Sehr kritische Gedanken zu Arbeiten 4.0 anlässlich der HR-Fachmesse Zukunft Personal

Ein Warnhinweis vorab: Dieser Beitrag enthält zum Teil massive Kritik an Thesen und Aussagen zur Arbeit 4.0 anlässlich der HRM-Expo Zukunft Personal in Köln vom 15.09.-17.09. – diese bezieht sich ausdrücklich nicht auf den Veranstalter, sondern in der Hauptsache auf die inhaltlich verantwortlichen Akteure und Aussteller. Allergiker-Hinweis: Dieser Beitrag kann Spuren von Ironie enthalten. Ein Weiterlesen erfolgt auf eigene Gefahr. Eine kritische Betrachtung der New Work nach drei Tagen HR-Fachmesse Zukunft Personal.

Ok, dann folgen Sie mir mal bei meinen Gedanken zum diesjährigen Leitmotto der Messe „Arbeiten 4.0“.

Die Digitalisierung ist unumkehrbar und nicht abzuwenden! – Tatsächlich?

Mein erstes Erlebnis suchte mich gleich beim Betreten der Messehallen heim: Nach analogen Gespräche wurde mir schon Wochen zuvor ein digitaler Ticketcode zugesandt. Nach Eingabe in das Online-Registrierungsformular erzeugt mein heimischer Drucker einen analogen Ausdruck (mit dem wichtigen Hinweis „Bitte nicht knicken!“). Diesen Ausdruck musste ich am Eingang der Messe dann am Barcode erneut scannen, woraufhin ein neuer Print-Ausdruck erfolgte, der sich Referententicket nannte.

Als ich dann diesen neuen Barcode am Drehkreuz unter den Scanner halten wollte, schrie mir der Security-Mann entgegen: „Nicht scannen!!! Bitte mir nur Ticket vorzeigen und dann einfach durchgehen.“. Ahja.

Mein, zugegebenermaßen Persoblogger-typischer, Gedanke: Vielleicht heißt es ja deswegen „Arbeit 4.0“, weil ich die vierfache Arbeit habe, um digital in analog in digital in analog zu verwandeln.

Arbeitsprozesse sind noch nicht 4.0-reif
Das Print-Wunderwerk nach mehrmaliger Digitalisierung-Analogisierung

Analoge Gespräche statt digitaler Powerpoint-Schlachten

Vor meiner Abreise zuhause hatte ich mir in zweieinhalbstündiger kleinteiliger Arbeit am PC einen Plan der für mich interessanten und relevanten Vorträge via Excel zusammengestellt und (natürlich) analog ausgedruckt für die Jackettasche. Allerdings bestand der gesamte erste Tag der Messe dann doch nur in persönlichen Gesprächen mit anderen Messeteilnehmern sowie Ausstellern. Quasi Kommunikation 1.0. Und ich habe tatsächlich eine Menge relevanter Informationen erhalten und einiges gelernt.

Ja, ich habe viel geredet, aber auch gut zugehört. Was heutzutage unter dem Stichwort „Arbeit 4.0“ nicht mehr ganz so selbstverständlich ist.

Die digitale Weiterverbreitung unverarbeiteter Informationen

Die Arbeit von 4.0-Kommunikatoren besteht heute darin, Informationen digital an eine große Menge von Adressaten mobil weiterzuverbreiten. Wo Journalisten früher mit Block und Stift aufmerksam zuhörten und sich Notizen für das Schreiben Ihres Beitrags am heimischen PC machten, regiert heute Twitter. Mit erheblichen Auswirkungen:

In der irrtümlichen Annahme, Menschen seien multitaskingfähig, werden bei Vorträgen gehörte Zitate heute Sekunden später auf 140 Zeichen verkürzt in die Welt hinausgespiehen, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Tags dran für die Twitter-eigene Suchmaschine, weitere Kommunikatoren mit rein in den Text und ab dafür. Dann ein Feuerwerk an Favorisierungen (die Twitter-eigenen Likes), Retweets, Antworten und ein zum Bersten gefülltes Postfach mit Infomails über all diese Vorgänge.

