Messenger. Er ist neu. Brandneu. Und kommt recht unscheinbar daher. Er versucht sich in einem schwierigen prozessualen Umfeld zu platzieren. Das Potential dahinter ist allerdings enorm. Wenngleich sich das nicht jedem sofort erschließen dürfte. Aber deswegen lesen Sie ja meinen Blog, oder?
Lassen Sie sich also von mir in die unendlichen Weiten des Mobile Recruitings führen.
Mobile Recruiting ist tot – lang lebe Mobile Recruiting!
Mobile Recruiting ist auf dem Hype Cycle derzeit eher im Tal der Tränen. Erste vermeintliche Anwendungsfälle waren schnell zum Scheitern verurteilt. Schon früh Erfahrungen damit gemacht hat beispielsweise die Allianz mit ihrer eigenen Bewerbungs-App. Warum habe ich schon im Jahr 2014 von einem HR-Rohrkrepierer des Mobile Recruitings gesprochen und habe ich prognostiziert, dass (die allermeisten) Job-Apps scheitern werden?
Es gibt zwei wesentliche Argumente, warum beim Mobile Recruiting der große Erfolg (noch) nicht eingestellt hat: Zum einen ist der Datenhunger der Recruiting-Abteilungen und der einstellenden Fachbereiche ungebremst hoch: Neben lückenlosen Lebensläufen, Zeugnissen und Referenzen, wird oft ein individuelles Bewerbungsanschreiben vorausgesetzt. Spätestens an dieser Stelle erweist sich das Smartphone dann als eher ungeeignete Plattform für das Verfassen und Formatieren von längeren Texten.
Zum anderen schaffen es Recruiting-Apps nur schwerlich, eine kritische Masse an jobsuchenden Nutzern einerseits und eine relevante Menge an Stellenanzeigen andererseits zu generieren, um als relevante Plattform wahrgenommen zu werden.
Was ist der StepStone Job Messenger und was kann er?
Der StepStone Job Messenger ist eine klassische Messenger-App zum Versenden von (Text)Nachrichten. Ein Link auf die App kann ab sofort kostenlos (!) in Stepstone-Stellenanzeigen zur Kontaktaufnahme mit dem für die Anzeige zuständigen Recruiter eingebunden werden.
Die Sicht des Jobsuchenden
Beim erstmaligen Tippen auf die Schaltfläche via Mobilgerät wird der Nutzer aufgefordert, die App für sein Smartphone herunterzuladen. Da die App weniger als 20 MB hat, geht das im Normalfall verhältnismäßig fix. Nach der Installation erfolgt eine kurze Registrierung. Hierbei ist die Eingabe einer aktuellen Tätigkeitsbeschreibung sowie die Angabe des aktuellen Arbeitgebers ein Pflichtfeld. Eine Frage dazu an StepStone: Was ist eigentlich, wenn ich keinen aktuellen Arbeitgeber habe?
Selbstverständlich habe ich mich nicht vollkommen mit Echtdaten angemeldet. Obwohl ich ja in einem meiner provokativsten Blogs die These vertreten habe, dass „Datenschutz im Jahr 2020 tot ist“.
Ist die App einmal installiert, öffnet sie sich automatisch und eine Nachricht an das Unternehmen kann verfasst werden. Dabei geht es nicht um eine Bewerbung, sondern um typische Rückfragen, zum Beispiel, ob die Stelle in Teilzeit möglich ist oder ähnlich. Ein Chat kann jederzeit wieder aufgenommen werden.
Die Sicht des Recruiters
Der Recruiter muss die App ebenfalls auf seinem Smartphone installieren, um in die 1:1-Kommunikation zu starten. Dabei stellt sich die Frage, ob der Recruiter überhaupt ein eigenes dienstliches Smartphone besitzt, auf dem er Apps installieren kann bzw. darf. Ist dies nicht der Fall, dürfte es rechtlich etwas kniffliger werden, wenn er die App auf dem privaten Smartphone nutzt und mit Jobinteressenten darüber chattet.
