Sie wissen, dass ich eigentlich kein großer Fan der Generationsdebatte bin und den ganzen Pauschalierungen eher kritisch gegenüberstehe, wie mein bekannter offener Brief an Buchautorin Kerstin Bund zeigt. Anderseits habe ich bereits mehrfach in Beiträgen über die Generation Y und ihr Verhältnis zu Unternehmen geschrieben.
Heute möchte ich Ihnen meine Erfahrungen mit der jungen Generation beschreiben – sehr persönlich und absolut authentisch. Ich schenke Ihnen, liebe Blogleser, mein ganz besonderes Vertrauen und berichte sogar über sehr private Erlebnisse.
Übrigens lohnt es sich diesmal besonders, den Beitrag bis zum Ende zu lesen. Ich verspreche auch, mich relativ kurz zu halten.
Es geht um unsere Tochter. Letzte Woche hat sie nach nur sehr kurzer Zeit ihre erste Entlassung erlebt. Ein einschneidendes Erlebnis für alle Beteiligten. Nun wohnt sie wieder zuhause bei uns. Aufgrund des höchst intensiven Kontakts der letzten Wochen schreibe ich nun von meinen Erfahrungen, die tiefe Einblicke in die Natur der jungen Generation zulassen.
Von Digitalisierung keine Spur
Es wird im Zusammenhang mit der jungen Generation ja gerne der Begriff „Digital Natives“ verwendet, um auszudrücken, dass sie ein besonders enges Verhältnis zur digitalen Welt habe, Smartphones liebe und am liebsten virtuell mit der ganzen Welt in Verbindung bleibe. Aber denkste!
Seit ihrem Einzug bei uns, hat unsere Tochter das Smartphone nicht einmal angerührt. Zu Anfang hatte ich noch die Befürchtung, sie könne sich komplett in Snapchat flüchten und kaum mehr für uns ansprechbar sein. Aber null komma null. Oder nada, wie der Spanier so schön sagt.
Vielleicht haben die Skeptiker der Digitalisierung am Ende ja doch Recht und der Trend geht wieder in die andere Richtung? Auch wenn ich mir das persönlich nur sehr schwer vorstellen kann.
Keine Ahnung von Betriebsabläufen
Trotz Begriffen wie „Generation Praktikum“ kann man den Jungen nicht generell unterstellen, sie hätten schon Ahnung vom richtigen Leben. Zurzeit komme ich mir im Zusammenleben mit unserer Tochter eher so vor, als hörte ich eine Ansage der Bahn in Endlosschleife „… kommt es zu Verzögerungen aufgrund von Störungen im Betriebsablauf!“.
Wie kann ein einzelner Mensch nur so weltfremd sein? Ja, ich weiß, ich darf mich als Vater nicht beschweren, immerhin bin ich für die Erziehung des eigenen Kindes mitverantwortlich. Und trotzdem…
Wenn ich mir die Kleine in ihrem jetzigen (Gemüts)zustand bei uns im Unternehmen vorstelle, wird mir ganz angst und bang. Ich fürchte gar, dass sie alle anderen komplett von der Arbeit abhalten und der Betriebsablauf vollständig zusammenbrechen würde. Produktivität ade!
Absurde Karriereziele – Model werden
Nennen Sie mich spießig, aber in Zeiten nicht abflauender Kritik an Formaten wie Germany´s next Topmodel (GNTM) kann man seine Tochter doch nicht wirklich in dem Bestreben bestärken, sich einfach auf die faule Haut zu legen und Model zu werden.
Na gut, zugegeben, sie sieht schon wirklich toll aus und hat ein paar vielversprechende Shootings hinter sich. Aber deswegen gleich einen handfesten Beruf so früh im Leben ausschließen? Ich weiß nicht.
Gewisse Model-Allüren hat sie übrigens schon. Seit einiger Zeit macht sie so eine seltsame Milch-Diät und ernährt sich aus meiner Sicht recht einseitig. Vielleicht ist das aber auch genau der Grund, warum sie oft so träge und uninspiriert rumhängt. Was ich an Gähn-Fotos von ihr zwischenzeitlich auf dem Smartphone habe, glauben Sie nicht. Naja, zurück zum Thema.
Netzwerkaufbau – aber bitte richtig!
Den Jungen werden ja besondere Fähigkeiten zugesprochen, wenn es darum geht, persönliche Netzwerke aufzubauen und zu nutzen. Da ist unsere Tochter tatsächlich recht gut. Immer wieder kommen Menschen im Rentenalter zu uns und bringen Geschenke für sie mit. Wahrscheinlich wegen der hohen Geschäftstüchtigkeit, die man im Sternzeichen Zwilling Geborenen nachsagt.
Mir wäre es allerdings lieber, sie würde sich auch bei Gleichaltrigen ein Netzwerk aufbauen. Immerhin ist das mit Blick auf den demografischen Wandel zukunftsfähiger und hat daher längerfristig Nutzen. Aber mit Gleichaltrigen kann sie gerade überhaupt nichts anfangen. Und das nicht nur, weil Mädchen sich bekanntermaßen gerne ältere Partner suchen.
Von wegen gerne Feedback erhalten
Das mit dem Feedback ist von jeher so eine Sache. Auch wir schon länger im Arbeitsleben Stehende können damit nicht immer so gut umgehen. Aber was sich hier gerade abspielt, werden Sie nicht glauben: Der Umgangston im Hause hat sich nach dem Einzug unserer Tochter komplett verändert. Dort wo es bis vor kurzem noch Verständnis für die Sicht des anderen gab, herrscht hier schnell mal ein angespannter Kommunikationsstil, manchmal sogar inklusive Schreien.
Selbst den Nachbarn ist es schon aufgefallen, dass sich etwas grundlegend verändert hat und sie kamen vorbei und haben sich nach unserem Wohlbefinden erkundigt. Krass, oder?
Und wenn ich dann auf unsere Tochter zugehe und sie darauf anspreche … kommt nichts zurück. Keine sachdienlichen Argumente, keine eigene Sichtweise. Nur verständnisloses Schweigen. Frustrierend.
Ungeduld als Schwäche Nummer 1
Da dachte ich schon, dass meine eigene Ungeduld legendär wäre. Aber wenn ich dann so unsere Tochter ansehe… Wenn ihre Mutter nicht sofort nach dem ersten Rufen in Reichweite ist, eskaliert die Situation zunehmend. Erstaunlicherweise geht es dabei oft um Nichtigkeiten, wie den Zubereitungszeitpunkt der nächsten Mahlzeit.
Fazit
Ja, ich berichte hier einen sehr persönlichen Einzelfall. Aber ich weiß ganz genau, dass Tausende Eltern die absolut gleichen Erfahrungen machen. Woher ich das weiß? Na was denken Sie, was passiert, wenn Eltern mit ihrer neugeborenen Tochter das Krankenhaus verlassen und die ersten Tage gemeinsam zuhause verbringen?
Wie jetzt? Sie sind überrascht, dass ich über ein weniger als zwei Wochen altes Baby schreibe? Na was hatten Sie denn gedacht?
Am besten lesen Sie den Beitrag dann gleich nochmal – und jetzt mit völlig anderen Augen, weil Sie die brennende Ironie jetzt verstehen. Denn auch wenn es in den oben geschriebenen Absätzen (ganz bewusst) anders klingt, werden Sie erkennen: Das richtig große Glück kommt manchmal ganz klein daher!
In diesem Sinne danken wir für die zahlreich eingegangenen Glückwünsche und Geschenke! Es grüßt Sie der Persoblogger aus seiner wunderbaren Elternzeit!