Die früher voll dem präsentierenden Referenten geltende Aufmerksamkeit kann dieser sich heute nur noch bruchstückhaft erkämpfen und verliert sie immer häufiger gegen die Macht des digitalen Molochs Twitter. Sind das die Auswirkungen digitaler Kommunikation 4.0?

Aus Sicht von Referenten finde das fragwürdig. Warum sich eigentlich noch die Mühe machen und persönlich anwesend sein beim Vortrag, wenn doch eine Zusammenstellung zitierenswerter 140-Zeichen-Snippets für die Weiterverbreitung ausreichen würde. Statt Arbeit 4.0 eher Aufmerksamkeit 0.4.

Virtuelle Realität als „next big thing im HR“?

Das führt uns gleich zum nächsten Thema, das auch mit zahlreichen Vorträgen und Präsentationen auf der Zukunft Personal bedient wurde: Virtual Reality als Ausprägung der New Work, wie die Arbeit 4.0 auch oft genannt wird. HR wird digital und virtuell.

Damit meine ich jetzt nicht die rein virtuelle Anwesenheit von Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice oder bei mobiler Außenarbeit. Es geht vielmehr um Themen wie die Augmented Reality Brille Oculus aus dem Facebook-Imperium. Auch diese Technologien sollen laut Aussagen zahlreicher technikbegeisterter Referenten in Kürze Einzug halten in deutschen Personalabteilungen.

Virtual Reality – wieder mehr Chance auf schönen Schein?

Zum Beispiel mit virtuell abgebildeten Unternehmensgebäuden, in denen man sich mittels solcher Technologie digital bewegen kann. Das Einsatzszenario von Virtual Reality im HR zukünftig sei angeblich vielfältig, weil sich Bewerber beispielsweise schon vor Arbeitsantritt die Bürogebäude und Arbeitsplätze von innen anschauen können.

Es besteht also in Zukunft wieder vermehrt die Chance, die eigene Arbeitgebermarke virtuell aufzuhübschen. OK, kostet ein bissel was, aber wer Innovation als Markenwert verkörpern will, der darf hier doch nicht knauserig sein, oder?

Bewerber täuschen leicht gemacht?
Virtuelle Realität kann reale Realität schönen.

Wenn ich solche Aussagen höre, frage mich allerdings immer, wie viele Unternehmen denn tatsächlich so überzeugend tolle moderne Arbeitswelten haben, dass ein virtueller Blick einen Bewerber derart rockt, dass er sich sofort bewirbt. Und ganz ehrlich: Warum laden Unternehmen diese Bewerber dann nicht gleich ein und zeigen ihnen alles live? Wegen der teuren Reisekosten?

Soso, dann sollten Sie jetzt mal nachdenken, wo Sie als Personaler Ihr Geld besser investieren. In den persönlichen Kontakt 1.0 mit den Bewerbern oder in virtuelle Hochglanzwelten…?

Arbeit 4.0 ist durch – wann kommt Arbeiten 5.0?

Es ist schon erstaunlich, wie kurzlebig Themen in der heutigen Zeit geworden sind. Vorgestern ging es noch um den Sinn und Zweck von Employer Branding, gestern um Mobile und Social Recruiting und heute reden alle über Arbeiten 4.0. Ist mir da was entgangen? Wann war denn eigentlich Arbeiten 2.0 oder 3.1?

Ja, schon klar: Der Markt versucht mit Begriffen, die wie die Versionierungen von Software klingen, disruptive Innovationen bzw. Veränderungen greifbar und diskutierbar zu machen.

Aber dann höre ich Sätze wie „Wenn ich als Journalist etwas geschickt bekomme zur Generation Y, dann lösche ich das sofort. Das Thema ist durch.“. Aha. Und Mobile Recruiting auch. Und zur Messe nächste Jahr auch „Arbeiten 4.0“, wollen wir wetten?

Innovationsthemen kommen bei der HR-Basis nicht an

Das muss man sich schon mal auf der Zunge zergehen lassen: „Diese Themen sind durch.“. Ich weiß zwar was damit gemeint ist: Jeder, der sich für einen Marktexperten hält oder etwas verkaufen möchte, hat sich dazu bereits geäußert und alle großen HR-Magazine und Plattformen haben darüber berichtet. Aber „durch“ sind diese Themen in der Realität, also der echten jetzt, die tagtäglich am Schreibtisch Millionen deutscher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer passiert, doch noch lange nicht!