Laut StepStone gibt es schon heute angeblich einen Unternehmensaccount, der die Nachrichten an das Unternehmen sammelt bzw. für weitere Recruiter zugänglich macht. Geplant ist zudem eine Spiegelung des Smartphone-Chats auf den PC der Recruiter, vergleichbar mit den aktuellen Möglichkeiten in Whatsapp. Damit würde der zeitliche Aufwand für das Tippen von Antworten jedenfalls deutlich reduziert und das generelle Handling verbessert werden.
Was ist mit dem Datenschutz?
Das Thema Datenschutz steht bei den am weitesten verbreiteten Messengern Whatsapp und Facebook Messenger regelmäßig heftig in der Kritik. Natürlich wollte ich von der in der Job Messenger App für den Zeitraum wochentags zwischen 9 und 23 Uhr als Support angegebenen „Lisa“ wissen, ob die Datenübertragung verschlüsselt erfolgt.
Auf dem Stepstone-Stand der HR-Messe Zukunft Personal hatte ich nach einem leckeren Kaffee …
die Vertriebsmitarbeiter und Produktmanager ausgiebig „verhört“ und dabei erfahren, dass die Daten ebenso verschlüsselt bei einem von StepStone beauftragten Drittanbieter auf deutschen Servern gespeichert würden. Chats könne man laut Stepstone nicht mitlesen, natürlich wisse man aber, welche Personen einen Chat miteinander gestartet haben.
Der StepStone Job Messenger – ein Gamechanger?
Was ist nun das Besondere am StepStone Job Messenger, warum schreibe ich diesen Blog? Soviel vorweg: Die aktuellen Möglichkeiten der Software sind es sicher nicht. Denn schon heute kann über die Angabe einer entsprechenden Telefonnummer in einer Stellenanzeige ein Chat, zum Beispiel via Whatsapp, gestartet werden. Und das sogar ohne notwendige Registrierung. Allerdings machen das derzeit trotzdem nicht viele Unternehmen…
Die Kraft des StepStone Job Messengers liegt vor allem in seinem Potential! Heute und in Zukunft gilt „Wer die Plattform beherrscht, beherrscht die Kommunikation und die Prozesse!“. Das hat beispielsweise die App WeChat in China bereits perfektioniert.
Aber was hätte StepStone von einer weit verbreiteten Job Messenger App?
Ausbaustufen des Job Messengers
Nehmen wir mal an, StepStone erreicht eine kritische Masse an Nutzern, die bereit sind, die App auf ihr Smartphone zu lassen und sich offiziell registrieren. Neben grundsätzlich immer wertvollen Informationen über die aufgebauten Chatverbindungen, lassen sich Szenarien durchspielen, in denen der Job Messenger in eine vollumfängliche Mobile Recruiting App ausgebaut wird. Schon im April 2014 veröffentlichte ich ein vergleichbares Szenario auf Basis von Whatsapp als durchaus ernst gemeinten „Aprilscherz“.
Ein One-Click-Bewerbungsszenario?
StepStone könnte Nutzern, die sich schon heute mit einem Profil in der Lebenslaufdatenbank registrieren, eine mobile One-Click-Bewerbung anbieten. Bei Interesse an einer Stelle, könnten die Job Messenger Nutzer via Klick einen Zugang zu ihren Bewerbungsdaten erlauben. Die Frage nach dem lästigen Anschreiben könnte über die App, die dem Bewerberprofil ja fest zugeordnet ist, clever gelöst werden. Ein durchgängiges Szenario auf Basis der Stellenbörse des Marktführers!
Einsatzmöglichkeiten für Chatbots!