Im Gegenteil. Dort kämpfen zum Beispiel Recruiter noch mit 1.0. – Wobei es eine weitere spannende Frage ist, ob der sogenannte „Recruiter 2.0“ überhaupt mit einer „Arbeit 4.0“ aufnehmen kann, ohne Recruiter 4.0 zu sein…

Wie rekrutieren deutsche Unternehmen
Oft kämpfen die Recruiter in einem Unternehmen noch mit Basics

Jetzt aber mal ganz im Ernst und ohne Ironie:

Warum werden Themen (oder gerne auch Säue) mit einer solch kurzen Haltbarkeitszeit durch das globale HR-Dorf getrieben? Warum werden von Anbietern technische Highend-Szenarien entwickelt, die 95% der Unternehmen, insbesondere der Mittelstand niemals einsetzen kann oder will? Wieso will die Recruiting-Industrie uns fortwährend neue Themen verkaufen, wenn HR auf der anderen Seite heerscharenweise noch in Vorträgen zur „Candidate Experience“ sitzt.

Candidate Experience – alter Wein in neuen Schläuchen

In der Tat stand ein Tag der Messe ganz im Zeichen dieses Themas – unter das im Übrigen auch das gesamte Jahr 2015 als „Jahr der Kandidaten“ gestellt wurde.

Das muss man sich schon ein wenig auf der Zunge zergehen lassen: Personaler entdecken für sich, dass es einen Unterschied macht, ob ich Bewerbungen nach 3 Tagen oder überhaupt nicht beantworte. Und ob Bewerbern die Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen tendenziell eher erschwert oder vielleicht doch besser erleichtert werden soll?!

Klingt so, als ob man einem Metzger sagt: „Pass auf, räume mal die Transportkisten vor der Theke weg, damit die Kunden besser ran kommen und putze Deine Auslage täglich, da bilden sich sonst Bakterien, die die Wurstwaren befallen können!“.

Hausaufgaben 1.0 machen statt Arbeit 4.0 diskutieren!

Liebe HR-Gemeinde, und wir reden neben Candidate Experience gleichzeitig über Arbeiten 4.0, wo die einfachsten Hausaufgaben im Unternehmen noch nicht gemacht sind? Komplett den Glauben an Themen wie Digitalisierung und Arbeit 4.0 verliere ich immer dann, wenn einem HR-Referenten die Powerpoint-Präsentation abbricht, weil er auf seinem Presenter den falschen Knopf drückt und er sich verzweifelt nach einem Techniker umschaut, der ihm mit einem Klick auf das korrekte Icon alles wieder zu Laufen bringt.

Und Ihr sprecht über Arbeiten 4.0…?

Schreckensszenario? Computer leitet Mensch bei der Arbeit an

Ein weiteres Thema in diesem munteren Reigen ist die neue Kooperation von Mensch und Maschine bei der Arbeit 4.0. Da wird ein Szenario an die Wand gemalt, bei der eine Vielzahl von Arbeitnehmern (m/w) zukünftig gezwungen wird, nur noch Anweisungen vom Computer anzunehmen und diese zu befolgen, beispielsweise bei der Bedienung hochkomplexer Anlagen. Und was das an Veränderung für diese Menschen mit sich bringt.

Aus meiner Sicht verliert das Szenario sehr schnell an Schrecken, wenn man sich klarmacht, über welche Mitarbeiter hier konkret geredet wird. Das sind natürlich nicht diejenigen, die sich mehr Mitbestimmung oder unternehmerische Verantwortung wünschen, sondern oftmals Fachkräfte, die schon heute eng mit Maschinen zusammenarbeiten. Mal ganz abgesehen davon, dass nach den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Theorien (z.B. dem situativen Führen) sowie Menschen gibt, die viel lieber eng geführt bzw. angeleitet werden wollen und die das sogar glücklich stimmt.

Und genau betrachtet ist die Entwicklung alles andere als 4.0 oder neu: Denn seit es Computer gibt, sagen sie uns wann sie Strom brauchen, wann wir ein Update machen und den PC nicht ausschalten sollen und vieles mehr.