Und nochmals weitergedacht: Eine solche mobile Plattform ließe sich mit zusätzlichen (kostenpflichtigen) Services anreichern. Ich denke beispielsweise an Chatbots, die auf Basis von Algorithmen einen Teil der dann notwendigen (Massen)Kommunikation übernehmen könnten. Und sei es anfangs nur den Versand einer Bestätigung der Bewerbung. Dies zahlt schon dann positiv auf die Candidate Experience ein, in Fällen, in denen Stand heute gar keine Bestätigung erfolgt.
Zu lösende Herausforderungen für den StepStone Job Messenger
Das oben beschriebene Szenario ist natürlich nur eines von zahlreichen Möglichkeiten. Vorher wird StepStone jedoch einige wesentliche Herausforderungen meistern müssen:
Erfolgskritische Verbreitung des Messengers
Absolut erfolgskritisch wird eine hohe Verbreitung des Messengers auf den Smartphones der Jobsuchenden werden. Stand heute geht die Anzahl der Apps, die sich Nutzer installieren, tendenziell eher zurück. Ebenso wird es nicht jedem Nutzer einsichtig sein, warum er einen weiteren Messenger installieren sollte, wenn er schon zahlreiche Apps (u.a. Threema) verfügbar hat.
Die Größe und Bedeutung von StepStone mag zwar hilfreich, dürfte jedoch kein automatischer Erfolgsgarant sein, wie man mit Blick auf die gefloppte Einführung der SIMSme –App durch die Deutsche Post AG sehen kann. Die proklamierte Einhaltung besonders hoher Datenschutz-Anforderungen reicht gegen die faktische Kraft der Nutzermassen leider nicht aus.
Möglicherweise profitiert StepStone jedoch von seiner Zugehörigkeit zum Springer-Konzern. Hier liegen bereits Erfahrungen mit der Verbreitung von BILD-Inhalten via Facebook-Messenger vor. Eine Multieinsatzfähigkeit der App könnte einen strategischen Mehrwertansatz bieten. Auch die auf Reisen sehr praktische iOS-App Wallet wurde am Anfang nur von wenigen Services unterstützt.
Integration in die HR-Prozesse
Ebenso erfolgskritisch wie die Verbreitung der App, dürfte die Integration in die HR-Prozesse in den Unternehmen sein. Es muss beispielsweise geklärt werden, wie die Dokumentation der Chats in die Bewerbermanagementsysteme der Unternehmen übertragen oder sonstwie sichergestellt wird. Anbieter von cloudbasierten ATS-Systemen sind hier im Vorteil gegenüber On Premise Lösungen bei der Bewerberverwaltung.
Wahrscheinlich sind es am Ende weniger technische Restriktionen, die einer optimalen Integration in den Recruiting-Prozesse entgegenstehen, als vielmehr organisatorische, wie die Bereitschaft der Recruiter sich überhaupt auf Instant-Kommunikation via Messenger Apps einzulassen.
Bewertung und Fazit
StepStone hat erkannt, dass die Zukunft einer erfolgreichen Stellenbörse nicht nur an der Menge ausgeschriebener Job sowie intelligenten Suchalgorithmen hängt. Insbesondere durch die veränderte Mediennutzung der (jüngeren) Jobsuchenden führt früher oder später kein Weg an mobilen Lösungen vorbei. Dass der Marktführer „sein Glück versucht“, finde ich erstmal gut.
Wahrscheinlich würde ein Erfolg sehr schnell die Mitbewerber auf den Plan rufen, die ihrerseits nach eigenen Plattformen streben. Ein klassischer Lose-lose-Effekt, da eine starke Marktsegmentierung die Systeme aller Anbieter gleichermaßen schwächen würde. Wir werden sehen, wie sich der StepStone Job Messenger entwickeln wird. Meine Einschätzung: Es wird nicht leicht!
Ein Unternehmen jedenfalls freut sich über den Mobile Trend schon heute:
Dieser Blog entstand nach einem langen Messetag im ICE von Köln nach Nürnberg und somit vollkommen mobil. Leichte Qualitätseinbußen bei der Rechtschreibung können müdigkeitsbedingt sein…