Digitale Abstimmung zum 23. Personalwirtschaftsaward

Und dann gab es im Rahmen der Zukunft Personal noch zahlreiche Abendveranstaltungen, die ebenfalls kritische Ansatzpunkte für die vermeintlich glücklich machende Digitalisierung lieferten. Die Abstimmung über den finalen Gewinn des 23. Personalwirtschaftsawards (die übrigens die Personaler von Vodafone für sich entschieden) sollte beispielsweise über ein digitales Voting erfolgen.

Abendveranstaltung der Zeitschrift Personalwirtschaft
Vodafone gewinnt den 23. Personalwirtschaftsaward im KölnSKY 2015

Mittels einer verteilten (analogen) Wahlkarte, mussten die Gäste einen QR-Code scannen, um dann online ihre Stimme abzugeben. Wie erwartet funktionierte zwar das Scannen des QR-Codes perfekt, allerdings brachen die Internetverbindungen beim gleichzeitigen Zugriff der Teilnehmer ab, so dass nicht alle Inhaber einer Wahlkarte teilnehmen konnten.

Statt auf die Wahlkarte einen QR-Code aufzudrucken, hätte man alternativ auch drei Kreise zum Ankreuzen aufdrucken können. Das hätte den Vorteil gehabt, dass am Ende alle Anwesenden hätten am Voting teilnehmen können und zudem nicht hinterher an jedem Tisch 10 Smartphones auf dem Tischtuch liegenbleiben. – Früher hätte man uns als Prolls bezeichnet in solch edlem Ambiente im KölnSKY sein Handy auf den Tisch zu legen. Heute läuft das unter Mitbestimmung 4.0.

Viel heiße Luft – raus aus der 4.0-Blase!

Es wurde also allerorts viel geredet, diskutiert, gescannt, gevotet, getwittert und verkauft. Aber diesmal hat es bei mir oft einen fahlen Beigeschmack hinterlassen. Beim Thema „Geschmack“: Es wurde auch lecker gegessen. Irgendwas mit Espuma (Schaum) von Schoko-Dingens (4.0), was auch schon mal Grand Dessert (3.0) geheißen hat oder davor Mousse au Chocolat (2.0) und letztlich trotzdem immer sowas war wie der Schokopudding, den Oma uns als Kind gemacht hat (1.0).

Abschließend appelliere ich erneut an meine Leser und Gesamt-HR, zwar stets offen für neue und innovative Themen zu sein, diese gleichzeitig aber höchst kritisch zu hinterfragen. Gerade im Rausch einer solchen Messe kann das jedoch schnell verloren gehen.

Vielleicht ist es ganz gut, dass Sie erst jetzt meinen Beitrag dazu lesen. In diesem Zusammenhang vielen Dank für Ihre volle Aufmerksamkeit!

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Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer (Personalmagazin 05/22) betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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DANKE!

19 Antworten

  1. Ein kleiner Beitrag am Rande. Ich habe etwa 20 Minuten dem Vortrag eines Kommunikationsexperten gelauscht. Es ging um die Veränderung der Kommunikation im Zuge des digitalen Wandels. Quintessenz: mit Verlagerung auf Twitter, Whatsapp, SMS (ja, auch die nennen ich noch) und Konsorten verzichten wir auf etwa dreiviertel der für die Wahrnehmung des Menschen wichtigen Faktoren. Denn den größten Anteil an Informationen entnehmen wir der Gestik und Mimik sowie des gesamten Auftretens. Die genannten Kanäle unterstützen somit im Grunde ausschließlich die Weitergabe von sachlichen Informationen.

    Des Weiteren habe ich zum Thema Industrie 4.0 von einem englischen Professor gelernt, dass davon ausgegangen werden kann, dass strukturierte und „mechanische“ Arbeitsabläufe automatisiert werden können, solche, die zwischenmenschliche Interaktion und Empathie erfordern hingegen weniger.

    Dein Artikel, dem ich mit Freude gefolgt bin, unterstreicht im Grunde die ganz einfache Erkenntnis: Technologie ist nützlich, gesunder Menschenverstand unsersätzlich.

    Also folge ich all dem Innovationsgebaren mit Aufmerksamkeit und der gebotenen Distanz. Am besten voran kommt man noch immer, indem man einfach mal einen Moment drüber nachdenkt, was denn sinnvolle in Bezug auf die Aufgabenstellung wäre, und dann einfach mal macht.

  2. Danke für den Artikel. Ich mach ja jetzt schon länger „auf Zukunft“ und hinterfrage dabei auch gerne kritisch, was da wirklich auf uns zukommen wird.

    Nach 1 1/2 Tagen auf der Messe haben sich bei mir 3 Wahrnehmungen herauskristallisiert:
    1) Auf der Messe wurden ziemlich banale Dinge als heiße Themen verkauft. Beispiel: Recruiting 2.0 und damit die ultimative Antwort wie man mit Menschen umgehen sollte, die sich für einen Job im Unternehmen interessieren. Meine Antwort wäre ja „menschlich“ aber naja. Lars Hahn stellte dazu gestern auf facebook die Frage wo man denn heutzutage in Onlineformularen sein Diplom eintragen könnte… (aber das war jetzt unabhängig von der Messe).
    2) Es wurden (wieder mal) Vorträge gehalten, die zumindest bei mir veritables Grausen erzeugten. Beispiel: Zum Thema „Führung in Netzwerkorganisationen“. Die erste Botschaft war: Ich brauche die Machtstruktur einer Hierarchie, um hier Führen zu können. Ähm.. .naja, erstens hab ich sowas in Netzwerkorgas nicht unbedingt und zweitens definiert und entsteht Macht heute,.. na, ich sag mal „anders“. (Ich bin dann recht schnell gegangen…. Wollte der Kollegin ja nicht das Geschäft versauen – das konnte sie wohl selbst auch schon).
    3) Das Buzzword „Digitalisierung“ sorgt scheinbar dafür, dass Technologie in den Vordergrund gebracht wird. Unklar bleibt dabei oft, was Digitalisierung denn nun genau ist. Noch ist der Begriff so vage in den Köpfen verankert, dass er taugt um damit alles (inkl. VR) zu verkaufen.

    Als „normaler“ Personalmanager und Messebesucher wäre es mir schwer gefallen zu verstehen, was wirklich wichtig ist. Es gab viel Blablubb, aber wenig Wahrheit. Aber vielleicht bin ich auch zu anspruchsvoll. Vielleicht ist das Ziel der Messe ja auch nur für 3 Tage Auszeit vom Tagesgeschäft zu sorgen.

    Um nicht nur alles negativ zu sehen – ACHTUNG jetzt kommt Eigenlob – haben wir in einer kleinen Podiumsdiskussion versucht ein bisschen Ehrlichkeit ins Spiel zu bringen und auf die (zukünftigen) Kernarbeitsfelder von HR hinzuweisen. Eine Zusammenfassung hab ich in meinem Blog veröffentlicht (den ich hier nicht verlinke um den „Werbeblock“ nicht zu überziehen).

    Ich glaube die Messe täte gut daran mehr Menschen statt Technologie, Techniken und Werkzeuge in den Fokus zu rücken und den Austausch zu fördern. Denn es geht in Zukunft mehr um den Menschen und das Zusammenspiel mit „Technologie“ statt um den Versuch den Menschen weiter in „Technologie“ einzupressen.
    Das ginge dann zwar wahrscheinlich auch in Richtung Kongress (und Kongresse gehen ja gerade in Richtung Open Space), aber wenn wir die Möglichkeiten der Arbeit der Zukunft und damit die Zukunft der Arbeit (neu) verstehen wollen, müssen wir reden und schreiben und lesen – statt in VR Brillen zu schauen.

    So – nochmal Danke für den Impuls!
    Viele Grüße
    Guido Bosbach

    1. Nachdem ich in den meisten Kommentaren tatsächlich eine Bestätigung meiner doch sehr kritischen Betrachtungsweise erhalten habe, würde es mich jetzt fast interessieren, wer dazu eine abweichende Wahrnehmung hatte.

      Was die stärkere Vernetzung des Themas IT-Anwendungen mit den dahinter liegenden Auswirkungen bzw. die notwendigen Veränderungen beim technologie-anwendenden Menschen betrifft, kann ich mich Ihrem Wunsch nur anschließen. So ähnlich habe ich mich auch in einem anderen Kommentar hier ausführlicher geäußert.

      Den von Ihnen erwähnten Beitrag auf Ihrem Blog unter blog.bosbach.mobi habe ich gelesen und verlinke gerne dorthin.

      Ihnen ein erholsames Wochenende nach langen Messetagen,
      Persoblogger Stefan Scheller

  3. Die Erfahrung und das Charisma eines „echten“ HR- Managers werden wir auch in 20 Jahren noch nicht digitalisieren können. Und das ist auch gut so!

    Toller Blog-Beitrag – Danke und weiter so!

  4. Hi Stefan,

    Schönes Resümee, wenn auch am Ende nicht so provozierend, wie man am Anfang vermuten würde… Ich glaube deine Kritik bezieht sich auf das große Buzzword-Bashing mit wenig Zählbarem dahinter. Ganz nach dem Motto: „Marketers ruin everything“ – @garyvee (BTW: Herrlicher Vergleich mit dem Schokopudding).

    Gleichwohl muss doch gesagt sein, dass eine Messe wie die Zukunft Personal doch davon lebt, dass neueste Technologien ausprobiert werden um Probleme der Gegenwart zu beseitigen. Und bloß weil heute schon Virtual Reality diskutiert wird, heißt es doch nicht, dass Mobile Recruiting, das ja noch dermaßen in den Kinderschuhen steckt, ein Thema von gestern ist.

    Es mag sein, dass es einen gefühlten Technologieüberfluss gibt, aber es soll doch jeder die Chance haben sich am Markt zu beweisen. Oder anders formuliert: Glaubst du die Personaler würden ihre „Hausaufgaben 1.0“ besser machen, wenn es die ganzen zur Debatte stehenden Trends nicht gäbe?

    Beste Grüße
    Sebastian

    1. Hi Sebastian,
      definitiv, Du verstehst mich schon richtig. Auch ich halte die Präsentation des gesamten Marktspektrums auf einer Messe wie der Zukunft Personal für richtig und wichtig. Immerhin war ich selbst vor Ort, um meinen eh schon sehr tiefgründigen Blick auf das aktuelle Portfolio der HR-Anbieter nochmals zu erweitern.
      Und selbstverständlich sollen und müssen sich die Anbieter auf dem Markt behaupten, genauso wie sie damit rechnen müssen, dass nicht praxistaugliche oder sonst wenig verwendbare Lösungen wieder vom Markt verschwinden (teilweise selbst gute Lösungen, deren Zeit einfach noch nicht reif ist). Auch der Name „Zukunft Personal“ der Messe selbst legt diese Ausrichtung mehr als nahe.

      Aber, und darum ging es mir in erster Linie: Technologie ist das eine. Das andere ist das Verständnis, was der Einsatz der einen oder anderen Technologie an Auswirkungen auf die Arbeitswelt, das soziale Miteinander, die fachlichen Prozesse, die Arbeitgebermarke, Vergütungssysteme, Führung usw. mit sich bringt. Das kam mir deutlich zu kurz.

      Anbieter von Technologie reden meist über ein fachliches oder prozessuales Problem, das mit ihrem Produkt gelöst werden kann. Wenig geredet wird aber über das was die neue prozessuale Gestaltung an Auswirkungen auf die Mitarbeiter hat, die diese Technologie anwenden.

      Ein einfaches Beispiel: Aufbau von virtuellen Welten und Ausrichtung der Employer Branding Aktivitäten auf den Begriff „Innovation“. Und dann kommt das Management daher mit ausgedruckten E-Mails. Das ist für mich nicht stimmig. Und mit jedem weiteren Schritt der Technik geht die gefühlte Realität in den Unternehmen auseinander zwischen Menschen, die dem folgen können und sehr technikaffin sind und denen, die auch einen guten Job machen, aber nicht auf Messen gehen oder so tief in der Materie stecken.

      Da passiert in Unternehmen viel mehr, als dass nur wieder ein neues Produkt eingesetzt wird. Nur schaut da kaum einer genauer hin. Der Anbieter kennt es als Außenstehender nicht, die einführende HR-IT kümmert sich nicht um den Change beim Menschen und HR ist oftmals mit dem Change in den eigenen Reihen auch überfordert. Und trotzdem reitet der Markt voran.

      Eigentlich ein guter Ansatzpunkt für einen eigenen Beitrag darüber…

      Viele Grüße und danke für das Lesen meines Blogs,
      Stefan

  5. Lieber Herr Scheller,
    Made my day! Ein Artikel, der alle tiefen Bretter, die dort draußen noch gebohrt werden müssen, exakt trifft. Und eine Absolution für all die, die wie ich nach langem Überlegen, sich entschlossen hatten, lieber beim “ Hausaufgaben machen“ im Bereich 1.0 produktiv zu unterstützen? und Köln fernzubleiben.

    Vielleicht macht es ja Sinn, Frau Nahles bei Gelegen heit zu fragen, wer ihr zur Worthülse „Arbeiten 4.0“ geraten hat.

    Vielen Dank jedenfalls für Ihre klaren! und wahren Worte!

    1. Liebe Frau Berger,
      es freut mich, dass Ihnen mein Beitrag gefallen hat. Hausaufgaben gibt es viele für die meisten HR-Organisationen. Deswegen allerdings gleich daraus zu schließen, dass sich ein Messebesuch gar nicht lohnt, möchte ich nicht als meine Aussage verstanden wissen. Ich finde es schon positiv und wichtig, dass sich HR über den Markt informiert. Das zeigt ja auch eine offene Haltung. Diese darf aber nicht zur Hilflosigkeit werden, die dann dazu führt, Themen als vermeintliche Lösungen hinterher zu jagen, die mehr als drei Schritte der unternehmenseigenen Realität voraus sind.

      Und was Frau Nahles angeht: Der Begriff liegt durchaus nahe. Industrie 4.0 lässt sich ja sehr schön in die einzelnen Versionierungen zerlegen und tatsächlich nachweisen. Dann muss das Arbeiten im Industrie 4.0 Umfeld natürlich auch Arbeiten 4.0 heißen. Zumindest konsequent und verständlich ist es. Nur ob schon heute für viele Unternehmen die inhaltsbezogene Werthaltigkeit praxisrelevant ist, halte ich für fraglich. Allerdings passt das zumindest zum Namen der Messe „Zukunft“ Personal.

      Viele Grüße zurück,
      Stefan

  6. Hallo Stefan,
    Du schreibst mir aus der Seele. Das Problem ist ja, das niemand diese Trends kritisch hinterfragt, bzw. mit dem eigenen Alltagsgeschäft abgleicht. VR ist nach wie vor Scheisse teuer. Das wird noch ein paar Jahre dauern, bis sich das durchsetzt. Btw, Employer Branding ist nach wie vor nicht tot. Die meisten Unternehmen haben es leider immer noch nicht verstanden. Und nein, Employer Reputation ersetzt nicht Employer Branding.

  7. Stimme vollkommen zu, wir müssen erstmal den Laden zum laufen bringen mit den alten Prozessen die ach so neu sind, bevor wir so tun als wären wir die Change Manager der Erde und Arbeit 2000.1.2 ausrufen… Zumal ich diese Phrasenschweintreiberei mittlerweile irgendwie auch schräg finde.

    Lieber Gruß vom anderen Stefan

  8. Hallo Stefan,

    dieser Leitsatz gefällt mir : “Offen für neue und innovative Themen sein, diese gleichzeitig aber höchst kritisch hinterfragen.”

    Der Kritik an Twitter möchte ich, trotz Betonung des ironischen Untertons, einige Punkte entgegenstellen (auch weil ich auf dem Bild zu sehen bin):
    1. Andere profitieren von den eigenen Äußerungen auf Twitter, wenn Sie auf Veranstaltungen nicht dabei sein können. Das gilt für mich genauso. Das entbindet den Leser allerdings nicht von einer kritischen Draufsicht auf das Geschriebene.
    2. Die Aufmerksamkeit steigt in Teilen, weil ich noch genauer zuhöre.
    3. Die Aufmerksamkeit schwindet eher, wenn es zu langatmig wird oder die Präsentation einfach nicht adäquat ist und nicht, weil ich twittere. Nico Rose hat in der oben abgebildeten Veranstaltung bewiesen, dass ein Vortrag auch interessabt und informativ aufgebaut sein kann.
    4. Auch wenn ich kein Journalist bin, Twitter ist mein Block und Stift. Und noch besser: andere ZuhörerInnen, die auch darüber twittern haben eine andere Draufsicht und interessante Gedanken zum jeweiligen Vortrag.
    5. Der Referent profitiert, wenn er gut ist, von der Reichweite und steigert seinen Bekanntheitsgrad bei einer weitere Zielgruppe.

    Viele Grüße und man liest sich auf Twitter 😉

    Dirk

    1. Hallo Dirk,
      mit Deinen Anmerkungen zur Twitter-Nutzung hast Du grundsätzlich natürlich Recht. Gerade für alle, die leider nicht am Vortrag live teilnehmen können, ist das eine prima Möglichkeit irgendwie doch mit in Kontakt zu stehen. Das schätze ich persönlich auch sehr. Und dass der Referent von der zusätzlichen medialen Reichweite ebenfalls (zum Teil massiv) profitiert, gekauft.

      Aber ich zweifele das mit der Aufmerksamkeit trotzdem etwas an. Auch ich habe sehr genau zugehört, allerdings mit einem anderen Fokus, nämlich eine zitierbare Botschaft aufzunehmen, die für andere relevant ist und das Gesagte prägnant zusammenfasst (Rolle Kommunikator). Das kenne ich von der Fotografie: Wenn ich mit der Kamera unterwegs bin, um Bilder zu schießen, nehme ich meine Umwelt komplett anders wahr und denke immer in Bildern und Bildausschnitten, nehme die Natur aber nicht in der authentischen Ursprünglichkeit wahr als würde ich den gleichen Spaziergang ohne Kamera machen.

      Darüber hinaus stelle ich bei mir fest, dass ich zwar bis zu dem Zitat extrem genau zugehört habe, dann aber wirklich mit Tippen und Taggen ordentlich abgelenkt werde. Solange bis der Zyklus neu beginnt. Das ist aus meiner persönlichen Erfahrung anders, wenn ich die ganze Zeit voll dabei bin und mitdenke ohne zusätzlich zu twittern. Dann ist meine Rolle aber eher ein Lernen-Wollender Teilnehmer, weniger ein digitaler Kommunikator.

      Aber vielleicht können das andere tatsächlich besser als ich. Werde das mal weiter an mir beobachten.
      Viele Grüße zurück,
      Stefan, seit heute Nacht zurück aus Köln

  9. Eine erfrischende Perspektive auf den ganzen HR-Rummel. Da ist vieles gemacht von Leuten, die Technik schlichtweg nicht verstehen – und das ist nicht einmal ein Generationenproblem.
    Und alle Diskussion um Candidate Experience wird hier auch schön getroffen.
    Als großer Fan von Virtual Reality muss ich aber sagen: Kostet weniger als man denkt, jetzt nach der IFA kommt da viel Neues für alle Budgets. Meine VR-Videos habe ich für weniger als 400 Taler realisiert, das dürfte jede Recruiting-Kaffeekasse hergeben 😉

    1. Ja, Herr Erb, das mag sein, dass das wenig kostet. Aber wenn Unternehmen nicht einmal die Basics im Bereich (kostenfreier Maßnahmen) zur Verbesserung der Candidate Experience kennen, können auch wenige Taler sicher sinnvoller investiert werden.

      Ich persönlich finde das Thema VR auch super, allerdings fürchte ich, dass es auf lange Sicht dazu führt, dass noch mehr Wirklichkeitsflucht erfolgt, als im Facebook-/Twitter-/Whatever-Zeitalter eh schon in die digitale Welt erfolgt anstatt in Leben oder Familie 1.0.

      1. Ja, da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Wir alle wissen, wenn bei mir die Basics nicht laufen, dann kann ich im Marketing strampeln wie ich will, die Kandidaten verliere ich hinterher wieder. Das gleiche Spiel kennt man ja vom genialen Social Media Auftritt, der dann in einem furchtbaren Bewerbertool mündet. Verschwendete Liebesmüh, konzipiert im Hype-Delirium…

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